Wie viele Menschen in der Bundesrepublik derzeit ohne festes Obdach leben, ist nur schwer zu sagen. Eine gesetzliche Grundlage für eine einheitliche Wohnungsnotfall-Berichterstattung gibt es nicht. Bundesweite Erhebungen der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAGW) begrenzen sich auf Schätzungen. Dennoch erlauben sie eine Auseinandersetzung mit sozialen Entwicklungen und Hintergründen. 

Fest steht schon jetzt: 2018 wird es deutschlandweit über eine halbe Millionen Menschen ohne Bleibe geben. Waren es im Jahr 2010 noch 248.000, stieg die Zahl 2016 auf 335.000, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken hervorgeht. Alleine in Berlin sind rund 17 000 Personen registriert, die als „Wohnungslose" gelten. Den Hauptgrund sieht die BAGW im unzureichenden Angebot an preiswertem Wohnraum und unzureichender staatlicher Armutsbekämpfung.

Immer mehr Minderjährige leben auf der Straße

Rund 29.000 der Betroffenen sollen Kinder und Jugendliche sein. Die meisten von ihnen leben in der versteckten Obdachlosigkeit – werden also von den staatlichen Hilfsmaßnahmen nicht erreicht. Experten fordern eine Reform des Jugendhilfesystems, um die sogenannten „Sofahopper“ vor dem sozialen Absturz zu bewahren. Ursachen und Auslöser der Wohnungslosigkeit müssen individuell betrachtet werden, lassen sich in den meisten Fällen jedoch auf eine abrupte Flucht aus den prekären Lebenszusammenhängen oder einer schleichenden Abwendung von Familie, Jugendhilfeeinrichtungen und Ausbildung zurückführen. Auffallend ist der hohe männliche Anteil: Auf 75% junge Männer kommen etwa 25% Frauen, die ihren Alltag auf der Straße bewältigen müssen und Schätzungen zu Folge öfter von Gewalttaten betroffen sind. Eine geschlechtssensible Gestaltung von sozialarbeiterischen Hilfen wird jedoch erst seit Kurzem diskutiert.


Foto: Alexander Indra