Loyalität steht für Roger Ailes an erster Stelle. Der CEO von Fox News versteht darunter jedoch etwas anderes als der Rest der Welt. Loyalität beweist man bei Ailes, indem man als Journalistin gute Mundarbeit leistet. Nicht in Form von professioneller Moderation. Nein, in Form von Blowjobs. Lange bleibt unter Verschluss wie der Sender seine Angelegenheiten handhabt. Doch 2016 platzt die Bombe. Die Moderatorin Gretchen Carlson verklagt ihren ehemaligen Chef und beschuldigt ihn, sie jahrelang sexuell belästigt zu haben.
Drei Frauen, drei Geschichten
Carlsons Klage wird im Juli 2016 schnell zum einzigen Thema der Öffentlichkeit. Viele sind empört und erschrocken, andere wiederum nicht sonderlich verwundert über die Vorwürfe. Gretchen hofft auf weitere Unterstützung. Frauen, die ebenfalls ihre Stimme gegen den CEO erheben. Leichter gesagt als getan, denn im Gegensatz zu Gretchen arbeiten ihre Kolleginnen noch für Fox News und somit steht für sie einiges auf dem Spiel. Wieso sie dort arbeiten ist allerdings eine Frage, welche man sich während des Films immer wieder stellt. Das toxische Arbeitsumfeld übermannt die Frauen jeden Tag aufs Neue mit sexistischen Bemerkungen und übergriffigen Taten, als wäre es das normalste der Welt. Und in der Fox Welt ist es das auch. Hier ist der Mann ganz klar höher gestellt und die Frauen haben sich gefügig und vor allem freizügig zu präsentieren, „denn die Tische sind nicht umsonst aus Glas“. Wenn der Chef allerdings nicht direkt das „sexistische Arschloch“ ausstrahlt, sondern alles unter einer „pummligen und charmanten Onkel – Fassade“ versteckt, wird es schwieriger,sich gegen ihn zu stellen. Hinzu kommt die Angst vor dem Karriere aus. Genau diesen Zwiespalt erlebt Kayla Pospisil (Margot Robbie). Im Gegensatz zu Carlson (gespielt von Nicole Kidman) dient ihre Figur als fiktiver Sammelcharakter. Die sehr christliche und naive Kaff Schönheit repräsentiert all jene Frauen, die sich mit Optimismus auf die Stirn geschrieben bei ihrem hochheiligen Lieblingschannel bewarben und ihr Können vor der Kamera unter Beweis stellen wollten. Nichts ahnend, was sie zu dieser Zeit bei Fox alles tun müssten, um dies zu erreichen. Die schleichende Verwandlung von lebensfrohen und motivierten Frauen zu leblos wandelnden Geschöpfen in engen Kleidchen, mit glasigen Augen und somit die Schicksale von mehr als 20 Frauen werden hier zusammengetragen. Die dritte Protagonistin ist Megyn Kelly (Charlize Theron). Sie gilt als Fox Aushängeschild und Vorzeige Frauchen, weshalb ihr die erniedrigenden Begegnungen mit dem Chef nicht fremd sind. Doch auf dem beruflichen Höhepunkt alles riskieren und ebenfalls mit einer Klage an die Öffentlichkeit gehen?
Alles Roger?
Ailes Art wird an einigen Stellen im Film genau auf den Punkt gebracht. Wie er lebt, lacht, regiert. Hierzu genügt oftmals schon ein Satz oder ein Blick. „Was würde meine Großmutter verängstigen, was meinen Großvater verärgern? Dann hast du eine Fox-Story“ Aussagen wie diese, spiegeln sowohl den Charakter des Channels als auch dessen CEO perfekt wider. Die Absurdität der Rolle wird vor allem in einer verstörenden Szene deutlich. Die junge Kayla soll während eines Bewerbungsgesprächs ihre Beine zeigen. Rogers kostet die Demütigung und ihr sichtliches Unwohlsein aus und lässt sie das Kleid immer höher ziehen, bis er erregt ihre Unterwäsche erblickt. Er genießt die Macht und nutzt sie schamlos aus. Diese Art des Bewerbungsverfahrens begründet er damit, Fox News sei ein visuelles Medium. Trotz allem steht ein Großteil seiner Mitarbeiter hinter ihm, denn Witz und Charme trägt er dennoch in sich. John Lithgow spielt diesen komplexen Charakter mit viel Ausdruck. Er selbst scheint hingegen das komplette Kontrastprogramm seiner Rolle zu sein. Sexistisches Arschloch? Nein Danke. Lithgow ruft vor Beginn der Dreharbeiten alle Frauen an, damit sie ihn nicht nur als „sexistische Arschloch“ kennen lernen.
Bombshell: Ein Film für Frauen? Nein für Männer!
Produzent und Drehbuchautor Jay Roach befasst sich in vorigen Filmen wie Game Change und Trumbo bereits mit Politdramen und traut sich nun an einen der größten Missbrauchsskandale überhaupt. Ein Film über Frauen bedeutet allerdings nicht, dass er sich auch hauptsächlich an Frauen wendet. Roach sagt ganz klar: „Der Film ist für Männer.“ Leider wissen zu viele Frauen wie es sich anfühlt, sexuell belästigt zu werden. Für Männer hingegen ist dieses Gefühl der Hilflosigkeit und Demütigung oft nur schwer nachvollziehbar. Der Film gibt ihnen einen tiefen Einblick. Dennoch lohnt sich der Film natürlich für jeden. Die Protagonistinnen sind zwar nicht gerade die typischen Heldinnen mit welchen der Zuschauer dauerhaft sympathisiert. Dies macht den Film aber deutlich realistischer als so manch andere Frauenpower-Film. Das Erzähltempo und die Weise, wie die Geschichte an den Zuschauer herangetragen wird, ist ziemlich sprunghaft und wirr (nicht für jedermann). Dennoch taucht der Film in die Gefühlswelt der Frauen ein, weckt Mitgefühl und inspiriert zu mehr Mut im Alltag. Trotz ein paar Mankos ein inspirierender und sehenswerter Film.
Aufgepasst: Hier gibt’s was umsonst
Ihr wolltet Bombshell eh schauen, aber Corona hat euch einen Strich durch die Rechnung gemacht? Oder wart einfach nicht im Mood bei dem sonnigen Wetter ins Kino zu gehen? Glück gehabt. Seit knapp zwei Wochen ist der Film auf DVD und als Bluray erhältlich. Noch mehr Glück: Wir verlosen zwei DVDs für einen gemütlichen Filmabend zuhause. Verratet uns einfach welche der drei Schauspielerinnen eure Favoritin ist und wieso. Schickt uns eure Antworten an verlosung@berlin030.de