Der chilenische Produzent und Live-Performer Matías Aguayo tourt mit seiner neuen Band The Desdemonas durch die Clublandschaft. Im Gepäck, das Debütalbum „Sofarnopolis“, welches am 13.10. auf Crammed Discs erscheint. Ein Album, welches es eigentlich gar nicht geben sollte.
Rückblick: Matías Aguayo, Jahrgang 1973, floh in den 1980er mit seinen Eltern vor Pinochets Militärregime. Zehn Jahre in der rheinischen Metropole Köln konnten ihm weder größeren Schaden noch die Liebe zu seinen südamerikanischen Wurzeln nehmen. Besser, er erlebte die Hochphase der elektronischen Musik Made in Cologne vor Ort und hatte mit dem KOMPAKT Label eine ideale Anlaufstelle für eigene musikalische Ergüsse.
Aguayos Zweitling »[amazon_textlink asin=’B002NRBWVO‘ text=’Ay Ay Ay‘ template=’ProductLink‘ store=’030magazin0a-21′ marketplace=’DE‘ link_id=’2c8fcd36-ae8e-11e7-9ecf-d581d409380e‘]« (2009 / Kompakt) zählt mittlerweile zu den Klassikern des Labels. Sein 2013 veröffentlichtes Werk „[amazon_textlink asin=’B00CFNMIKU‘ text=’The Visitor‘ template=’ProductLink‘ store=’030magazin0a-21′ marketplace=’DE‘ link_id=’487e1155-ae8e-11e7-8d1b-83cddfe0bb8b‘]“ ist nicht minder gelungen. Zudem ist Matías Aguayo als Kopf des Künstlerkollektivs Cómeme am Start, in dessen Rahmen er den Südamerika-Fokus explizit und hemmungslos auslebt. Hier erschien 2015 die mittlerweile vergriffene Platte „El Rudo Del House„- Reihe. Ein Juwel der relativ jungen Cómeme Labelgeschichte.
Aguayo’s Musik ist durchzogen von der Freude am Experiment.
Seine Stimme dient ihm nicht nur als Vermittler seiner Songtexte, vielmehr nutzt er Laute und Zungenspielereien als weitere instrumentale Ebene. Geloopt und verfremdet entstehen eigentümliche Welten, die durch Repetition Vertrautheit beim Hörer gewinnt. Um live nicht völlig zum komischen Alleinunterhaltervogel zu mutieren, der in sich versunken und tanzend mit Mikro vor schwitzendem Publikum steht – was Aguayo bis dato in seiner Karriere zuhauf tat – hat er sich 2016 mit The Desdemonas eine eigene Band an die Seite geholt, die seinen ohnehin großartigem Sound ganz neue Facetten verleiht. Begleitet wird er nun vom Schlagzeuger Matteo Scrimali, dem Keyboarder Henning Specht und dem Gitarristen und Bassisten Gregorio Gomez. Aguayo selbst tanzt, singt, spielt Percussion und sein eigens für die Shows konzipiertes Instrument „The Mona“. Leider aber war die musikalische Qualität der Gruppe bis dato nicht im Format einer Langspielplatte zu bekommen. Aus gutem Grund. »Ich wollte eigentlich gar kein Album machen«, sagt Matías Aguayo über sein Projekt, »für mich ist beim wesentlichen Moment des kreativen Prozesses die Vorstellung einer möglichen Veröffentlichung weit entfernt. Es geht mir mehr um einen Entdeckungsprozess voller Überraschungen.« Und die entstehen, seiner Meinung nach, nicht aus dem eng getakteten und in sich durchdachten Prozess einer Studioproduktion.
Aus kein Album, wird das Debüt „Sofranopolis“
Und dennoch, am kommenden Freitag erscheint das Debüt-Album „Sofranopolis“ über Crammed Discs. »Ich nahm ein Aufnahmegerät, Keyboards, eine Drum Machine, einen Looper, ein Mikro und keinen Computer mit – ich wollte nicht auf einen Bildschirm starren – und was sich in diesem frühen Stadium herauskristallisierte, definierte fortan die Atmosphäre und Stimmung von Sofarnopolis und den Desdemonas.« Aufgrund der Tatsache, dass Aguayo um die Platte herum eine fiktive Welt erschuf, mit einer Stadt namens Sofranopolis als Zentrum lässt einen unweigerlich an den leicht vergilbten Begriff des Konzeptalbums denken. »Sofarnopolis ist eine imaginäre Stadt, vielleicht in einer Parallelwelt, wo Bands immer noch das heißeste Ding sind und die Plattenindustrie groß. Es gibt dort Bands wie die Desdemonas, Solid Bass, Cold Fever und Jonnie Frugo, die in unterschiedlichen Clubs spielen. The Rabbithole ist der Legendärste unter ihnen. Es geht um einen Haufen Heranwachsender, die diese legendäre Zeit erleben, die mehr unseren Erinnerungen als unserer Realität ähnelt«. Musikalisch begegnen uns auf „Sofarnopolis“ hypnotische Basslinien, Multilinguale Vocals, die für die unstete Verortung Aguayos stehen, der sich weniger an einem Platz, als vielmehr den gesamten Globus (mit leicht südamerikanischen und europäischen Einschlag) als sein Zuhause betrachtet. Fiktive Städte inklusive.
Der Musik hört man das sprunghafte und rastlose Element an. Während einige Tracks – wie der dritte Song des Albums „Nervous“ – wie ein Livemitschnitt wirken, vertieft sich der mystische Opener „6 AM“ in den Gehirnwindungen und lässt ein deepes Twin Peaks Gefühl aufkommen. Für Matías Aguayo ist vor allem eines wichtig: »Ich will eine komplexe Hörerfahrung erschaffen, die auf vielen Ebenen reflektiert wird. Das benötigt Aufmerksamkeit und braucht Zeit und ich will dem Publikum die Möglichkeit geben, eintauchen zu können und im Laufe der Zeit neue Details zu entdecken, die im Gegensatz zur heutigen Praxis der Arbeit und Wahrnehmung der Social-Media-Raserei und damit verbundener Psychopathologie und den kurzen Aufmerksamkeitsspannen steht.« Aus unserer Sicht ist im dies gelungen. Endet das letzte Stück auf der Platte muss man sich ein wenig Schütteln, um den Fokus von Fiktion wieder auf Realität zu stellen. Das lässt hoffen für das Konzert der Band am 6. November im Gretchen. Zeit sollte man sich allerdings mitnehmen, denn so schnell lässt einen die Musik von Matías Aguayo & The Desdemonas nicht wieder los.
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