Eine Ausstellung, die sich wie ein Experiment anfühlt: „Free City“ macht die hybride Infrastruktur der StadtWerkstatt vom 4. – 8. Dezember zum Versuchslabor für eine freie Stadt. Klingt erstmal abstrakt, oder? Aber genau das ist der Punkt. Hier geht es weniger um fertige Antworten, mehr um die Frage, wie städtische Räume heute funktionieren – oder eben nicht.
Wenn Stadt auf Freiheit trifft
Die Idee ist so simpel wie komplex: Was wäre, wenn eine Stadt wirklich zugänglich und inklusiv wäre? Eine Gegenreaktion also, wenn man so will, auf die zunehmende Privatisierung und den Ausschluss vieler Menschen aus dem öffentlichen Raum. Statt leerer Theorie gibt es hier aber handfeste Praxis. Über fünf Tage hinweg wird die StadtWerkstatt zum offenen Spielplatz – nicht nur für Künstler, sondern auch für Besucher.
Was passiert, wenn alles passieren kann?
Das Programm ist bewusst unfertig. Ceremonies, Konzerte, Performances, Screenings, Dinners und sogar sportliche Aktivitäten – alles ist möglich. Gleichzeitig bleibt vieles unvorhersehbar, und genau darin liegt der Reiz. Die eingeladenen Künstler kuratieren nicht nur, sie experimentieren. Mal entsteht Kunst, mal einfach ein Moment, der im Gedächtnis bleibt.
Wer macht die „Free City“ frei? Die Künstler hinter dem Experiment
Wer macht die „Free City“ frei? Die Künstler hinter dem Experiment
Wenn in der „Free City“ die StadtWerkstatt zur Bühne und zum Labor wird, stehen hinter der Freiheit einige außergewöhnliche Köpfe. Sie kommen aus allen Ecken der Kunstwelt – von Performance über Skulptur bis hin zu Klangexperimenten – und bringen die Idee eines offenen urbanen Raums mit Leben und Chaos zugleich. Ein Überblick:
Die Grenzgänger der Performance
Max Blax, Magic Mind & Neuronal Noise: Selbsternannter Atmosphärenforscher und Tänzer, der mit Butoh-Dance die Bühne in ein ebenso hypnotisches wie verstörendes Spektakel verwandelt.
Selin Davasse: Ihre Performances sind poetisch, fordernd und alles andere als vorhersehbar. Sie sucht nach einer Ethik der Gastfreundschaft, die zwischen Narration und Intimität schwankt.
Paulette Penje: Mit Bewegung und Improvisation erforscht sie das Unbehagen des Körpers – oft unbequem, immer beeindruckend.
Klang und Chaos
Drugstore Beetles: Die Band als Anti-Band – mit einem 30-Pfund-Keyboard aus dem Discounter verwandeln sie die Bühne in eine post-funkige Absage an alles Überproduzierte.
PrismOcean: Wo der schottische Klangkünstler Dirk Markham auf die freie Tanzästhetik von Lesley Suzanne Dean trifft, entsteht eine Mischung aus Drone-Musik und körperlicher Befreiung.
SAREFO: Ein lettischer Künstler, der Avant-Pop und hyperaktive Synth-Klänge zu einer Performance verschmilzt, die fast körperlich spürbar ist.
Die Formen der Visualität
Elizabeth Charnock: Ihre keramischen Skulpturen erinnern an Miniatur-Städte und erkunden die Spannung zwischen Nähe und Distanz in urbanen Räumen.
Susan Buckow: Installationen aus alten Veranstaltungspostern werden zur Reflexion über die Verdrängung von Kultur und Kreativität durch Gentrifizierung.
Lara Nelke: Mit site-specific Installationen träumt sie von einer alternativen Gegenwart, in der sich Körper und Raum jenseits kapitalistischer Zwänge bewegen können.
Worte, Geschichten und Skulpturen
Sophie Seita: Als Dichterin und Klangkünstlerin untersucht sie die Sprache queer-feministischer Ästhetik und lädt zur Reflexion über das Zuhören ein.
Pauline Maure: Ihre Filme und Performances sind visuelle Gegenentwürfe – vom Anti-Western bis zur kritischen Dekonstruktion filmischer Narrative.
Andrea Mineo: Wo Soziologie und Kunst aufeinandertreffen, entstehen bei ihm Skulpturen und Interventionen, die Ressourcen und Räume neu denken.
Die Philosophen der Form
Victoria Etherington: Mit Ritualen, Atemarbeit und psychedelischer Integration bringt sie philosophische Reflexion ins Alltägliche.
Chan Seth: Inspiriert von globalen Mustern und Mandalas schafft er Räume, die Kreativität und Verantwortungsbewusstsein verbinden.
Ein Konglomerat aus Visionären und Experimentatoren: Jeder dieser Künstler bringt seine eigene Perspektive und Energie in die „Free City“ ein. Ihre Beiträge sind keine fertigen Lösungen, sondern offene Fragen – an die Stadt, an die Kunst und an uns. Wer sich darauf einlässt, erlebt eine Ausstellung, die sich weniger nach Ausstellen anfühlt und mehr nach Erleben.
Die Stadt als Bühne
„Free City“ ist weniger Ausstellung, mehr Prozess. Es ist ein Ort, der sich weigert, nur schön oder nur funktional zu sein. Wer hingeht, erlebt keinen roten Faden, sondern eine Art gelebte Utopie: Wie könnte Infrastruktur aussehen, wenn sie wirklich für alle da wäre? Vielleicht bleibt nicht alles im Gedächtnis, was man sieht. Vielleicht fühlt es sich an wie ein Spaziergang durch einen unperfekten Prototyp. Und vielleicht ist genau das der Punkt. Am Ende bleibt die Frage: Was nehmen wir mit, wenn wir unsere Stadt wieder betreten? Mehr als ein paar lose Ideen – oder einfach nur das Gefühl, dass „Stadt“ ganz anders sein könnte?