Heutzutage spielen fotografische Limitierungen für die meisten Menschen keine Rolle mehr. Handy raus und knipsen, bis der Speicher voll ist. Außer mit dem Google Pixel, jaja, wir kennen die Werbung. Das dem nicht immer so war, ja fotografieren sogar richtig ins (Taschen-) Geld gehen konnte, würde in noch weitere Ferne rücken, wenn nicht gelegentlich die Vergangenheit in der Jetztzeit wieder vor der Türe stehen würde. In diesem Fall ist die Rede von der amerikanischen Firma POLAROID.
Kein Kind der Achtziger, dass nicht ein paar Polaroid-Schnappschüsse in der Schublade hat. Zuweilen war das schnelle Format, es dauerte um die vier Minuten, bis das Bild entwickelt war, auch recht beliebt bei Serienmördern wie Ted Bundy, aber das sei nur am Rande erwähnt. Die Sofortbildkameras und die damit verbundene stilistische Ästhetik (weißer Rahmen um das rechteckige Bild), die sich heutzutage in diversen Foto-Apps (Swing by Polaroid; Cheerz) als Layout wiederfindet, galt in den 1970er und 1980er Jahren als das Maß aller angesagten Dinge. Schon damals ein Nachteil: die, im Vergleich zu normalen analogen Kameras, für damalige Verhältnisse recht kostspieligen Filme von rund fünfzehn Mark für acht Bilder. Da geriet der als spontan ausgelegte Schnappschuss mit Oma auf dem Sterbebett schnell zur minutenlangen Anordnungsorgie aller Familienmitglieder durch den engagierten Papa. Trennungsandrohungen von Mama inklusive. Man wollte ja kein Bild verschwenden. Nach dem schleichenden Untergang der Marke in den Neunziger Jahren durch die digitale Fotografie, bis hin zur Insolvenz in den späten Nullerjahren, der letzte Polaroid Film wurde 2007 in den Niederlanden produziert, hat in den vergangenen Jahren eine Investorengruppe den Wiederaufbau der Marke POLAROID als hippes Retroaccessoire vorangetrieben. Aus diesem Treiben entspringt vorliegendes ‚OneStep 2‘ – Modell, welches wir für den regulären Preis von 119 € exklusive eines dreier Filmpakets mit je acht Bildern für 45 € via POLAROID Homepage erworben haben. Zwei Wochen nach Bestellung traf das Paket bei uns ein.
Zurück in die Vergangenheit
Da ich in den Achtziger Jahren keine ausgeprägte Fotoleidenschaft für mich beanspruchte, ist die damalige POLAROID Kamera meines Vaters – ich meine, es handelte sich im ein Modell aus der 600er-Reihe, wie beispielsweise die 636 (siehe Foto) – nicht wirklich mit mir eine Beziehung eingegangen. Daher empfand ich beim Öffnen des gelieferten Pakets eher eine gewisse Spannung auf etwas Neues in der Redaktionssammlung,
denn des Gefühls eines innig herbeigesehnten Wiedersehens nach Jahrzehnten der unfreiwilligen Trennung. Sorry, aber an dieser Stelle kein ‚Bitte Melde Dich!‘ – Moment für Gadgetnerds. Wie nicht anders erwartet, die Aufmachung der Homepage und des kompletten Produktkatalogs der Marke anno 2018 ließen es eh vermuten, offenbarte sich nach der Öffnung der Kartonage ein poppiges stilvolles Produkt, welches, abgesehen von der Option die Kamera via USB-Kabel zu laden, praktisch kein neuzeitliches Entgegenkommen an die digitale Welt offeriert. Macht letztendlich bei Polaroidbildern auch keinen Sinn mit WLAN. Somit hat man im Prinzip ein neues, sehr schickes Plastikgehäuse in der Hand, mit einem Klappmechanismus an der Unterfront für die Filmkassette, welches nichts anderes kann, als die beigelegten Filme, in unserem Fall zwei Farbfilme und ein S/W-Film, im typischen Sofortbildstyle auszuspucken. Idealerweise bei guten Lichtverhältnissen, wobei der Blitz da durchaus noch ein wenig technische Unterstützung bietet. Sollte ich ein Problem benennen, welches sich mir mit der Kamera bietet, dann ist es die eingangs erwähnte Limitierung. Acht Bilder á 15,99€. Ich kann nicht aus meiner Haut und überlege bei jedem Shot, ob es sich jetzt wirklich lohnt.
We are family
Antwort: Ja, tut es, denn ich habe für mich recht schnell entschieden, dass ich die Kamera nur nutzen werde, um Menschen zu fotografieren, die ich mag. Daher hat meine Tochter mittlerweile schon mehr Polaroidbilder von sich, als ich aus meinen gesamten Kindertagen. Was mich etwas an der Liebe meiner Eltern zu mit zweifeln lässt. Anderseits: Was waren wir sparsam damals. Hatten ja auch nichts, so kurz nach dem Krieg. Da soll mein Kind es mal besser haben. Und die hat richtig Freude daran alles abzuschießen was ihr in die Quere kommt. Preis pro Film?
Nicht ihr Problem. Acht Fotos später steht die Feststellung: Polaroidbilder zu machen, will gelernt sein. Schärfe, Helligkeit, Bildausschnitt, hier sind andere Anforderungen an den Künstler gestellt, als mit dem talentierten Telefon. Nun fängt auch meine Tochter an ihre Fotomanie etwas zu hinterfragen, was dazu führt, dass ich mich nun ständig mit einer fast Vierjährigen über das perfekte Bild streite. Wir werden uns nicht einig. Ein Gutes hat das natürlich: die Filme halten mittlerweile echt lange. Was übrigens auch daran liegen könnte, dass schon nach einer Woche des täglich mit mir Rumschleppens und über den perfekten Shot diskutieren, sich die Halterung der Kamera vor Erschöpfung aus ihrer Öse gelöst hat. Blöderweise, während ich auf dem Fahrrad saß und unter der Anfeuerung meiner Tochter einen Berg hinunter bretterte. Als ich das krachende Geräusch vernahm, war mir sofort klar, dass mit der POLAROID und mir wird nichts mehr. Meine Tochter sah das anders, zeigte auf die zerborstene Kamera und meinte: «Papa, das ist doch ein gutes Foto». «Stimmt,» sagte ich, zückte mein Handy und machte drückte auf den Auslöser. Ganz ohne nachzudenken, ob sich das Bild auch wirklich lohnt. Geht doch!
Fun Fact
In im Laufe des Jahres erscheint der amerikanische Horrorfilm „Polaroid“, der auf einem Kurzfilm des Regisseurs Lars Klevberg aus dem Jahr 2014 basiert. In der Story geht es um einen Highschool-Schüler, der einen alte Polaroid Kamera findet. All jene, die mit dieser Retrokamera fotografiert wurden, ereilt in der Folge ein tödliches Schicksal. Wahnsinns Story. Wie man darauf bloß auf so etwas kommt?