DJ Clark Kent, KitKat

»Freaks aller Couleur« – DJ Clark Kent im Interview

DJ Clark Kent ist seit vielen Jahren Resident des KitKat und des Insomnium und spielt auf vielen weiteren Partys mit Erotik-Schwerpunkt in ganz Europa. Er gehört, wenn man so will, zu den Vorreitern der jungen wilden Sexparty-Kultur, die wir in der aktuellen [030] als Titelthema behandelt haben. Viola le Sexparty Web Exclusive.
 

Welchen Begriff bevorzugst du? Sexparty? Fetischparty?

Ich würde sagen, es ist ein multikulturelles hedonistisches Miteinander. Darin liegt für mich auf die Stärke. Es gibt in der Schwulenszene einschlägige Veranstaltungen, da gehen halt nur Schwule hin und wenn eine Frau im Raum steht, haben sie schon keine Lust mehr. Dann gibt es Veranstaltungen, die sich nur ans Fetischpublikum wenden. Die kommen dann ins KitKat und sind verärgert, dass die Leute ihrer Meinung nach nicht passend angezogen sind. Es gibt in jeder Szene Leute, die dogmatisch sind und Überschneidungen nicht mögen. Die Stärke des KitKat Club war immer, dass er die Schnittmenge für Freaks aller Couleur war, die auch neugierig auf die anderen sind.

Weckt der Begriff Sexparty einen falschen Eindruck?

Es gibt Leute, für die der Sex im Vordergrund steht und auch solche, die andere Interessen haben. Wenn ein erregierter Penis zu sehen ist oder einer fickt mit dem anderen, dann trifft das den Nerv am meisten und bleibt hängen, ist aber wirklich nur ein Teil des Ganzen. Es gibt ja Leute, die denken, alle schmeißen die Klamotten von sich und auf der Tanzfläche bildet sich ein großes kopulierendes Etwas. Wenn nach einer Party 10% der Besucher Handlungen vollzogen haben, die man als Sex im klassischen Sinne verstehen kann, ist das aber schon viel.

Heißt das, der KitKat Club ist vergleichsweise harmlos? Gibt es nicht auch Gangbang Partys und Derartiges?

Es gibt im schwulen wie im Heterobereich alle möglichen privat oder kommerziell organisierten Gangbang Partys. Es gibt Swinger Clubs, wo es auch eindeutig darum geht, miteinander auf die Matte zu gehen. Selbst das Berghain hat die Dark Rooms, die einen großen Teil seiner Mystik ausmachen.

Es gibt den KitKat Club tatsächlich wesentlich länger als das Berghain in seiner jetzigen Form. Hast du das Gefühl, es hat für Dark Room-Welten eine Vorreiterfunktion?

Thaur, der Spiritus rectus des KitKat Club, hat eine Weile in Indien gelebt und in Goa die legendären Sunrise Partys erlebt, bei denen Trance Musik am Strand präsentiert wurde und es auch um hedonistische Entfaltungsformen ging. Daraufhin hat er begonnen, in Berlin erotische Partys zu veranstalten, die sich dann mit dem Technopublikum gemischt haben und zum KitKat Club geworden sind. Die Verbindung von Fetisch und Sexual Fantasy mit progressiver Tanzmusik haben Kirsten und Thaur damit sehr früh manifestiert und sind Vorreiter gewesen für sehr viele Projekte, die darauf gefolgt sind. Der Unterschied ist, dass es im KitKat Club nie eine ausgewiesene Spielecke gegeben hat, wo man einen Vorhang zuzieht. Man soll sich gerade nicht zurückziehen müssen, sondern überall alles möglich sein.

Man könnte auf der Timeline aber auch noch weiter zurückgehen: Das Berghain und ehemalige Ostgut soll sich zum Teil aus den Snax-Veranstaltungen, schwulen Fetischpartys der frühen 90er entwickelt haben.

Ich glaube, niemand hat das Bedürfnis, eine Patent für diese Art von Veranstaltungen zu besitzen. Es gab aber vermutlich für Schwule nicht viele Möglichkeiten, sich dabei auch mit Personen des anderen Geschlechts in einem Raum aufzuhalten. Es ist nach wie vor so, dass viele Angebote sich nur an einen Teil des Publikums wenden. Diese breite Schnittmenge finde ich eigentlich nirgendwo so wie im KitKat Club vor. Gäste aus dem schwulen Milieu sind oft überrascht, dass es auch Heteros gibt, die so offen mit ihrer Sexualität umgehen wie sie das von ihren Partys kennen.

DJ Clark Kent, KitKat, Summer Love
Summer Love: DJ Clark Kent in Action – Foto: Kai Flügel

Wie vorbereitet warst du bei dem ersten KitKat-Besuch? Spielt Nervosität eine Rolle oder wird man sofort von der Atmosphäre aufgesogen?

Der ein oder andere hat mehr oder weniger Affinität dazu. Eine Grundvorraussetzung ist immer, offen zu sein. Ich bin mit Sicherheit nicht der KitKat Club-Gast gewesen, den man erwarten würde. Ich bin als Bänker aus London nach Berlin gekommen und ins Nachtleben eingetaucht. Von daher habe ich auch nicht damit gerechnet, derjenige zu sein, dem angeboten wird, aufzulegen. Der Anreiz war aber viel zu groß und ich mache es inzwischen seit 17 Jahre und freue mich immer noch über jedes Booking wie beim ersten Mal. Nur bringe ich jetzt ein bisschen mehr Souveränität mit.

Kamen irgendwann Anfragen, auch bei regulären Elektronika Partys aufzulegen?

Ich lege nur bei Veranstaltungen auf, bei denen ein erotischer Dresscode eine Rolle spielt. Deshalb, weil ich das Gefühl habe, dort auch am ehesten eine Verbindung zum Publikum aufbauen zu können, weil ich die Atmosphäre des „Alles ist möglich“ schätze und weil sinnliche Energie ein wichtiger Aspekt der Musik ist, die ich spiele. Ich habe hier und da auch auf regulären House- und Techno Veranstaltungen gespielt, es hat mich aber nicht im selben Maße gekickt. Da ich DJ aus Leidenschaft bin, macht es für mich keinen Sinn, solche Bookings anzunehmen, nur um noch im einen oder anderen namenhaften Club gespielt zu haben. Selbst bei hedonistischen Veranstaltungen ist mir wichtig, wie sich das Ganze anfühlt und das hängt vor Allem von der Verbindung zwischen mir und dem Publikum ab.

Kannst du in der Art und Weise, wie du auflegst erotische Stimmung steuern?

Jedem, der Technoveranstaltungen besucht ist klar, dass diese Musikrichtung eine sinnliche Note hat. Wenn ich mich auf der Tanzfläche bewege und höre einen sehr dominierenden Beat und sehe jemanden, den ich reizvoll finde und wir bewegen uns im selben Rhythmus, während wir uns ansehen, ist das eine extrem sinnliche Erfahrung. Und wenn ich dann als DJ noch die Macht habe, den Beat rauszunehmen, druckvoller zu machen, mit Flächen zu arbeiten und nicht das Gefühl habe, die Stimmung zu steuern, dann mache ich etwas falsch. Auch das, die Reaktion eines Publikums auf einen Beat zu erahnen und den dann umzusetzen, hat für mich als DJ etwas sehr Sinnliches.

Bist du als DJ in höherem Maße Fetischobjekt als jeder andere, der in erotischem Dresscode auf der Tanzfläche steht?

Natürlich spielt der DJ eine hervorgehobene Rolle. Als ich in den 90ern privat im KitKat war und die DJs angehimmelt habe, habe ich auch durchaus angeboten, mal den Plattenkoffer durch den Club zu tragen. Mir ist natürlich auch begegnet, dass der eine oder andere Gast mich besonders interessant findet. Ich bemühe mich aber, auszustrahlen, dass man den DJ nicht zu hoch aufhängen sollte.

Bekommst du sexuelle Angebote?

Als ich 20 Jahre jünger war, waren die Angebote noch häufiger. Das Clubpublikum ist ja nicht mit mir gewachsen. Ich selbst werde mit dem Alter auch ruhiger. Die Angebote gibt es also durchaus, dass man dann permanent mit Leuten auf der Toilette landet, kann ich aber nicht bestätigen. Die sinnliche Energie spielt eine Rolle, auch dass der DJ in hervorgehobener Position vielleicht ein besonderes interessantes Flirtobjekt darstellt spielt eine Rolle, es geht aber nicht ganz so wild zu, wie man denken mag.

Dj clark kent, kitkat
 Clark Kent steht knietief in der Hardware – Foto: Alexander Platz

Man sieht im KatKat überraschend wenige masturbierende alte Männer. Die gehören wahrscheinlich zum Dekor?

Das sind die sogenannten Wichser. Einer davon ist seit über 20 Jahren jedes Wochenende da. Die schleudern sich halt von hinten bis vorne einen und mancher empfindet das vielleicht als störend, es gehört aber dazu. Wenn sie nicht da wären, würde ich wahrscheinlich nervös werden. Nicht alle Dinge, die dort stattfinden, müssen mich persönlich kicken, da geht es um Toleranz. Mich wundert es ohnehin, dass zum Beispiel Leute aus dem SM-Bereich mitunter Toilettensex daneben finden. Man muss nicht alles persönlich gut finden, aber sich selbst die extravaganteste und einzig wahre erotische Ausdrucksform zuzuschreiben und andere Leuten dann abzuurteilen, das ist gerade in dieser Community noch sehr verwurzelt. Diese Intoleranz kann ich nicht verstehen.

Begegnet man auch Sensationstouristen oder betrunken Jugendlichen, die eigentlich nicht ins Publikum passen?

Ich würde bezweifeln, dass die Kombination 18 und stark angetrunken die Tür knackt. Aber die Transparenz im Internet hat natürlich etwas verändert. Früher musste man vom KitKat gehört haben und kannte keine Bilder. Heute bekommen Leute davon mit, die nur einmal kurz eintauchen und das wegkonsumieren wollen oder von der Community erwarten, gut unterhalten zu werden. Dann muss aber das Getränk richtig temperiert sein und was dort drüben in der Ecke passiert, ist schon zu schmuddelig. Diese Leute möchte ein undergroundiger Laden wie der KitKat Club eigentlich nicht bedienen. Aber der Sexdrive ist nun mal einer unserer stärksten Triebe und es gibt niemanden, den das nicht interessiert.

Spielen Drogen auf hedonistischen Veranstaltungen eine Rolle?

Dazu muss ich vorangestellt sagen: Kein Club und auch nicht der KitKat Club akzeptiert Drogen. Das wird kontrolliert und Leuten, die erwischt werden droht das Hausverbot. Nichtsdestotrotz spielen Drogen im Nachtleben eine integrale Rolle. Gäste nehmen unterschiedliche Drogen mit sehr unterschiedlichen Zielen. Ich bin auch persönlich der Meinung, dass der Alkohol als akzeptierte Droge dagegen gar nicht so unterschiedlich moralisch zu bewerten ist. Es gibt bei uns auch Leute, die ihre sexuelle Leistungsfähigkeit steigern möchten. Manche Drogen können das, andere sind dagegen total kontraproduktiv.

Bekommst du jüngere Partyreihen wie Pornceptual oder House of the Red Doors mit?

Die laufen mir natürlich über den Weg und ich denke dann, ich müsste sie mir mal ansehen. Allerdings bin ich auch skeptisch, wie authentisch das ist. Wird etwas aufgegriffen, nur um einen Akzent zu setzen und den Laden zu füllen? Ich habe auch Beispiele dafür erlebt, dass aus den falschen Gründen versucht wurde, ein erotisches Thema zu setzen. Ich möchte aber jetzt noch nicht werten. Ich bin durchaus neugierig. Und wenn mich dann jemand erkennen und fragen würde, ob ich Lust habe, aufzulegen und mir die Atmosphäre gefällt, würde ich das auch machen.


[su_box title=“                                                 Clark Kent – The Origin Story“ style=“noise“ box_color=“#b38c99″ title_color=“#a21344″ radius=“2″]

 

»Als ich 1995 nach Berlin gekommen bin, gab es von den Betreibern des Hautnah eine Fetischparty im Bunker in der Reinhardstraße. Da habe ich das erste Mal mit der Verbindung von elektronischer progressiver Musik und Dresscode Kontakt gehabt. 1996 war ich dann das erste Mal im KitKat, da gab es den Club etwa eineinhalb Jahre in der Glogauer Straße. Die Musik, die damals tragend war, war Trance. In den 90er Jahren gab es in dem Bereich meiner Meinung nach unheimlich kreative Produktionen. In Verbindung mit den unterschiedlichen Menschen, in Fetischkleidung oder ganz unbekleidet, und dem MDMA und Ecstasy, die damals rumgingen, hat das eine gewaltige Gemengelage geschaffen, die mich sofort stark fasziniert hat. Ich war dann mehrere Jahre Stammgast und hab irgendwann begonnen, die Sets der Residents mit dem Kassettenrekorder aufzunehmen, bis ich 1999 von Kirsten und Thaur angesprochen wurde, da ich mich offensichtlich sehr für den musikalischen Teil interessierte. Dann habe ich zwei sehr schwierige Jahre verlebt, weil mir natürlich die technischen Voraussetzungen gefehlt haben. Mit Vinyl auflegen bedeutet eben auch wirklich einmixen zu können. Auch das Publikum hat zwei Jahre lang einen wirklich verheerenden Clark Kent ertragen, aber Kirsten hat eisern an mir festgehalten.«[/su_box]

 

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