Kid Simius ist ein musikalisches Multitalent. Ursprünglich aus Granada, hat es ihn in jungen Jahren nach Berlin gezogen. Seither ist er als DJ in Clubs unterwegs, produziert eigene Tracks, bastelt Beats für Marsimoto oder spielt die ein oder andere Instrumententalspur auf Platten von befreundeten Künstlern ein.
Aktuell ist er mit Marteria auf großer Roswell-Tour in ganz Deutschland unterwegs. Dort spielt er nicht nur Gitarre in Marterias Liveband, sondern ist auch als Support-Act dabei. Vor dem Konzert in der Max-Schmeling-Halle in Berlin haben wir uns den Lockenkopf geschnappt, um mit ihm über seine spanischen Wuzeln und die Genres-Mixture in seinen Songs zu sprechen.
Warum ist es dir wichtig deine spanischen Wurzeln in der Musik abzubilden?
Einmal, weil desto länger man in Deutschland, beziehungsweise in Berlin, ist, desto mehr vermisst man Spanien. Man wird, glaube ich, immer mehr eingedeutscht, das ist auch normal, wenn man hier lebt. Man möchte aber seinen spanischen Teil nicht verlieren, das ist natürlich etwas, was mich von allen Leuten unterscheidet. Da wo man herkommt sind auch die Identität und die Kultur, die man erlebt hat. Die spielen natürlich eine Rolle in meiner Persönlichkeit. Ich bin von dort mit 21 abgehauen, das sind schon viele Jahre. Es ist mir deshalb sehr wichtig, dass mir etwas bleibt und ich das spanische nicht verliere.
Was war der Hauptgrund dafür, dass du von Granada weggegangen bist?
Weil ich Musik machen wollte. Ich hatte ein Doku gesehen, die hieß „Berlin digital“. Dort ging es um die ganze elektronische Szene in Berlin und ich war begeistert, weil fast alle meine Helden da zu sehen waren. Und ich dachte mir: Krass, die sind alle da. Viele haben gesagt, sie sind nach Berlin gezogen und nach etwa einem Jahr hat es auch mit der Musik geklappt. Es ist eine geile Stadt, wenn man etwas machen will. Deswegen dachte ich mir, ich probiere das selber auch, vielleicht klappts.
Wie hast du neue Leute aus der musikalischen Szene kennengelernt?
Ich kannte schon Marten und Chris, seinen Manager, der damals aber kein Manager war, sondern einfach ein sehr guter Freund, was er auch heute noch ist. Ich war mal in Berlin zu Besuch und die haben mich natürlich noch mehr motiviert hierher zu kommen. Ich hatte Chris bei einem Erasmus in Oslo kennengelernt. Dann war ich kurz hier und fand auch die Leute geil und die haben mir dann sehr geholfen, als ich allein nach Berlin kam. Damals war Marteria noch nicht so groß wie jetzt, er war noch am Anfang. Natürlich hat er mich musikalisch auch integriert, aber mehr noch in das Stadtleben und auch in das Land. Wenn man die Sprache nicht kann und am Anfang komplettt alleine ist, dann ist es schwierig. Man ist sehr dankbar, wenn man jemanden findet, der einem neue Freunde zeigt und auch wo man hingeht und rumhängt.
Kamt ihr musikalisch gut klar, obwohl Marteria Hip Hop macht?
Für mich ist Hip Hop auch elektronische Musik. Wenn du die HipHop-Geschichte mit Sampling und die Entwicklung von House und Africa Bambaatas betrachtest, ist es schon elektronisch. Und außerdem war Marten immer sehr technoid. Er hat Sachen wie Grime oder die ersten Dubstep-Sachen immer gefeiert. Es war egal ob es HipHop, Jungle oder Techno-Leute waren – es war immer cool.
Du nutzt auf der Bühne viele Instrumente. Auch als Alleinstellungsmerkmal?
Nee. Das ist einfach spontan passiert. Wenn ich live spiele, bin ich ja kein DJ, sondern spiele meine eigenen Songs live. Und wenn dazu Gitarre passt, dann spiele ich halt auch Gitarre. Ich fand das immer cool, wenn man so etwas macht, wie ein Instrument zu spielen. Das war gar nicht so geplant, aber danach war ich „dieser DJ mit Gitarre“.
Hast du dir exotische Instrumente wie Melodica oder Theremin selbst beigebracht?
Musik ist eigentlich sehr einfach und du musst dich nur trauen. Das Instrument ist vielleicht so wie ein Gehirn, da du nur einige Prozent davon nutzen kanst. Man muss sich natürlich damit beschäftigen und schauen, wie weit man sich damit beschäftigen will. Aber ein paar Noten herauszukriegen geht schon, auch wenn man keine Ahnung hat, so wie ich.
Am Ende von „The King of Rock ’n‘ Roll“ spielst du die Gitarre sogar mit den Zähnen. Wie?
Ich hab das öfter versucht und es war eher eklig. Ich ziehe dabei ein Seite mit dem Finger nach oben, das heißt es gibt mehr Platz zwischen zwei Seiten. Da kann ich dann mit meinen Zähnen reingehen. Manchmal mache ich auf der Bühne Sachen, die ich bei anderen Künstlern gehasst habe. Zum Beispiel mit den Zähnen spielen, das fand ich eigentlich total trottelig – es ist ja kein Zirkus. Aber irgendwie ist es auch lustig. Ich spiele auch ab und zu mal mit der Gitarre hinter dem Rücken. Aber nur wegen dieser Moves heißt das nicht, dass man gut Gitarre spielen kann. Für mich ich das eher ein Paraodie-Moment, als etwas ernsthaftes.
Mit Wet Sounds hast du das Genre Surf-Rock erneuert, deine aktuellen Songs gehen in Richtung House. Sind dir Genres überhaupt wichtig?
Bei mir ist hat es weniger mit Genre zu tun, sondern mehr mit der Lebenseinstellung. Mir ist es egal ob Rock, Techno oder Drum. Es geht um eine bestimmte Ideologie und Philosophie und eine bestimmte Postition zu Musik. Daher sind mir Genres nicht wichtig. Außer, wenn ich etwas konkretes machen will und denke: Wir machen jetzt eine Surf-Platte, weil ich da Bock drauf habe. Man muss Spaß haben. Wenn man keinen Spaß hat, dann hat man ein Problem und sollte nicht weiter machen. Man macht das aus Leidenschaft, die muss immer dabei sein. Das ist mir wichtiger, als eine bestimmte Marke durchzuziehen.
Du hast auch viele verschiedene Features auf deinen Platten. Was ist dir bei einem Feature wichtig?
Am meisten muss eine persönliche Verbindung bestehen, ich muss die Person cool finden. Das ist eine gute Basis, um damit anzufangen mit Leuten zu arbeiten. Dann kann man die Beziehung noch weiter vertiefen. Aber mir muss natürlich auch gefallen, was die Leute machen, das ist auch wichtig. Aber am wichtigsten ist die persönliche Basis.
Mit Bonaparte hast du eine ganze EP zusammen gemacht. Hat da die persönliche Ebene gleich richtig gut gestimmt?
Genau. Wir haben uns auf einem Festival am Gleisdreieck kennengelernt. Ich fand seine Sachen cool und kannte ihn schon, ich galube er kannte auch schon ein paar meiner Sachen. Wir haben auch gemeinsame Freunde. Dann haben wir beschlossen: Hey lass uns mal treffen und zusammen Mucke machen. Dann haben wir uns mehrmals getroffen und hatten eine EP. Ganz einfach und spontan.
Ihr habt auch schon ein paar Live-Auftritte zusammen gehabt. Passt ihr so gut zusammen, weil ihr beide verrückte Musiker auf der Bühne seid?
Wir versuchen beide immer Spaß zu haben. Es liegt vielleicht daran, dass man sich auf der Bühne frei fühlt und man selbst so sein kann wie man will. Da draußen im normalen Leben eher nicht, deswegen sind wir glaube ich so echt.
Dein letztes Projekt ist der Flute Song. Woher hast du den Flötensound genommen?
Das war in Kolumbien. Dort war ich auf Inspirationsreise mit meinem Bruder. Wir waren in einem kleinen Fischerdorf am Strand und dann kam ein Typ, der uns Flöten verkaufen wollte, Okarinas. Ich meinte „Ey nein, auf keinen Fall“ und er ist weitergegangen. Aber er kam zurück und dann haben wir doch eine Flöte gekauft. Wir sind gleich in unsere kleines Häuschen gegangen und ich habe die Flöte gesamplet und die Akkorde erstellt. Eine richtig geile Geschichte. Denn ich glaube ohne meinen Bruder hätte ich die Okarina gar nicht gekauft, er hat mich quasi gezwungen. Er meinte zuerst, dass er eine kauft und dann habe ich auch eine geholt.
Dein Bruder macht ja auch bei einigen deiner Stücke mit. Geht er jetzt einen ähnlichen Weg wie du?
Ja, für mich ist das auch total inspirierend. Wenn man fünf Jahre jünger ist, ist das im Erwachsenenalter ja nichts. Einmal war ich zu Besuch zu Hause und er hatte ein paar Geräte dastehen und meinte, dass er auch Beats macht. Das war total cool und freut mich sehr.
Ist er talentierter als du?
Er hat auf jeden Fall ein paar mehr Möglichkeiten, als ich am Anfang. Aber ich bin auch nicht sein Vorbild, er möchte seinen eigenen Weg gehen. In der Musik gibt es kein richtig oder falsch, es ist einfach Kunst und jeder kann machen, was er will. Das ist das schöne daran. Er macht sein Zeug und ich meins. Was heißt talentiert in der Musik überhaupt? Talent ist relativ.
Du bist gerade mit Marteria auf Tour unterwegs. Er trinkt nach seinen gesundheitlichen Problemen ja keinen Alkohol mehr. Ist es nach den Auftritten im Backstage etwas ruhiger geworden?
Lass mich mal so sagen: Es kann immer eskalieren. Egal ob mit oder ohne Alkohol, wir sind, wie wir sind. Eskalation kann immer passieren.
Dein neues Album kommt im nächsten Jahr. Wie klingt es?
Die Stücke sind schon fertig, die Platte heißt „Planet of the Simius“. Das Album ist so ein bisschen, wie die Erinnerungen, die ich habe. In Stücken umgesetzt. Die Richtungen sind sehr unterschiedlich, wie ein Planet. Wichtig sind die Emotionen, nicht das Genre.
Foto: © Georg Roske
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