Genetikk, FUKK Genetikk, Selfmade

„Wir ficken die Rolling Stones.“ – Genetikk im Interview

Wer an Saarbrücken denkt, denkt vermutlich nicht an die Cosa Nostra oder an Favelas. Trotzdem sind das die zugleich kaputten, aber auch bunten und lebendigen Welten, von denen Genetikk erzählen, die sich hier schon zu Schulzeiten kennen lernten. Wir treffen Produzenten Sikk und Rapper Karuso, das musikalische Epizentrum der Bande, anlässlich des neuen Albums“FUKK Genetik“.

Die Frage, die vermutlich jeder stellt: Was hat es mit dem selbstreflexiven Albumtitel auf sich?

Sikk: Wir wollten den Hatern mal etwas Gutes tun. Wenn sie FUKK Genetikk schreiben, sollen sie jetzt auch mal mit coolen Klamotten dazu rumlaufen können und die passenden Songs haben. Und es ist halt Selbstzerstörung.

Soll das heißen, es ist bald vorbei?

Karuzo: Wir haben es aufgebaut, also können wir es auch kaputtmachen. Aufbauen, kaputtmachen, aufbauen, kaputtmachen, immer wieder.

Ihr habt damals zu D.N.A. gesagt, es soll als das offizielle Debütalbum verstanden werden. Nach dieser Rechnung sind wir nun auch schon bei der dritten Platte. Entwickelt sich Routine?

Karuzo: Ne, gar nicht. Wir haben immer noch voll Bock. Die Platte hat deshalb auch so viel Spaß gemacht wie lange nicht. Wir haben diesen Hunger noch nicht verloren. Oft fragen uns Leute, ob wir Druck verspüren, abliefern zu müssen. Der einzige Druck, der schon immer da war, von der ersten Minute an, den machen wir uns selbst. Wir haben damals schon gesagt, wir werden reich und berühmt und wir machen die beste Mucke – nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Der Anspruch war von Anfang an die Weltherrschaft und das bleibt auch so. Genetikk ist unter Druck geboren.

Rechnet ihr schon damit, wieder auf die 1 zu gehen?

Sikk: Wird schwierig. Wir laufen gegen die Rolling Stones.

Wenn ihr die Weltherrschaft wollt, sollte das doch ein guter Test sein.

Karuzo: Genau richtig. Wir sind die Beatles. Wir ficken die Rolling Stones.

Was ist dein Ansatz, wenn du von Geld und Klamotten rappst? Fake it ’til you make it?

Karuzo: Wir sind immer ein Album voraus. Während die Platte entsteht, ist manches vielleicht noch nicht da, aber wenn sie dann herauskommt, bringt sie genau das, worauf wir uns einprogrammiert hatten. Wenn du eine Vision hast, dann verändert das dein Mindset. Und dein Mindset wird es dir erleichtern, zu erreichen, was du willst. „Fake it ’til you make it“ ist nicht so oberflächlich wie man meinen könnte. Wenn man das ernst meint, beeinflusst man damit sein Schicksal.

Ein Gegenansatz zur Realness-Debatte.

Karuzo: Auf jeden Fall. Wir haben uns das von Fler und Bushido zu CCN-Zeiten abgeguckt. Zu dem Zeitpunkt waren die vielleicht in Berlin schon jemand, im Rest Deutschlands aber nicht. Die haben einfach übelst die Fresse aufgerissen. Also haben wir uns gedacht, wir müssen auch einfach übelst die Fresse aufreißen, dann wird's schon.

Fler vertritt ja mitunter die Ansicht, dass Leute, die nicht von der Straße kommen oder nicht wissen, dass man um den Lifestyle kämpfen musste, weniger real sind, wenn sie diesen Stil bedienen.

Sikk: Ich kann das verstehen bei Leuten, die es wirklich als „echt“ rüberbringen wollen, aber bei uns ist das Ganze eher ein künstlerischer Ansatz. Man hört ja, wann etwas übertrieben und wann etwas echt ist.

Karuzo: Auf Fler trifft das mit Sicherheit zu. Es ist ja auch cool, dass er so authentisch ist. Für ihn ist das eine gute Legitimation, aber es muss meiner Meinung nach nicht für jeden gelten. Die Leute empfinden uns auch nicht als Faker. Wir laufen ja nicht durch die Gegend und behaupten, wir wären Gangster. Wir haben auch Dinge erlebt und davon etwas mitgenommen. Aber Schutzgelderpressung ist nicht so unser Ding. Deshalb kann das Fler machen, ihm steht’s besser als uns und damit ist alles cool.

LGoony erklärte kürzlich im Interview, dadurch, dass er so viel von Geld rappt, hat er als Privatmensch tatsächlich gar keinen Bezug mehr dazu. Geld bedeutet ihm nichts, weil er es so sehr als Stilmittel versteht.

Sikk: Geld ist doch geil. Ich versteh nicht, was das Problem ist.

Karuzo: Geld ist Spaß. Es ist kein Selbstzweck. Du kaufst dir etwas Cooles, pennst im SOHO statt im Ibis. Aber das ist natürlich nicht das, was dein Leben ausmacht. Du könntest auch im Ibis sitzen und glücklich sein. Ich bin damit groß geworden, dass mein Vater ein ganz armer Schlucker war. Ich weiß auch, wie es ist, gar kein Geld zu haben. Deshalb hab ich da eine gute Erdung.

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Küss den Ring: Sikk trägt Statussymbole.

Die Maske dient eurer Aussage nach zum Schutz der Privatsphäre. Verschmelzen nicht irgendwann der Privatmensch und die Bühnenfigur?

Karuzo: Ich trenne das eigentlich nicht. Ich habe nur ein Leben und bin nur eine Person, mit oder ohne Maske. Es gibt Momente, da hat man die Maske an und Momente, da hat man sie nicht an. Und bei einem Interview beispielsweise, so wie jetzt, da will man locker sein und über Mucke quatschen und nicht hochtrabend mit Maske da sitzen und sich als Sikk und Karuso vorstellen.

Würdet ihr euch anders verhalten, wenn ihr jetzt die Masken aufhättet?

Karuzo: Ich habe neulich einen Spruch gehört: Gib einem Menschen eine Maske und er wird ehrlich. Das stimmt, denn im Privatleben kann mir keiner einen Vorwurf machen, es hat kein Echo, wenn ich sage, was ich will. Es hat damit einen befreienden und umso realeren Effekt. Wenn du unsichtbar sein könntest, würdest du auch alle mögliche Scheiße machen. Die Frage ist, welcher ist der ehrlichere Moment? Der, in dem du weißt, du wirst beobachtet oder der, in dem du weißt, du wirst nicht beobachtet? Jeder Mensch, der sich auf der Straße bewegt verhält sich auf eine bestimmte Art und Weise, weil er weiß, er wird beobachtet. Verhält sich anders mit seinem Chef als mit seiner Frau als mit seinem besten Freund und ist damit eigentlich nicht real. Das hebt sich bei uns auf.

Sind das wirklich noch die selben Masken wie am Anfang? Sind die nicht mittlerweise etwas mitgenommen?

Karuzo: Wir haben alle nur eine Maske. Das sind Unikate. Wenn weg, dann weg.

Sikk: Ist ja cool, wenn die abrocken. Man sieht das Leben.

Wartet ihr auf den Moment, in dem mal eine Maske kaputt geht und ihr euch etwas Neues überlegen müsst?

Karuzo: Das wird bestimmt nicht ausbleiben. Dann hat sich Genetikk auf diese Weise seinem natürlichen Ende zugeneigt, dann ist das halt so. Wir müssen alle sterben.

Karuzo, du musst mir mal deinen kulturellen Werdegang erklären. Du bist doch Sizilianer und hast damals auf Vaffanculo noch Zeilen auf Italienisch gerappt. Jetzt ist es der Favela-Film und auf Mata Cobra rappst du auf Spanisch und Portugiesisch. Wie viele Sprachen sprichst du?

Karuzo: Sieben. Ich bin halber Italiener, halber Deutscher. Wir wohnen direkt an der französischen Grenze. Englisch durch die Schule, durch das Mucke hören. Spanisch und Portugiesisch sind sehr verwandt und ich war als Jugendlicher in Spanien und Brasilien. Und ich hab lange mit einem Russen zusammengewohnt und seine Mutter war für mich so etwas wie eine Ziehmutter. Sikk sagt dann, du kannst das doch, mach doch mal einfach. Und dann mach ichs einfach.

Sikk: Ich find es auch geil, wenn man das Deutsche raushört und die Sprachen sich vermischen.

Es gibt mehr noch als auf den letzten Platten Tracks, auf denen du sehr swaggy flowst. Es sind auch in ein paar Beats die typischen 808 Hi-Hats drin. Ist das eine Einflussgröße?

Karuzo: Das sind Sachen, die wir uns von A$AP abgeguckt haben. Wir waren ja mit denen in London im Studio, haben sie beim Splash! und beim HipHop Open nochmal getroffen. Das war cool, weil sie anders an Dinge herangehen als wir und dann irgendwie doch ähnlich. Es war sehr inspirierend, sich zu erinnern, wie intuitiv man arbeiten kann.

Sikk: Das Ding ist: Wir klingen null nach Ami, wir klingen nach Genetikk. Im Gegensatz zu dem ganzen anderen Zeug, das jetzt auf Deutsch erscheint. Ich find die Sachen geil, aber dass Alle nach Amis klingen wollen ist meiner Meinung nach ein großer Fehler, der gerade passiert. Die Amis können das besser. Klar hört man auch bei uns die A$AP-Inspiration, aber da ist auch eine persönliche Ebene entstanden und ich glaube, wir inspirieren uns gegenseitig.

Ich vermute, für das A$AP Nast Feature wurde wie schon für RZA nicht bezahlt. Ist es ein krasses Kompliment, wenn der Wu Tang Clan und der A$AP Mob euren Sound feiern?

Sikk: Ist cool, aber auch das war uns vorher klar. Wir haben die auf dem Splash gefragt, ob sie Bock haben, sich unsere Show reinzuziehen. Das haben sie gemacht und waren natürlich geflasht. Dann waren wir mehrmals zusammen im Studio und haben uns gut verstanden. Das sind ganz normale Menschen. Wir begegnen uns auf Augenhöhe. Klar haben die mehr Geld. Aber wie gesagt, Geld ist nicht so wichtig.


Fukk Genetikk
Genetikk

Label: Selfmade Records
Erscheint am: 02. Dezember 2016
Online erhältlich: Amazon

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