MoTrip, Jimek

»Du fickst ja gar keine Mütter!« – MoTrip im Interview

Der deutsch-libanesische Rapper MoTrip ist mit seinen beiden ersten Alben einer der erfolgreichsten Rapper des Landes geworden. Auch als Ghostwriter und Co-Autor hat er Spuren in der Szene hinterlassen. Der polnische Komponist Jimek sprengt in seiner Heimat die Grenzen klassischer Musik, um sie für alle Genres von Jazz bis Rap zu öffnen. Im Berliner Konzerthaus überbrückten die Beiden gemeinsam mal so ganz nebenbei Länder- und Sprachgrenzen, Musikbarrieren und persönliche Vorurteile, um Rap und Klassik aufeinander treffen zu lassen. Kann das gut gehen?

Hat das Orchester bei dem Projekt einfach so mitgemacht?

Ich kam mit einer großen Ehrfurcht in das Haus. Da sind Büsten von allen klassischen Komponisten, und ich dachte mir: „Oh Gott, hier sollst du spielen?“ Beim Kennenlernen der Musiker habe ich gehofft, dass sie Lust haben. Einige haben mir gleich mit einem Lachen signalisiert: „Alles wird gut – wir sind auf deiner Seite.“ Ein paar aber musste ich mir wirklich erkämpfen. Doch auch bei ihnen kam die Erkenntnis: „Deine Musik ist gar nicht asozial, obwohl ich das erwartet habe.“ Ich habe zeigen können, dass Hip-Hop anders ist, als es oft rüber kommt.

Es schien dann, als ob für das Orchester beim Auftritt diese Welle von Begeisterung, Jubel und Applaus eine neue Erfahrung war.

Cool, das Du das sagst. Und ohne Witz, wir haben uns super verstanden. Ich hatte das Gefühl, es hat ihnen wirklich Spaß gemacht. Als sie gemerkt haben: „Oh, Du fickst ja gar keine Mütter in Deinen Texten, dann geht das ja!“ Die Vorurteile waren da – aber ich hatte ja auch welche. Dass klassische Musik staubig und alt ist.

MoTrip, Lary, Jimek
Lary, Haftbefehl & Co. – MoTrip hatte Gäste geladen.

Hattest Du Dich vorher mit Klassik beschäftigt?

Meine Zugänge waren offen gesagt sehr banal: Beethoven auf dem Nokia als Klingelton. (lacht) Oder wenn vor der Champions League Händel läuft. Ich dachte, das wäre nicht meins. Das ist langweilig. Aber das ist definitiv nicht so. Es gefällt mir jetzt sogar, ich mag diese Musik. Ich hatte eben so lange Vorurteile, bis ich mit damit beschäftigt habe. Es ist ja gerade überall so: Wo es die wenigsten Berührungspunkte gibt, sind die Vorurteile am Größten.

Wie setzt man denn Hip-Hop für ein Orchester um?

Gute Frage! Die müssten wir Jimek stellen. Er hat sich erstmal die Noten der Originale aufgeschrieben und dann neue Beats gebaut. Wir haben uns auch auf Textdiskussionen eingelassen. Er wollte auch wissen, was ich wirklich sage. Es gab zum Beispiel den einen Fall, wo ich vom Juice Magazin rappe, und er dachte zunächst es ginge um „Jews“, Juden … es gab immer wieder Gesprächsbedarf.

Und woher kam überhaupt die Idee?

Der Ursprung war ein YouTube-Video von Jimek, wo er mit einem Orchester ein Hip-Hop-Medley spielt. Das Label hat gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, mit ihm zusammenzuarbeiten, und er hatte auch Bock. Nach dem ersten Treffen, Anfang des Jahres, war klar – wir realisieren das. Wir trugen unser Innerstes nach außen und haben uns den Arsch aufgerissen. Es war harte, akribische Arbeit. Wir kommen aus verschiedenen Ländern, sprechen verschiedene Sprachen, machen Musik aus zwei völlig unterschiedlichen Ecken, aber als wir im Studio saßen, hatten wir blind dasselbe Ziel verfolgt: Wir werden im Konzerthaus stehen und dort spielen! Und es war eine unfassbare Wucht, die das Orchester aufbaute: Du hörst das nicht nur – Du spürst sie! Und wenn dann noch Haftbefehl im Konzerthaus auf der Bühne steht, dann wurde wirklich eine Brücke zwischen den Welten geschlagen. (lacht)


Interview: Christian K.L. Fischer

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