Jazzfest Berlin 2018, 030, 030magazin, KIM-Collective, Credit, Liz Kosack

Wer denkt, Jazz ist tot, für den haben wir schlechte Nachrichten: Elektro ist uns zwar näher, aber an Jazz kommen auch wir nicht vorbei. Schuld ist das alljährliche Jazzfest Berlin, eine Institution in Europa. Dieses Jahr wird es sogar von einer Frau geleitet. Wird auch Zeit. 

Machos müssen mal kurz stark sein – und Pobacken zusammenkneifen. Das Jazzfest wird von einer Frau geleitet. Das gab’s noch nie in den letzten 55 Jahren, seit das Musikfest gewachsen ist. Wo wir bei „wachsen“ sind, um im Bild zu bleiben: Die Gender-Debatte trägt Früchte. Man(n) muss sich das mal in Ruhe auf der Zunge zergehen lassen. In diesem Jahr leitet eine Frau das Jazzfest. Nadin Deventer heißt sie, gerade 41 Jahre alt. Ihre Personalie hat natürlich nichts mit Gender zu tun. Nadin Deventer hat die künstlerische Leitung und damit die Hoheit über das Programm. Weil sie’s kann. Sie ist selbst Jazzmusikerin, hat das sogar studiert. Und hat sogar einen eigenen Wikipedia-Eintrag. Vorweg: Das obskure KIM Collective ist mit am Start (Foto oben).

Jazzfest, Berlin, Berlin, 2018, 030, 030magazin, KIM, Collective, Credit, Liz Kosack

Eine Trompeten-Länge voraus. Jamie Branch ist auch am Start. Foto: © Liz Kosack

Jazz in feminin

Wie sieht sie also aus, die 55. Ausgabe: femininer? Das überlassen wir mal den Kennern und -innen. Die 55. Ausgabe hält einen Mix aus Formaten, Premieren, neuen Themen und Kooperationen auf Vorrat. Kurz gesagt, das Jazzfest geht neue Wege und das nicht nur wegen seiner weiblichen Leitung (müsste es nicht „wegen ihrer“ heißen? Egal, schenken wir uns das). Gender-Fass wieder zu. Wir wollen hier kein neues aufmachen. Wir wollen bloß spielen, oder besser gesagt: uns was vorspielen lassen. Beim Jazzfest. Hier mal ein paar Fakten zum Programm, ihr wisst: wir mögen sowas.

Chi, ca–go!

Das Jazzfest, eines der populärsten seiner Art in Europa, hat eine volle Ladung. Chicago steht im Fokus, diese gefährliche US-Stadt hat nämlich, neben einigen Verbrechern, auch gefährlich-gute Musik hervorgebracht. Vier Festivaltage, vom 1. bis 4. November, sind angesetzt. Es werden 200 Musiker*innen aus 15 Ländern eingeschifft, herbei gekarrt und -geflogen. Krasser Scheiß. Es gibt 35 Konzerte und zwölf weitere Beiträge im Haus der Berliner Festspiele im Westen, zwischen Spichernstraße und Kurfürstendamm, plus vier weitere Spielorte. Ja, gespielt wird viel in den nächsten Tagen.

We like Wortspiele

© Camille Blake

Chefin von jannze: Nadin Deventer. Foto: © Camille Blake

Die Musiker spannen einen Bogen. Nicht nur den ihres Instruments, sondern auch rüber von den Anfängen des Jazz in den USA und Europa bis zu aktuellen Einflüssen. Unter den 35 Konzerten sind acht Uraufführungen und neue Produktionen. Elf Bands feiern ihre Deutschlandpremiere. Künstler*innen aus Berlin sind natürlich beteiligt, bei 15 Formationen spielen Musikerinnen eine tragende Rolle. Zu Gast sind unter anderen: Mary Halvorson als Artist in Residence, Irreversible Entanglements, die Ceccaldi-Brüder, Jazzmeia Horn, Nicole Mitchell, Jason Moran, KIM Collective, Tin Men and the Telephone, Jaimie Branch, Bill Frisell, Kim Myhr, Rob Mazurek, Tania Giannouli, Makaya McCraven & Nubya Garcia, Maria Faust & Kara-Lis Coverdale sowie The Art Ensemble of Chicago mit Roscoe Mitchell.

Falls ihr es noch nicht wusstet, erwähnen wir hier mal: Das Jazzfest Berlin zählt zu den ältesten Jazz-Veranstaltungen Europas. Als „Berliner Jazztage“ wurde es 1964 gegründet. Das Festival hat den Ruf, ein progressives und gleichzeitig traditionsbewusstes Fest „europäischer Prägung“ zu sein. Wie das gehen soll – progressiv und traditionsbewusst – erschließt sich uns zwar noch nicht, aber wir bekommen am Wochenende vielleicht eine Antwort auf die Frage, wie solch ein Spagat möglich ist oder ob der Versuch eher Beliebigkeit zur Folge hat statt Profil. Nadin Deventer weiß sicher, was sie sich darunter vorstellt.

 

Jazzfest Berlin 2018
1.-4. November
Haus der Berliner Festspiele
Schaperstraße 24
10719 Berlin

Hier gibt’s mehr Infos zum Jazzfest.

Foto: © Liz Kosack

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