Trotz aller [030] Party- und Konzerttipps Lust auf eine Hausparty? Langeweile auf dem Weg zur Arbeit? Die Plattenspielernadel springt schon wieder über Staubklumpen? Kein Problem. Wir hören für euch jeden Monat neue Releases quer durch die Genrelandschaft und erklären, was sich zu kaufen lohnt und was nicht.
Shoegaze/ Dream Pop
Slowdive – Slowdive
Shoegaze ist ein Monolith? Von wegen. Statt zu recyceln haben Slowdive ihr 1995er Meisterwerk „Souvlaki“ auf den Kern herunterdestilliert und die Überbleibsel mit angezogenem Tempo, verstänkerten Percussions und neuer Pop-Sensibilität ins Heute transferiert. Damit folgen sie nicht einfach nur einer jungen Shoegaze-Generation und Peers wie My Bloody Valentine und Ride, sondern erschaffen ein neuartiges, eigenständiges Gitarren-Noise-Biest, das einen mit seinen warmen Melodien im gröbsten Moment zärtlich umarmt, um gemeinsam für immer der Realität zu entfliehen. Glohreicher könnte ein Comeback nach 22 Jahren kaum sein.
VÖ: 5.5. / Dead Oceans
Online erhältlich: iTunes / Amazon
Rock/Experimental
Perfume Genius – No Shape
Mit seinem vierten Album strebt Mike Hadrea nach dem großen Gestus. „No Shape“ ist ein Befreiungsschlag gegen die Hater-Stimmen und gleichzeitig Zeugnis der intimsten Ängste. Eine Dichotomie, für die er den perfekten Sound gefunden hat. Wo Piano-, Streicher- und Gitarren-Arrangements sich sanft um den dramatischen Gesang schlängeln, schlagen im nächsten Moment Didgeridoo-Elektronik, Gitarren-Fetzen oder metallische Drums ein, als würden drei Dutzend Glühbirnen gleichzeitig zerspringen – nur um anschließend wieder zur Stille zu finden. Ein atemberaubender Taumel von der Kultiviertheit zur Anarchie und zurück.
VÖ: 5.5. / Matador records
Online erhältlich: iTunes / Amazon
Indie Rock
Mac DeMarco – This Old Dog
Er hatte nie einen Hund, sondern viele Katzen, aber „This Old Cat“ kommt eben nicht so gut. Mac DeMarco, jahrelanger Lieblingsrumtreiber der Indie-Szene und verkanntes Songwriter-Genie, beehrt uns mit einem neuen Langspieler. Fans fühlen sich sofort heimisch, trotz der Umsattelung auf mehr Akustik. Der Schwestersong zu „Chamber of Reflection“, „On The Level“, sticht aus dem Gesamtkonzept, welches Liebe und Verlust schön mit Synth-Rahmen und scheinbar fröhlichem Gitarren-Geklimper verschleiert. Eine Platte, deren fideles Geklirre man einfach hinnehmen könnte, deren Texte aber kontrastieren.
VÖ: 5.5. / Captured Records
Online erhältlich: iTunes / Amazon
Alternative Rock
Afghan Whigs – In Spades
Die Platte beginnt mit „Birdland“ alles andere als unscheinbar. Adaptationen von Vogelgesängen, die von Disney stammen könnten. Greg Dulli röhrt dazu eine Abschiedshymne und schnieft ins Mikrofon, als die sensationsträchtigen Streicher aussetzen. Mit „Arabian Heights“ folgt die Einleitung des Rock-Statements. Die Single „Demon In Profile“ passt in die Charts, behält aber eine gewisse Extravaganz. Im gesamten Album spielt man kreuz und quer durch Punk, Psychedelia und Hard Rock und schafft damit Kontraste zum beseelten Gesang über das Erinnern. Trotz Abstechern in die Massenverträglichkeit ein originelles Werk.
VÖ: 5.5. / Sub Pop
Online erhältlich: iTunes / Amazon
Punk / Electro
Egotronic – Keine Argumente!
Egotronic waren mal eine Antithese zum klassischen Punk-Sound und schmetterten biergetränkte Hymnen wie „Raven gegen Deutschland“. Zehn Jahre später ist man im Angesicht offener Ausländerfeindlichkeiten zu Recht wütender und proklamiert „Deutschland, Arschloch, fick dich!“ Im Gegensatz dazu ist der Sound auf Songs wie „Hallo Provinz“ jedoch in weitaus austauschbarere Pop-Punk-Gefilde abgerutscht. Die Überbleibsel der typischen Lo-Fi-Synthesizer klingen vor diesem Hintergrund nun eher nervig als subversiv, ob man mit Parolen wie „Wir boxen Deutschland kaputt!“ nun etwas anfangen kann oder nicht.
VÖ: 19.5. / Audiolith
Online erhältlich: iTunes / Amazon
Deutschrap / Pop
Marteria – Roswell
Marten wechselt seine Kunstfiguren verlässlich ab. Somit ist „Roswell“ zwar weniger weedgezeichnet als seine letzte Veröffentlichung, aber kein bisschen weniger abgespacet. Der Sound des Green Berlin-Camps, das den Rostocker kollektivproduziert, ist gewohnt vielseitig und verleitet zum Kopfnicken. Das Alien-Motiv zieht sich einigermaßen schlüssig durch die Tracklist und zelebriert das Anderssein. Seine Texte sind gewohnt bildsprachlich und drohen sich manchmal in Worthülsen zu verlieren, schlittern aber dadurch an Phrasen und auch geschickt haarscharf am Kitsch vorbei und geben sich dann der Science Fiction hin.
VÖ: 26.5. / Green Berlin (Sony)
Online erhältlich: iTunes / Amazon
Deutschrap
Frauenarzt & Taktlo$$ – Gott
Der letzte Tighte macht wenig überraschend den Rücktritt vom Rücktritt und die Berliner Alte Schule gibt sich aus diesem Anlass ein Stelldichein. Treibt man die Selbstinszenierung eines selbstironischen Battlerappers wie Taktlo$$ es ist auf die Spitze, landet man natürlich bei der Gotterhebung. Hier wird nicht nur so kompromisslos wie es kaum zwei andere Rapper noch dürften auf whack MCs, ihre Freundinnen und natürlich ihre Mütter geschossen, sondern auch fleißig experimentiert. Taktlo$$ mit Autotune oder auf Frauenarzts sperrigen EDM-Beats vom Töten lamentieren zu hören, ist für Fans ein äußerst kurzweiliges Vergnügen.
VÖ: 26.5. / Proletik
Online erhältlich: iTunes / Amazon
Electronica
DJ Hell – Zukunftsmusik
Entgegen der Vorgänger „NY Muscles“ (2003) und „Teufelswerk (2009) findet das fünfte Studioalbum abseits des Clubkontextes statt. Introvertiert könnte man die meisten der 15 Tracks, inkl. Stereo MC-Feature („With U“) nennen. Klanglich offenbart sich eine Retrospektive durch Hells musikalische Sozialisation. „Car Car Car“ erinnert an Kraftwerk, „High Priestess Of Hell“ dürfte Bowie Fans gefallen, während „I Want You“ der hedonistischen Gay-Clubszene der 1970er und 1980er Jahre ein Denkmal setzt. Mit „Zukunftsmusik“ ist es Hell erneut gelungen, seine künstlerische Einzigartigkeit zu beweisen.
VÖ: 28.4. / Intern. Deejay, Gigilo Records
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