Wer hätte gedacht, dass ein Blog-Eintrag namens „Generation Beziehungsunfähig" wie eine Bombe einschlägt? Michael Nast nicht – sagt er zumindest. Seit der Berliner den Text auf im gegenteil veröffentlicht hat, folgten ein Buch, eine ausverkaufte Lesetour und ein Hörbuch. Am Freitag kommt er damit in den Konzertsaal der UdK Berlin.
Drei Stunden liest er über schlechte Dates, schlechte Gespräche, schlechten Sex und lässt dabei kaum ein Geschlechterklischee aus. Der Jubel am Ende ist groß. Zum Abschluss gibt's noch ein Selfie mit der Crowd. Selbstinszenierung und Selbstverwirklichung statt Liebe – Nast weiß anscheinend, wovon er redet. Aber gibt es das überhaupt: beziehungsunfähig. Und macht es nicht eher Sinn, das Mehr an Freiheit auch von der Liebe zu erwarten?
Ganze Mädchenscharen kommen zu deinen Lesungen gepilgert und weinen vor Glück, dass ihnen ein Mann die Liebeswelt erklärt. Kannst du das nachvollziehen? Immerhin bist du der Prototyp der Generation, die du beschreibst.
Gute Frage. Wie reagiere ich darauf? Jeder zieht sich aus den Texten, was er will. Wenn Leute weinend da rausgehen, (lacht) ist das auch ein Kompliment. Ich wehre mich immer nur gegen diese Ratgeber-Nummer. Ich beschreibe einfach nur das Leben – wie in einem guten Roman.
Mit dem Wort „beziehungsunfähig“ beschreibst du aus psychologischer Sicht ein Unvermögen aus Angst. Eine provokante Übertragung. Weil man etwas nicht hat oder möchte, ist man unfähig?
Das ist das erste große Missverständnis. Da gab es schon einen Aufschrei, als noch kein Inhalt bekannt war. Wie kann dieser Typ so wahnsinnig sein, ein Krankheitsbild auf eine ganze Generation zu legen? Mache ich nicht. Ich beschreibe die Befindlichkeit von Leuten. Leute, die sich auf Grund ihrer Erfahrungen und Dating-Enttäuschung selbst dafür halten. Wir sind gar nicht beziehungsunfähig.
Wie? Jetzt doch nicht?
Das sage ich auch am Ende im Buch. Das ist eine psychotische Störung in Bezug auf alle zwischenmenschlichen Beziehungen. Am Ende sage ich: Leute, ihr könnt das ändern. Das ist natürlich ein harter Weg. Vielleicht muss man auch eine Therapie machen.
Wäre ein Modell zwischen Single und Klischeepartnerschaft nicht am passendsten in unserer Zeit? Ist doch komisch: Wer immer an einem Ort und in einem Job bleibt, ist langweilig, aber wer die gleiche Freiheit von der Liebe verlangt, ist suspekt. Ich behaupte mal, dass absolute Beständigkeit eher unrealistisch ist.
Die Ehe ist natürlich ein Auslaufmodell, klar. Dann gibt es „Mingles“, aber eigentlich ist das doch nur eine Ausrede. Ich etikettiere etwas und das beruhigt mich, weil ich das Gefühl habe, ich bin nicht alleine mit diesem Problem.
Welches Problem?
Zwei Leute sagen, sie seien Single, und machen trotzdem alles wie in einer Beziehung? So ist ein Mensch nicht angelegt. Eigentlich sind das zwei, die sich nicht trauen, zu sagen, was man hat. Das ist das Problem an erfundenen Beziehungskonstrukten: Die zeigen erst, wie orientierungslos alle sind. „Ghosting“ zum Beispiel: Normalerweise wäre er ein einfach ein Arschloch.
Oder sie.
Aber ab dem Punkt, an dem in der Zeitung steht, dass das „Ghosting“ ist, kriegt es ein Label und wird salonfähig. Er hat geghosted. (verstellt die Stimme) Frauen machen so was, glaube ich, seltener.
Ich sehe den Unterschied nicht. Ist es nicht eher menschlich, tendenziell lieber den Weg mit dem geringeren Konfliktpotential zu wählen?
Naja, Frauen wollen klären. Männer sind die, die Konflikten aus dem Weg gehen wollen.
Deinem idealen Beziehungsbild nach soll man den Partner als Spiegel nutzen, um ein „besserer Mensch“ zu werden. Wie ist denn ein „besserer Mensch“?
Es ist so: Beziehungen werden in einem Ungleichgewicht gemacht. Man denkt im Ich und nicht im Wir. Passt der Partner zu mir und meinem Leben? Wenn ein Problem auftaucht, wird sich wieder neuorientiert, oder was? Ich habe festgestellt, dass ich ein reiferer Mensch werden möchte, anstatt auf meiner Linie zu laufen.
Wenn man die Liebe ständig seziert, hat man dann überhaupt noch Freude an ihr?
Naja, das ist ja nur in den Texten so. Viele fragen mich, ob ich überhaupt noch Dates haben kann. Ich würde ja ständig nur analysieren. Das ist Quatsch. Das mache ich nur, wenn ich schreibe. Wenn ich mich verliebe, werde ich wie ein Teenager.
Und? Bist du immer noch Single?
Ja. Bei mir ist es so: Alles oder nichts. Die Singlephasen, die meistens zwei, drei Jahre gehen, in denen muss ich das richtige Gefühl haben. Es ist schwer, so jemanden zu finden. Dit muss knallen.
Michael Nast live: Freitag, 20 Uhr, UdK Berlin
Wir verlosen zwei Pakete aus 1×2 Tickets und einem Hörbuch. Mail mit Namen und Betreff „Michael Nast“ an verlosung@berlin030.de!