Der Untergrund ist noch da. Doz9 und Torky Tork sind zusammen ‚T9‘ und machen nicht erst seit ein paar Tagen Musik. Innerhalb von zwei Jahren hat das Duo drei Alben aufgenommen und ist trotzdem ständig in andere Projekte involviert. Doz9 ist Teil von ‚Schaufel und Spaten‘ und hat erst letztes Jahr zusammen mit Pierre Sonality als ‚Die Kraszesten‘ das Album „Alexander Marcus“ veröffentlicht. Torky Tork wiederum ist – Meister der Samples – verantwortlich für die Beats auf „Normaler Samt“ von Audio88 & Yassin.
Nachdem die ersten beiden T9-Alben in isolierter Atmosphäre außerhalb Berlins entstanden, fand der Prozess diesmal in einem Berliner Studio statt. Wir haben den selbstbetitelten „Schönsten Mann im Raum“ und Torky Tork in einem Café getroffen und bei Bier und Kuchen über die Relevanz von Deluxe-Boxen, wacken Rap und neusächsischen Wortschatz gesprochen.
Das erste Album entstand im Wald, für das zweite ging es nach Teneriffa. Wieso habt ihr Euch dieses mal für Berlin entschieden?
Doz9: Ursprünglich gab es den Plan, dass wir nach Haifa fahren. Da gab es schon die Connection und alles wäre da gewesen. Aber es hat einfach aus zeitlichen Gründen nicht geklappt. Wir konnten uns beide nicht zeitgleich von unserem ganzen alltäglichen Struggle freimachen. Daher haben wir entschieden, es in Berlin zu machen, aber die Arbeitsweise beizubehalten. Wir arbeiten also nicht ewig an einem Song, sondern treffen uns, starten mit einem Sample und dann sitzen wir dran, bis der Song fertig ist. Oder auch nicht fertig oder zwei Songs fertig sind.
Habt ihr trotzdem Urlaub gehabt?
Doz9: Nö. In der Regel haben wir das nach der Arbeit gemacht, also so 14 bis 20 Uhr.
Torky Tork: Wir sind da beide relativ schnell. Eigentlich wollten wir einfach weiter Mucke machen und haben uns dafür immer wieder getroffen. Meistens an Donnerstagen.
Doz9: Das war dann der HipHop-Tag.
Torky Tork: Einen Tag nach Rap am Mittwoch, gab es dann Rap im Studio. Wir wollten trotzdem noch wegfahren, aber irgendwann war das Album einfach fertig. Da muss man sich gar nicht mal so oft treffen, wenn du 12 Tracks auf dem Album hast, inklusive Interlude.
Was macht das Arbeiten in der alltäglichen Umgebung anders, im Vergleich zu den ersten Alben, bei denen ihr richtig isoliert wart?
Doz9: Ich glaube man hat weniger Druck. Wenn du irgendwo hinfährst, hast du enormen Druck, womit ich aber gut arbeiten kann. Aber ohne Druck war es auch mal ganz cool und ich finde, man hört es den Tracks auch an. Die sind ein bisschen ausgereifter. Es sind natürlich keine Songs im klassischen Pop-Format mit Hook-Strophe-Hook-Strophe, aber sie sind in sich schlüssiger. Dadurch, dass man nicht permanent miteinander rumhängt, sondern sich jedes mal neu trifft, wirkt sich das auch auf das Soundbild aus. Das sagt natürlich jeder von seinem Album, aber ich finde schon, dass jeder Song anders ist. Jeder hat einen spezifischen Vibe oder eine eigene Geschwindigkeit. Ich hab echt alles genommen, was Torky mir an Samples vorgeschlagen hat, von 50 bpm bis 120.
Torky: Das ist wirklich sehr angenehm. Man kann Doz einfach alles auftischen und er hat auf fast alles Bock. Die meisten Künstler haben ihren Style und du weißt, dass du ihnen nur bestimmte Sachen vorspielst, weil die anderes sowieso nicht als „ihr Ding“ ansehen. Das ist bei Doz echt angenehm und auch spannend.
Inwiefern war die „deutsche Lebenswirklichkeit“ ein Inspirationsfaktor? Im Vergleich zum Vorgängeralbum schließt euer neues Album ja eher unversöhnlich.
Doz9: Ich finde „Mein Freund“ ist, gerade weil der Track am Ende des Albums ist, ein geiles Outro, weil es auch ein Statement ist. Ich bleib da, ich häng weiter im Untergrund, ich geb keinen Fick und es wird beim nächsten Album genau da weitergehen, wo dieses aufhört. Es gibt diesmal kein örtlichen Referenzen, wie bei den ersten Alben und das hört man auch raus. Sowohl in der Atmosphäre, als auch textlich spürt man da keinen Einfluss.
Eure Promo zum neuen Album habt ihr mit einem Track vom vierten Album und von einem 2014er Release eingeleitet? Warum diese Strategie?
Torky Tork: Weil wir es können. Wir sind da völlig unabhängig von Labels, die einem sagen, wie man es zu machen hat. Wir können es uns einfach erlauben und es bleibt ja trotzdem irgendwie hängen.
Doz9: Wir haben ja auch einen Manager, der sich darum kümmert. Der hat direkt gesagt, dass man Konventionen brechen muss, wenn man Promotion macht. Alleine schon dadurch fällt man auf und erregt Aufmerksamkeit.
Euer Album kommt am gleichen Tag raus, wie ‚JBG 3‘ von Farid Bang und Kollegah, die ein ziemlich abgefahrenes Deluxe-Boxen-Game gestartet haben. Wann kommt die erste T9-Deluxebox?
Torky Tork: Kollegah ist eigentlich Schuld daran, dass wir bei diesem Album keine Box hatten. Das Album heißt ja nicht ohne Grund „Plastik aus Gold“. Wir wollten ein Box machen, wo man sich seine eigene goldenen Schallplatte an die Wand hängen kann. Daher ist auch die Deluxe-Version der LP immer noch golden. Die hätte man dann rausnehmen können und in einen Rahmen mit Plexiglas an seine Wand hängen können. Dann hätte jeder Käufer eine eigene goldene Platte gehabt.
Doz9: Kollegah hat aber so etwas ähnliches gemacht, er hat ja auch wirklich goldene Schallplatten. Wir wollten dann auch nicht, dass unsere Idee geklaut aussieht. Jetzt denken viele Leute, dass wir auf „Palmen aus Platik“ von Bonez MC und RAF Camora anspielen. Aber ich glaube, dass das Boxen-Game auch bald vorbei ist. Das gibt es irgendwie eh nur in Deutschland und ist schon ziemlich ausgeschlachtet. Was wiederum geil ist, ist wenn man wirklich Gold geht, ohne dass man billigen Platikscheiß in eine Box tun muss.
In Videos und auf der Bühne tragt ihr seit neuestem Trainigsanzüge von Ajax Amsterdam. Wie ist es dazu gekommen?
Torky Tork: Meine halbe Familie kommt aus Amsterdam, gleichzeitig bin ich aber Berliner, daher trage ich auch noch ein Hertha-Trikot unter dem Ajax-Anzug. Außerdem sind wir Amsterdam auch so verbunden.
Doz9: Alle laufen gerade mit den Trikots von Real Madrid oder Paris St. Germain rum, das ist ein Trend wie Deluxe-Boxen. Wir greifen das auf und nehmen halt Ajax, tragen aber immerhin einen richtigen Presenter-Anzug. Wir haben die sogar umschneidern lassen, weil die unvorteilhaft an unseren Truckfahrerkörpern angelegen haben. Da mussten wir ein bisschen Linie reinbringen, damit es aussieht, als wären wir noch richtig knackige Boys.
Ihr habt dann doch ein Video zu einem Track produziert, der wirklich auf dem Album ist: ‚Bimmies im Club‘. Erklärt doch mal, was ein Bimmie ist.
Doz9: Im Endeffekt so etwas wie ein Dulli. Wenn ich Bimmie einer Figur zurordnen müsste, dann wäre es Goofy. Eine liebevolle Beleidigung für jemanden, der mir am Herzen liegt und den ich nicht so sehr beleidigen will, dass ich ihn verletze. Wenn du aus deiner Wohnung rausgehst und merkst, dass du gerade deinen Schlüssel drinnen liegen gelassen hast, ist das genau die Gelegenheit, um dich „Bimmie“ zu nennen.
Torky Tork: Das Wort kommt irgendwo aus der sächsischen Ecke. es ist vielleicht neusächsisch.
DoZ9: Ich kenne das Wort aus Dresden, dort hab ich das kennengelernt.
In Dresden habt ihr auch das Video zum Song gedreht, genauer gesagt in einer nicht gerade vollen Gartensparte.
Doz9: Rapper in unserem Segment haben ja wirklich solche Auftritte. Jetzt nicht in Gartensparten, aber low besuchte Auftritte mit Leuten, die dich gar nicht kennen und sich nicht für dich interessieren. Da bist du als Künstler noch richtig gefragt zu performen. Da ist teilweise auch die Schule, durch die ich gehen musste. Ich bin früher auch von Jugendhaus zu Jugendhaus, bis es irgendwann mal losging. Es ist auch eine Anspielung darauf, dass es für uns noch richtiger Hustle ist.
Der Beat ist auch ziemlich funky und tanzbar geworden.
Torky Tork: Ziemlich viele Leute, die das Album schon gehört haben, haben uns gesagt, dass es deren favourite Track ist. Suff Daddy hat mir erzählt, dass er den auf jeder Party auflegt, weil er so funky ist. Döll gefällt er auch am meisten. Und Doz9 hat ja vorher auch schon bei den Upstairs-Platten solche Sachen gemacht. Ich mache ja nicht nur „Normaler Samt“-Beats. So langsam wird es auch zeitgenössischer bei mir.
Doz9: Torky ist aber immer schnell dabei den Vergleich mit Trap zu suchen und trappige Elemente zu finden.
Torky Tork: Es kommt glaube ich immer darauf an aus welcher Warte man da drauf guckt. Es ist vielleicht „Boom-Trap“.
Auch auf dem neuen Album wird wieder viel gegen wacken Rap geschossen, zum Beispiel mit der Line, dass „Rap Mama nicht stolz gemacht hat“.
Doz9: Es ist halt Battle-Rap. Ich bin zu ’ner Zeit zu HipHop gekommen, als da noch Werte vermittelt wurden. Ich hab den Spirit von den älteren Leuten aufgesaugt. Und ich finde es halt wack, wenn Leute rappen, die sagen, dass sie damit nur Kohle verdienen wollen und ihnen das Kunstvolle daran egal ist. Das ist wack. Ich finde es jetzt nicht generell schlimm mit Rap Geld zu verdienen. Ich finde es nur wack mit schlechter Musik Geld zu verdienen, was nicht mal die Schuld des Künstlers ist, sondern des allgemeinen Müllgeschmacks der Gesellschaft. Du kannst den letzten Scheiß machen und mit ein paar klugen Griffen kannst du damit krass Kohle verdienen. Das ist, was mich ankotzt. Das treibt mich aber auch an, ich will eine Art Konterkultur sein. Wobei ich eigentlich blöd bin, denn ich wüsste auf jeden Fall, was ich machen müsste, damit sich eine Platte super verkauft. Aber ich mach’s nicht. Meine Moral steht mir selber im Weg, aber das ist nicht falsch. Es ist wichtig, dass es die Leute gibt, wie wir, die den Scheiß der Musik wegen machen und das auf ein nächstes Level bringen wollen.
Auf eurem ersten Album heißt es: „Ein Herz für sächsische Frauen, keins für Trettmann.“ Gilt das immer noch?
Doz9: Ich hab das tatsächlich nicht so gemeint, wie es rübergekommen ist. Ich hab einfach den Dialekt von sächsischen Frauen, die ja quasi die hübschesten im Land sind, der Musik, dem sächsischen Reggae, gegenübergestellt. Ich feiere Trettmann und kenne alles, was der früher gemacht hat.
Torky Tork: Beim Machen der Riffa-Platte haben wir fast jeden Morgen die alten Trettmann-Sachen gepumpt.
Doz9: Es war einfach eine Gegenüberstellung, dass ich mir bei ner sächsischen Frau den Dialekt geben kann. Bei Mucke muss ich das nicht unbedingt haben. Das war der Gedanke. Natürlich versteht das keiner, sondern die denken „Ja, sächsische Frauen findet er geil, Trettmann scheiße.“
Torky Tork: Ich hab ihn vor kurzem getroffen, bei ’nem Gig. Da haben wir auch cool miteinander geredet, uns Props gegeben und dann hat er gefragt, warum wir ihn damals gedisst haben. Dann hab ich versucht ihm das zu erklären und am Ende war alles gut.
Die Reimkette im Song „Doztorkevski“ ist ziemlich außergewöhnlich. Dölls Part ist außerdem eine Schablone zu deinem. Bist du schon so an den Text gegangen oder hat es sich einfach ergeben?
Doz9: Ich habe das genauso vorgehabt, nachdem ich den Beat gehört habe und auch Döll gebeten, es so zu machen. Bei den ersten vier Bars brauchte ich etwas, was ein bisschen den Track startet und danach gehst du ins Pattern rein und machst so viel Reime wie möglich. Es gibt aber keine Zweckreime. Es sind übrigens 37 Reime auf 12 Zeilen.
Torky Tork: Döll hat das auch gut gemacht. Es ist ja auch schwierig nach so einem Part nochmal nachzulegen.
Doz9: Er hat ihn auf eine andere Art nochmal aufgewertet. Mein Part ist vom Flow her ziemlich sperrig und seiner ist bounceble. Das ist auch cool so, weil der zweite Part muss immer noch was drauflegen. Er hat den Reim durchgezogen und der Sache flowmäßig noch ein Sahnehäubchen aufgesetzt.
Bei Wikipedia steht zu Dostojewski: „Zentraler Gegenstand seiner Werke war die menschliche Seele, deren Regungen, Zwängen und Befreiungen er mit den Mitteln der Literatur nachgespürt hat“. Sollte das gleiche mit „Musik“ statt „Literatur“ in eurem Wiki-Artikel stehen, der noch nicht vorhanden ist?
Doz9: Ich glaube diesen Satz kannst du auf jeden Literaten anwenden, der ein bisschen reflektierend ist. Das haben wir auch so beim ersten „Die Kraszesten“ Album so gemacht. Da haben wir als Pressetext den Buchklappentext von irgendeinem krassen Künstler genommen und einfach die Namen ausgetauscht. Das ist universell und trifft trotzdem zu.
„Während seine Zeitgenossen […] unter Bedingungen materieller Sorglosigkeit schreiben konnten, waren die äußeren Umstände von Dostojewskis Schreibtätigkeit fast zeitlebens von finanzieller Not geprägt. In den letzten zehn Jahren seines Lebens lebte er in finanziell geordneten Verhältnissen und genoss Anerkennung im ganzen Land.“
Wie sieht es damit aus?
Doz9: Ich sags ja, das kannst du alles umkontextualisieren. Das haben wir auch so mit Michelangelo gemacht. Das hat wie Faust aufs Auge gepasst. Mach One hat mal gesagt: „Guter Rap gedeiht im Dreck.“ Und das würde ich auch auf Kunst generell erweitern. Ein Künstler kann immer nur richtig geil sein, wenn er so ein bisschen von Leid erfüllt ist. Wenn du sorgenlos bist, hast du nichts was dich antreibt, um aus der Scheiße rauszukommen.
Die typische Hand mit Handy auf dem Plattencover ist diesmal zerkratzt. Wieso?
Doz9: Robert Winter hat wieder das Artwork gemacht. Ich habe darauf bestanden die Trilogie voll zu machen und wollte wieder die Hand drauf haben. Beim zweiten hatten wir sie als Aufkleber benutzt, also mussten wir uns wieder etwas neues einfallen lassen. Torky kam dann auf die Idee das einfach abzureißen. Robert Winter hat dann daraus ne Collage gemacht. Er hat das Foto im Großformat ausgedruckt, diesen Aufkleber draufgeklebt und wieder abgerissen und dann abfotografiert. Er meinte aber: „Wenn ihr ein viertes Album macht, fickt euch. Diese Hand wirds nicht noch einmal geben.“
Titelbild: © NewDEF
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