Der britische Singer/Songwriter Charlie Cunningham tourte nach dem Erfolg seiner EP’s „Outside Things“, „Breather“ und „Heights“ unter anderem mit den Mighty Oaks oder Rodriguez. Im Januar veröffentlichte er sein Debütalbum „Lines“. Wir haben ihn vor seinem Konzert im Kammermusiksaal der Philharmonie getroffen und über Sonnenschein, Flamenco und betrunkene Hostelgäste gesprochen.
Du hast in unzähligen Kirchen und Theatern gespielt, was macht diese Orte für dich besonders?
Wenn Menschen diese Räume betreten, erreicht sie bereits vor der Show ein bestimmtes Gefühl. Die Venues haben eine natürliche Atmosphäre, das hat etwas Beruhigendes. Außerdem ist die Akustik schön und ich freue mich, diese Räumlichkeiten mit meiner Musik ausfüllen zu können. Ich mag es aber auch, in kleineren Clubs zu spielen, weil es dort meist gemütlicher zugeht.
Vermisst du das, jetzt wo du auf größeren Bühnen mit Percussion und Electronics begleitet wirst?
Ich hab das Jahre lang alleine gemacht und bin jetzt sehr froh, diese Songs mit mehr Farben zu spielen, es verleiht ihnen viel mehr Atmosphäre. Die ursprüngliche intime Stimmung bleibt dennoch erhalten. Mir war es aber auch wichtig, sicherzustellen, dass die Songs trotzdem alleine mit der Gitarre funktionieren. Einige Songs spiele ich auch jetzt noch so. Dies ist die erste Tour mit einer Band, das ist ziemlich neu für mich, aber ich genieße es. Es ist schön, den Fokus ein bisschen von mir zu nehmen. Außerdem fällt es weniger auf, wenn ich einen Fehler mache!
Du hast zwei Jahre in Sevilla gelebt und dort die Flamenco-Gitarre erlernt. Was hat du von der Zeit in Spanien mitgenommen?
Ich denke, die Offenheit der Musik, eine kommunalere Haltung dazu. Die Leute haben ihre Gitarren in die Stadt gebracht und dort gespielt. Jeder kann teilnehmen, perkussiv oder mit Gesang. Wenn du in England Bands siehst, stehen sie vom Publikum getrennt auf der Bühne. Man hat dort diese vorgefertigte Umgebung – während die Musik in Sevilla Teil von allem war, Teil der Kultur. Da brauchte es keine Daseinsberechtigung oder einen bestimmten Ort. Ich mochte das sehr, diese ungezwungene Art und Weise mit Musik umzugehen.
Es war also mehr eine Gemeinschaft als eine abgeschlossene Performance, wie man sie sonst hat.
Ja, die Leute haben weniger Scheu davor, Musik zu machen und sich auszudrücken. Flamenco ist eine sehr expressive Musik. Im Gegensatz zur feinen englischen Art, die sehr behütet ist, sind die Spanier etwas offener und haben mehr Selbstbewusstsein in der Hinsicht. Die mediterrane Art ist schon wärmer als die deutsche oder englische.
Das hat vermutlich viel mit Sonnenschein zu tun.
Ja, Serotonin, absolut, Endorphine helfen!
Du hast in Sevilla in einem Hostel gearbeitet. Hatten die Gäste die Ehre, dich spielen zu hören?
Leider nicht. Der Manager wollte mich immer dazu überreden, aber ich spielte eher privat in meinem Zimmer, wenn ich nicht im Hostel war. So sehr die Straßen voller Musik waren, wollte ich lieber zusehen und das Ganze absorbieren. Das Hostel war aber interessant, ich hatte die Nachtschicht von Freitag bis Sonntag, 11 bis 7. Da laufen dir ziemlich verrückte Gesellen über den Weg. Die muss man dann alle einchecken, wenn sie vom Ausgehen zurückkommen. Meistens sind sie betrunken und man muss schauen, dass sie leise sind und es zu ihren Räumen schaffen. Den Rest der Zeit habe ich aber Flamenco auf YouTube erkundet. Es war eine sehr gute Zeit, das zu studieren.
Das ist nicht so leicht mit der Nachtschicht an der Rezeption, nicht? Da muss man dann schon mal eine ganze Football-Mannschaft beruhigen, die nackt in den Pool springen will.
Ja, es ist hart manchmal!
„Lights Off“, „Breather“ und „While You Are Young“ sind Singles von deinen EP’s. War es schwer, diese in dein Album zu fassen?
Ich wollte einen Song von jeder EP und wusste eigentlich schon, welche das sein würden. Trotzdem haben wir sie erstmal außen vor gelassen, bis wir fünf oder sechs Songs aufgenommen hatten. Dann haben wir damit denselben Vocal Take gemacht und sie genauso behandelt wie die anderen Titel, damit alles zusammenpasst. Ich wollte die EP-Songs nicht zu sehr verändern, aber trotzdem in den Kontext einbringen.
Wie schreibst du deine Texte?
In der Regel folgen sie der Stimmung, die ich auf der Gitarre ausdrücke. Ich setze mich nicht hin und sag: Jetzt schreib ich über dies und das. Normalerweise kommt das von der Musik, die ich spiele. Ich versuche, bei dem, was ich dann schreibe, Interpretationsraum zu lassen. Vieles davon ist sehr persönlich, aber ich will auch nicht zu offen mit meinem Innersten sein, also verkleide ich Dinge ein bisschen.
Ist da also ein Ansatz, den Songs etwas Hermetik zuzufügen?
Oftmals geht es nicht unbedingt nur um mich. Eher ist es etwas, das ich gesehen oder durch andere Personen erlebt habe, was durchscheint. Wenn du Songs schreibst, musst du dich etwas befreien und darfst dir nicht zu viele Grenzen auferlegen. Dann kann man immer noch sehen, ob etwas zu nahe geht und man zu viel preisgibt. Wenn man das dann deshalb bearbeitet, muss man einen Weg finden, den initialen Gedanken dahinter nicht zu vernachlässigen.
Deine Songs haben eine ähnliche Stimmung wie die deines Label-Kollegen José Gonzalez, der am Soundtrack für „Das erstaunliche Leben des Walter Mitty“ mitwirkte. Darin geht es um jemanden, der seine Träume durch einen Zufall plötzlich ausleben und die Welt sehen kann. Erkennst du dich da wieder?
Das kommt darauf an, manchmal bekommt man nicht allzu viel mit von den Orten. Diese Tour hat jedoch eine gute Route, also sehen wir mehr. Es ist auf jeden Fall schön, herumzureisen, vor allem in dem Van, den wir jetzt benutzen. Früher musste ich unter anderem im Zug zu den Gigs fahren. Ich bin sehr froh, dass ich jetzt all diese Möglichkeiten habe, nachdem ich zuvor jahrelang normale Jobs gemacht habe. Ich bin ein glücklicher Junge.
Wie hast du deinen Weg von London in die Welt gemacht?
Ich denke, das hab ich alles einem guten Booking Agent und einem großartigen Label zu verdanken, die mir diese Tour ermöglichen.
In „Minimum“ singst du in einem Vers „go take off a load“. Würdest du dich als Anti-Materialist bezeichnen?
Nicht Anti, das bin ich nicht. Ich habe nicht viel materiellen Besitz, aber ich urteile nicht über andere, die das tun. Ich denke nur, dass das Leben so viel einfacher sein kann, wenn man ein bisschen was weglässt.
Foto: © Lena Stumpf
Charlie Cunningham – Lines
VÖ: 27. 01. bei Dumont Dumont
Online erhältlich: iTunes / Amazon