Ein Bühnenbild war nicht erforderlich, vielleicht war auf der Bühne neben den 9 Musikern und einer Musikerin schlicht kein Platz mehr. Tour of Tours kann man schon irgendwie als völlig unzeitgemäßen und vielleicht gerade deshalb besonders spannenden Muckerwahnsinn bezeichnen.
In Zeiten von Online-Streaming und sinkenden Umsätzen stellen sich hier 10 Leute auf eine nicht ganz so riesige Bühne, wie sie das immer wieder besonders atmosphärische Lido eben her gibt. Und dann wird gejammt, gecovert und rearrangiert was das Songmaterial der 5 dahinter stehenden Bands so hergibt. Das sind namentlich Ian Fisher, Tim Neuhaus, Jonas David, Honig und Town auf Saints. Nach einem kurzen englischsprachigen Einspieler in „Herr-der-Ringe-Manier“, der die Abenteur der 10 befreundeten Musiker schildert, entert die Indie-Folk-Super-Group namens Tour of Tours die Bühne. Viel Spielfreude verströmt diese Crew, und da wird dann auch in den ersten Songs mal mit mit dem Schellenkranz durch’s Publikum gestürmt.
„Der absolute Wahnsinn kommt auf euch zu“ (Matthias Schweighöfer), „Schaut euch das an“ (Clueso) „Ich hab keinen Plan was die machen“ (Florian Ostertag). Mit diesen Zitaten beschreiben die Musiker von Tour of Tours selbst ihr Konzept. Und diese drei Einschätzungen spannen ganz gut den Rahmen auf, von dem war hier auf die Bühne gebracht wird. Der Mischer bzw. Tontechniker hätte man an diesem Abend bei all dem Kabelsalat sicher nicht sein wollen: so viele Kabel, Mikfrofone und Mic-Stands wie hier auf die Bühne geschichtet wurden. Circa drei Songs scheint die Truppe dann aber schon zu brauchen, um eingespielt zu klingen. Dann wird einer der Höhpunkte der Show angestimmt, einer der Hits von Honig, „In my drunken head“. Das Publikum geht sichtlich euphorisch mit. Überhaupt kann man Honig sicherlich als den möglicherweise talentiertsten Songwriter der Truppe bezeichnen. Klar ist nicht jeder Song aus seiner Feder ein Hit, aber die ein oder andere schwer im Gehörgang klebende Melodie hat der Ex-Metal-Mucker schon auf Tasche. Und wenn er dann das ein oder andere mal ein bisschen Reibeisen in seine Stimme packt, kann man die Gänsehaut beim Publikum erahnen.
Mit Banjo, Marimba und Geige
Und da hier wie gesagt 5 unterschiedliche Bands für dieses Projekt zusammen kommen, bietet Tour of Tours dann einen recht unterhaltsamen Ritt durch die unterschiedlichen Stile dieser Bands. Die Klammer bildet sicher etwas, was man wahrscheinlich gut als Indiefolk bezeichnen kann, daneben sind aber auch Ausflüge in die unterschiedlichsten Soundgefilde drin: Mal klingt’s eher nach Wave, oder wir hören karibische Weltmusikklänge mit Marimba-Sounds. Und auch ein finnisches Volkslied wird mit Geige vorgetragen. Ian Fisher sieht man öfter an der 12-saitigen Westerngitarre, vereinzelt auch am Banjo.
Zwischendurch wird auch mal ein italienischer Popsong zu Gehör gebracht, der für das mitteleuropäisch geprägte Ohr hart am Schlager vorbeischrammt.
Für einige Songs ist Tim Neuhaus auch an der Percussion tätig, und man spürt eindrucksvoll den studierten Schlagzeuger, der ja auch für Clueso tätig ist. Selbst die Merchcrew kommt zu einem musikalischen Einsatz: Rasmus, der normalerweise CDs und T-Shirts verkauft, assistiert bei einem Song. Für den skurrilen Höhepunkt sorgt Ian Fishers Mitstreiter, der in der Tradition von „The revolution will not be televised“ irgendwo zwischen Spoken-Word und Jazz in einer psychedelischen Zeremonie mantrahaft den Slogan „If they push that bottom atomic bombs will blast your ass so high in the sky“ wiederholt, und so ein Statement gegen Atomwaffen setzt. Aber dieses recht eigenwillige Spektakel bleibt eine Ausnahme. Von diesem Abend bleiben aber vor allem der Enthusiasmus der 10 Musiker und die damit einhergehende große stilistische Bandbreite hängen. Wenn man darauf Lust hat, wird man mit diesem Event sicherlich sehr gut unterhalten.