Fünf Jahre nach „Right Thoughts, Right Words, Right Action“ und einer Kooperation mit Sparks (2015) haben sich Franz Ferdinand viel vorgenommen: Ihr neues Album „Always Ascending“ soll ihren Trademark-Sound auf den Kopf stellen – und den Sound der Gegenwart gleich mit.
Einst legten Franz Ferdinand eines der größten Debüts vor, das sich 00er-Indie-Fans wünschen konnten. 2004 strotze die selbstbetitelte LP der vier gut angezogenen Herren aus Schottland nur so vor verführerischem Funk-Post-Punk. Revival-Liebhaber waren auf der Tanzfläche zum nervösen Gitarrenspiel, den Disco-inspirierten Drums, cleveren Tempoverschiebungen und nicht allzu komplizierten Texten von Songs wie „Take Me Out“ ganz aus dem Häuschen. Neuschöpfungen waren das im einzelnen betrachtet sicherlich nicht, dafür clever zu eigen gemachte Motive aus der Vergangenheit. So war „Franz Ferdinand“ die beinahe einwandfreie Platte einer jungen Band, die sich wie ein Best-of aus Hits hören ließ. Ganze 14 Jahre später liegt Album Nummer fünf namens „Always Ascending“ vor, mit dem es weiter nach oben gehen soll. Es ist das erste Studioalbum ohne Gitarrist Nick McCarthy. Stattdessen zu hören: Gitarrist Dino Bardot, früher Teil der Glasgower Indie-Band The 1990s, und der elektronisch-geprägte Julian Corrie an den Keyboard. Über die Details von alter und neuer Bandbesetzung wollen Alex Kapranos und Julian Corrie beim Interview unter keinen Umständen sprechen. Müssen sie auch gar nicht. Dass „Always Ascending“ von bandinternen Umstrukturierung geprägt ist, kann man sich gerade so denken.
Auf der Suche nach dem Sexappeal
Wo früher Riffs die Songs bestimmten, glitzern nun zusätzlich Synth-Oberflächen vor sich hin. Die Präsenz des Funk, der aus ihrem Schaffen nie wegzudenken war, wird noch einmal ausgebaut. »Futuristic and naturalistic«, nennt Sänger und Lead-Gitarrist Kapranos das selbst. Mehr noch: »The sound of the future« sei das. Das mag etwas hoch gegriffen klingen, beschreibt das verzweifelte Innovationsbestreben einer Band in digitalen „Rock’n’Roll ist tot“-Zeiten aber ganz gut. Julian Corrie geht von einer ganz neuen Band-Ära aus: »Das ist ein neuer Abschnitt – alles ist neu, neu, neu! Für uns war es deshalb klar, auch mit anderen Sounds zu experimentieren – dafür steht die ganze Platte.« Unterstützt wurde das Vorhaben von Phoenix-Produzent Philippe Zdar, der den Songs mit jeder Menge Synthies zu neuem Leben verhelfen sollte. »Ich erinnere mich an einen Tag, als wir aus dem Studio kamen«, meint Kaprano. »Es war, als seien wir in Frankensteins Labor und die Leiche wurde wieder auferweckt. Wir fragten uns: „Was ist das für eine Bestie? Und dann dachten wir: Fuck, sie ist so sexy!« Beide lachen und fuck, man würde ihnen in diesem Moment so verdammt gerne zustimmen können.
„Falsche“ Elemente
Hört man dann Songs wie „Lazy Boy“ mit der fast schon lächerlichen Hook ”I’m a lazy boy/Yes, a lazy boy/Lazy in the evening boy“, ist die Verwunderung jedoch vorprogrammiert. Man darf das nicht falsch verstehen: Es ist einer der größeren Momente auf der Platte. Eine zunächst vielversprechende Nummer, bei der Post-Punk auf Sci-Fi-Feeling trifft. Singt Kapranos dann “Am I gonna get up-ah?” zu einer verschlungenen Bassline und einem vor sich hin schrammelnden Riff, muss jedoch zugegeben werden, dass der beste Song auch der klassischste im FF-Geiste ist. Ein paar The Killers-artige Synths oben drauf machen eben noch kein neuartiges Klang-Gestrüpp aus und so hält sich die Aufregung doch eher in Grenzen. Davon abgesehen: Solide, aber ungemein kitschige Titel, die zwischen Synth-Pop, New Wave und Glamrock angesiedelt sind und auf den Dancefloor schielen. »Das soll immer noch Musik sein, zu der man tanzt«, so Corrie. »Aber vielleicht weiß man dabei nicht immer genau, auf welchem Fuß man landet. Wir versuchen, Musik zu machen, die Elemente hat, die „falsch“ klingen.« Problematisch wird es jedoch, wenn sie gleichzeitig versuchen, den Status quo der Welt kritisch zu beäugen. Das wäre die Ballade „The Academy Award“, die sicherlich süffisant gemeint ist, deren Worte „The Academy Award for good times goes to you“ aber eher wie ein plumper Witz klingen. Das hätte Father John Misty besser hinbekommen. Und auch Absagen an Typen, die Frauen wie Objekte behandeln („Lois Lane“), bekommt man dieser Tage von Bands wie Dream Wife weitaus knackiger auf den Punkt gebracht.
Große Ambitionen
Inspiriert haben soll Kapranos, der griechische Wurzeln besitzt, übrigens der kretische Komponist und Sänger Jannis Markopoulos: »Ich habe seine Musik schon als kleiner Junge verehrt. Als wir am Anfang des Albums standen, habe ich das wiederentdeckt. Dann realisierte ich, das wir Ähnliches machen.« Markopoulos, das ist der Mann, der mit seinen Protestlieder in den 60er-Jahren ein Zeichen gegen die griechische Militärdiktatur setze und das Orchester Palintonos Armonia, bestehend aus symphonischen und traditionellen griechischen Instrumenten, gründete. Der Vergleich liegt also nicht direkt auf der Hand. Kapranos erklärt: »1972 hat Jannis Markopoulos das genommen, was vor tausenden Jahren gemacht wurde und hat es ein wenig verändert. Das ist Weiterentwicklung von Musik! Wir wollen auch solche Musik machen – Musik aus der Zukunft!« So weit, so selbstbewusst. Ob das fünf Gitarrenboys mit ein paar neuentdeckten Keyboards leisten können? Zweifeln erlaubt.
„Always Ascending“ erscheint am 9.2.2018 über Domino Recordings.