Vier Berliner Musiker haben ein Zeichen gesetzt. Das relativ unbekannte „Notos Quartett“ gibt seinen Echo von 2017 zurück. Ein mutiger Schritt – und ein längst überfälliger. Die vier Künstler protestieren damit gegen die Preisvergabe an die Rapper Kollegah und Farid Bang.
Vor vier Tagen hatten die Düsseldorfer Gangster-Rapper in Berlin den Echo bekommen. Für ihr Album „Jung, brutal, gut aussehend 3“ waren sie in der Kategorie „Album des Jahres“ ausgezeichnet worden. Und das, obwohl sich in ihren Texten antisemitische und sexistische Parolen finden, mit denen sie provozieren und ihre Verkaufszahlen nach oben treiben. Sie vergleichen Auschwitz mit einem Fitnesstudio. In ihrem aktuellen Album findet sich etwa die Textzeile „Mache wieder mal ’nen Holocaust, komm‘ an mit dem Molotow“. Auf der Bonus-EP des Albums heißt es im Song „0815“: „Mein Körper definierter als von Auschwitz-Insassen.“
Schweigen – und Schampus trinken
Nur ein einziger Musiker traute sich an dem Abend, etwas zu sagen: Campino von den Toten Hosen prangerte die Entscheidung auf der Bühne an und wurde dafür von den Rappern übel verhöhnt. Alle anderen schwiegen. Im Saal voller erfolgreicher deutscher Stars wie Helene Fischer ist das ein Armutszeugnis. Vor allem Helene Fischer hätte es sich bei ihren Erfolg „leisten“ können, wenn das überhaupt ein Argument ist, ein Statement zu setzen. Tat sie aber nicht. Stattdessen feiert sich die Branche selbst, schwelgt selbstzufrieden im Schampus-Taumel und beweihräuchert ihre musikalischen Großtaten. Wenn man das bei Schlager und Rappern unter Antisemitismusverdacht so nennen kann. Außer Campino meldete sich auch die Schweizer Sängerin Sophie Hunger zu Wort – in einem wütenden Brief wandte sie sich an die sogenannte „Ethikkommission“ des Echo. Die Kommission habe sich ihrer Verantwortung entzogen, so Hunger.
Kommerz um jeden Preis
Das „Notos Quartett“ prangert die umstrittene Preisvergabe auf Facebook in sehr deutlichen Worten an. „Wir bedauern diese Entscheidung sehr, doch die Echo-Trophäe, die bis zuletzt noch in unserem Probenstudio in Berlin stand, ist für uns nun nichts mehr als ein Symbol der Schande.“ Das einzige wirkliche Zeichen kommt von einer kleinen Nachwuchsband aus Berlin, die kaum einer kennt. Die Berliner Musiker, die erst am Anfang ihrer Karriere stehen, zeigen mehr Mut als seit Jahren etablierte deutsche Stars. Dass Kollegah und Farid Bang überhaupt ausgezeichnet wurden, liegt an dem merkwürdigen System des Echo. Bei der Preisverleihung geht es nicht um Qualität sondern um Kommerz, um Verkäufe. Die Entscheidung entlarvt den ganzen Zynismus dieser Branche, in der es nur um Chartplatzierungen geht. Der Echo ist ein PR-Preis. Und jede Provokation bringt eins: Verkäufe. Das ist Kapitalismus, aber keine Kunst.
https://youtu.be/nguQ-YH-lJQ
Fotos: © Pistenwolf CC BY-SA 3.0 / Facebook Notos Quartett / Facebook Sophie Hunger