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66. Berlinale: Liebmann

Liebmann ist ein mit vielen Symbolen und Querverweisen versehener Perspektive Deutsches Kino Film über die Bewältigung von Schuld und die Frage nach Verantwortungsübernahme. Wobei sich der Film weniger schwer anfühlt als diese Begriffe klingen.

„Eine Reise ist ein vortreffliches Heilmittel für verworrene Zustände.“
(Grillparzer).

Der Lehrer Antek Liebmann (Godehard Giese) reist von Deutschland nach Frankreich und obgleich wir als Zuschauer kaum etwas über ihn erfahren, entsteht eher der Eindruck einer Flucht anstelle einer wirklichen Reise. Er muss etwas hinter sich lassen und scheint nicht interessiert an neuen Kontakten, zu beschäftigt ist er mit sich und der zum Teil körperlich ausagierten Verarbeitung des Geschehenen, dem Ausdruck von Schuld, Wut und Trauer. Doch die Nachbarin Geneviève (Adeline Moreau), ihre Tochter und der neue Bekannte Sébastien (Fabien Ara) sind einfach zu beharrlich und bemüht um Kontaktaufnahme, so dass trotz seiner Zurückhaltung Beziehungen entstehen, denen sich Liebmann jedoch auch immer wieder entziehen muss, da er sie nicht aushalten kann.  

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Fabien Ara und Godehard Giese in Liebmann von Jules Herrmann. – Foto © Sebastian Egert

Auffallend sind einige Stilelemente, die man plakativ finden kann oder wunderlich, Irritation könnte bereits die Beschreibung des Pressetextes hervorrufen: „Die Erzählung orientiert sich am Gefieder des Pfaus, changiert zwischen zurückhaltendem Schimmern und auffälligem Schillern.“ Wie bitte? Das scheint doch etwas abgehoben zu sein. Oder weit hergeholt. Doch der Film beginnt gleich mit dieser Szene des Pfaus und einiges erschließt sich. Anderes nicht. Es gibt durchgängig hervorgehobene literarische und historische Exkurse, so zum Beispiel der Vorwurf der Schwester, bei Liebmann sehe es aus wie bei Ibsen oder Strindberg und darauf folgend eines Szene aus „Der Pelikan“ von August Strindberg.

Spiel mit Farben

Immer wieder fällt auch das Spiel mit Farben auf, besonders eindringlich die – zugegebenermaßen nicht ganz originelle – Rotfärbung als Symbol für Blut und Schuld. Und dass diese Motive so hervorstechen hat auch einen Hintergrund: Jules Herrmann berichtet, dass sie kein Drehbuch gehabt habe, sondern 27 „Zettel“, auf denen die Elemente, die sie einbringen wollte (wie z.B. „Farbe“, „Pfau“) notiert gewesen seien. Ein richtig festes Drehbuch habe es nicht gegeben, der Film sei „an 15 Drehtagen intuitiv“ entstanden. Und ihrer durchaus guten Intuition sowie auch der aller SchauspielerInnen ist es zu verdanken, dass „Liebmann“ keine Aneinanderreihung dieser Symbole, sondern ein stimmiger, harmonischer, spannender, berührender und in einigen Passagen auch sehr humorvoller Film geworden ist.

Text: Josefine Tegler

Liebmann

Länge: 82 min

Deutschland 2016

Regie / Buch: Jules Herrmann

DarstellerInnen:

Godehard Giese, Adeline Moreau, Fabien Ara, Bettina Grahs, Alain Denizart

Perspektive Deutsches Kino

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