Das Blair Witch Project-Sequel, das nur noch Blair Witch heißt, wurde mit einem amüsanten Promo Gag beworben: Das neueste Projekt von Adam Wingard, der Fans amerikanischer Horrorfilme nach "You're Next" und "The Guest" mehr als ein Begriff war, sollte zunächst "The Woods" heißen und sah im ersten Trailer nach formulaischem Backwood-Grusel aus.
Erst während der ersten Pressevorführung auf der Comic Con in San Diego stellte sich heraus, dass es sich um die Fortsetzung eines Kultfilms handelt. Die Prämisse ist wenig innovativ: Eine Gruppe Jugendlicher dreht eine Dokumentation, im Zentrum steht der Bruder der berühmten Rotznase aus The Blair Witch Project, der sich auf die Suche nach seiner verschollenen Schwester machen möchte. Wingard updatet aber auf technischer Ebene: Die Crew verfügt 2014 über mehrere Kameras und sogar eine Drohne, die den Helikopter Shot ersetzen kann. Nichtdestotrotz ist es nicht zu empfehlen, vor dem Kinobesuch zu trinken, es wird erwartungsgemäß ganz schön gewackelt und mit Jump Cuts und Glitches um sich geworfen.
Die Progression des Grusels scheint zunächst sehr nah am Original zu sein: Man entdeckt Holzgeflechte und Steinhaufen, verläuft sich und ist irritiert von der Präsenz der Kamera. Die Charaktere sind sehr dünn und aktantisch gehalten. Dann geht es aber wenig überraschend doch sehr viel schneller und drastischer zur Sache als noch 1999. Der Horror findet größtenteils auf der Tonebene statt. Visuell bedient Wingard sich des Slenderman Prinzips, soll heißen, der Taschenlampenkegel ermöglicht nur eine sehr partielle Sicht und belädt die Umgebung mit umso mehr Mysterium. Zudem enthält Blair Witch grob 43727563 Jump Scares, was sogar von den Charakteren reflektiert wird. "Everyone stop doing that!", ruft Lisa, als sie im Dunkeln mal wieder versehentlich in Ashley hinein läuft. Neu ist ein merkwürdiges Body Horror Motiv: Wenn Ashley sich Schnitte zuzieht, beginnen diese zu pulsieren und einmal zieht sie sogar eine wurmartige Masse heraus. Dieses Motiv führt jedoch vor ihrem Abtreten leider absolut nirgendwo hin.
Irgendwann wird es dann nicht mehr Tag und die Nonstop-Achterbahnfahrt beginnt. Man kann es unrealistisch finden, dass die Charaktere fleißig weiter filmen und ihre Akkus nie ausgehen. Das ist aber nicht so relevant. Das Ziel und die Motivation der Charaktere werden hier jedoch eine Zeit lang etwas unklar: Entkommen/ die Freunde wiederfinden/ die Schwester finden? Schlussendlich erreichen wir natürlich die Hütte und begehen sie gleich zwei Mal: Ein Mal aus seiner, dann aus ihrer Perspektive. Das ist auch neu und ganz cool: Dass wir den Charakteren, nachdem sie einander verlieren, einzeln ins Verderben folgen, anstatt dass sie einfach verschwinden. Abgesehen vom schwarzen männlichen Protagonisten. Hier geht der Film unnötig klassisch vor.
Auf die Schrecken der Hütte folgt als sinnvolle Steigerung ein körperenger Erdschacht – klaustrophobischer kann ein Horrorfilm-Setting kaum sein. Wir enden mit einem geschickten Einsatz der Selfie-Kamera: Das final girl darf das Monster selbst nicht ansehen, kann es aber über das Medium erhaschen. Bis sie natürlich getäuscht wird und wie schon im Original niemand entkommt.
Fazit
Blair Witch ist ein umheimlich zeitgemäßer Horrorfilm. Found footage, jump scares, klassischer übernatürlicher Grusel, das sind die Techniken, die große Horror-Produktionen in den letzten Jahren stark dominiert haben und werden hier auf die Spitze getrieben. Blair Witch ist deshalb ein enorm gruseliger Film. Was hinter den Effekten steht, ist aber sehr dünn und fügt den Ideen des Originals wenig hinzu.
Blair Witch
Länge: 89 Minuten
Regie: Adam Wingard
DarstellerInnen: James Allen McCune, Callie Hernandez
Kinostart am 6. Oktober