Der zweite Spielfilm der in Wien geborenen Katharina Mueckstein erzählt von den großen Themen Identität, Anerkennung, Freundschaft, Liebe und Sexualität. Er zeigt, dass diese nicht nur die kurz vor dem Abitur / “Matura“ stehende Protagonistin Mati (Sophie Stockinger) und ihre Freunde, sondern ebenso ihre Elterngeneration anhaltend bewegen.  

Der Sommer der Abschlussprüfungen auf dem österreichischen Land: Die geforderten Interpretationen im Schulunterricht scheinen zunächst eher parallel zum privaten Leben von Mati zu verlaufen, welches sie hauptsächlich mit männlichen Freunden beim Motocross und beim abendlichen Tanzen, Trinken und Kiffen verbringt. Das Leben außerhalb der Schule nähert sich jedoch im Verlauf den Bildern der Texte im Unterricht an und macht sie lebendig, so dass auch Mati Zugang zu diesen findet. Nichts scheint hier entschieden oder abgeschlossen zu sein, vielmehr alles im Werden. So unfertig wie das Haus, in dem Mati mit ihren Eltern wohnt, so fragil bleiben die Beziehungen, die entstehen, sowohl bei den Jugendlichen als auch bei den Eltern. Obgleich sich die Eltern in formalen Rollenbildern gefunden zu haben scheinen, wird dies in Frage gestellt, wobei der Film den Zweifel zeigt, jedoch stehen lässt, aushält und selten direkt bespricht. Während sie ihre Figuren oft eher schweigen lässt, verwendet sie Symbolik und Musik dagegen sehr direkt. Musik solle „nicht manipulativ“ sein, so sagt Mueckstein und lässt vor diesem Hintergrund die Figuren von L’Animale, das italienische – dem Film den Namen gebenden – Lied von Franco Battiato singen: „Das Tier, das ich in mir trage, lässt mich nie glücklich leben, [. . .] es macht mich zum Sklaven meiner Leidenschaften.“ Sowohl der Text als auch die Darbietung des Gesangs irritiert vor allem durch die ausgeprägte Dramatik, welche den Film bis dato nicht in dieser Intensität erfüllte.

L'Animale

Fragen der Identität, Anerkennung, Freundschaft, Liebe und Sexualität bewegen die Protagonistin Mati, gespielt von Sophie Stockinger. – Foto: © NGF/LBF

Nicht nur die Musik, auch die Parallelwelt in der Schule zeigt das Motiv des Films direkt: „Stirb und werde – ein Paradoxon“, so nennt die Lehrerin Goethes Zeilen. Der Film handele von den „widersprüchlichen Kräften, die in uns walten“ und benennt als diese „Leidenschaft, Begehren und Vernunft.“ Am Sonntag, 18.02.2018 feiert der Film Premiere bei der Berlinale im Zoo Palast. Die gesamte Crew kommt auf die Bühne und füllt diese vor dem riesigen glitzernden Vorhang aus. Der Film komme „vom Herzen“, betont die Regisseurin selbst gerührt. Der Film sei ihre persönliche Antwort auf die Frage, wie frei wir modernen Menschen wirklich seien. Sie sehe Menschen als „ständig in konfliktreichem Hadern befindliche Wesen“. Trotz der grundlegenden Konflikte zeigt der Film eine gewisse Leichtigkeit und begeistert durch die vor allem weiblichen Hauptfiguren – Sophie Stockinger als Mati, Kathrin Resetarits als ihre Mutter und Julia Franz Richter als Carla, von der Mati vielleicht auch deshalb so fasziniert ist, weil sie schon mitbringt, woran Mati sich im Laufe des Films annähert: Die überzeugende Lässigkeit, ihr Tun nicht am Gefallen-wollen auszurichten. 

Text: Beatrix Tegler

Foto: © NGF/LBF