Mit „Der Herr der Ringe” gelang Viggo Mortensen als edler Recke Aragorn der Durchbruch. Als Sigmund Freud war er danach in „Eine dunkle Begierde“ von David Cronenberg zu erleben, der ihn zudem für „A History of Violence“ sowie den Mafia-Thriller „Tödliche Versprechen“ verpflichtete. Zu den weiteren Filmen des in Südamerika aufgewachsenen Dänen gehören „Die Akte Jane“, „Psycho“ oder „28 Tage“. Nach seinem Auftritt als Beatnix-Poet William Burroughs in „On the Road“ und der Patricia Highsmith Verfilmung „Die zwei Gesichter des Januars“, tritt Mortensen nun in „Captain Fantastic: Einmal Wildnis und zurück“ als Hippie-Vater auf, der seine sechs Kinder autonom im Wald erzieht.
Mister Mortensen, wenn Sie in „Captain Fantastic“ durch die Wälder streifen, fühlt man sich an „Der Herr der Ringe“ erinnert…
Mortensen: Das haben die Kinder-Darsteller im Film ebenfalls gesagt – und die sind große Fans! Ich trage einen Bart und führe eine Gruppe kleiner Leute durch den Wald (Lacht). Allerdings ist meine Filmfigur Ben ein viel besserer Kommunikator als Aragorn.
Was hat Sie an diesem Drehbuch interessiert?
Mortensen: Ich mag Überraschungen. Man kann laut lachen oder ist sehr bewegt – so erging es mir bereits beim ersten Lesen des Drehbuchs. Thematisch geht es um den perfekten Vater, den es natürlich nie geben kann, aber der ein schönes Denkmodell darstellt. Es verhält sich wie mit der Demokratie. Völlige Demokratie ist unmöglich, dennoch sollten wir danach streben. Immerhin leben wir in einer Staatsform, die einer Demokratie bislang am nächsten kommt. Vatersein und Demokratie sind beides Prozesse, die nie endgültig abgeschlossen sind.
Wie groß müssen die Schnittmengen zwischen Ihnen und Ihren Figuren sein?
Mortensen: Es gibt etliche Schnittmengen zwischen mir und dieser Rolle. Bei jeder Figur muss man etwas Neues lernen. Zugleich gibt es immer Dinge, die einem bereits vertraut sind, was das Spielen dann natürlich viel leichter macht. Das Jagen und Fischen beispielsweise kenne ich seit ich ein kleiner Junge war. Umgekehrt hatte ich einige Probleme mit dem Klettern, weil ich unter Höhenangst leide.
Wie politisch nahe steht Ihnen dieser Hippie-Vater Ben, den Sie spielen?
Mortensen: Mir gefallen diese Erziehungsmethoden von Ben. Er setzt auf das offene Gespräch und will seine sechs Kinder zum eigenständigen Denken anregen. Solche Prinzipen sind mir nicht unbekannt, mit diesen Methoden habe ich auch meinen eigenen Sohn erzogen. Das kann bisweilen anstrengend sein und zu überraschenden Ergebnissen führen. Kids, die selbstständig Denken, sagen ihrem Vater schon mal: ‚Du spinnst total.’ Aber daraus lassen sich immerhin fruchtbare Diskussionen entwickeln.
Sie sind neben der Schauspielerei als Maler, Musiker und Fotograf tätig. Wie bewahrt man sich als Künstler vor dem kommerziellen Ausverkauf?
Mortensen: Man muss sich ständig neu erfinden, nicht nur als Künstler, sondern auch als Mensch. Jeden Morgen nach dem Aufwachen baut man seinen Motor neu auf, ob man sich dessen bewusst ist oder nicht. Und bei jeder Person, die einem begegnet, spielt man eine anderer Rolle. Man spricht mit seiner Frau morgens anders als etwa mit dem Polizisten, der einen auf dem Weg zur Arbeit anhält.
Wie hilfreich war „Herr der Ringe“ für Ihre Karriere?
Mortensen: Wäre ich nicht einigermaßen bekannt, hätte ich die Rolle in „Captain Fantastic“ wohl nicht bekommen. Umgekehrt kann die Popularität eines Schauspielers mithelfen, dass kleinerer Filme überhaupt erst gemacht werden können.
Sind Sie auf solche kleineren Projekte mehr stolz als auf einen Blockbuster?
Mortensen: Bei manchen Stars lautet das Motto für die Auswahl ihrer Projekte: „Einen Film für die Studios. Einen Film für mich.“ Mir wäre es lieber, wenn ich sämtliche Filme für mich mache! (Lacht) Wobei das Budget gar keine entscheidende Rolle spielt, mich interessiert vor allem die Geschichte, die erzählt werden soll. Es gibt allerdings keinen Plan für meine Karriere – vielleicht sollte ich den einmal entwerfen. Bislang bin ich jedoch ziemlich zufrieden damit, wie die Dinge gelaufen sind.
Würden Sie Ihrem Sohn diesen Job empfehlen?
Mortensen: Ich glaube, er wird auf alle Fälle in einem kreativen Beruf arbeiten. Er ist ein guter Musiker und hat großes Talent zum Schreiben. Er ist auch schon einige Male als Schauspieler aufgetreten – aber ich bin mir nicht sicher, welchen Weg er einmal einschlagen wird.
Können Sie noch unbeachtet in ein Café sitzen und ihre Umgebung beobachten?
Mortensen: Damit habe ich kaum Probleme. Es hängt viel vom eigenen Verhalten ab und davon, was man preisgibt. Die Umgebung spürt schnell, ob jemand nervös ist. Das geschieht völlig unbewusst und hat mit unseren animalischen Instinkten zu tun. Die anderen merken automatisch, ob man Angst davor hat, erkannt zu werden. Wenn man deutlich zu erkennen gibt, in Ruhe gelassen zu werden, dann wird das meist respektiert.
Sie haben im Film eine lustige Nacktszene. Gab es Zweifel, ob Sie die machen wollen?
Mortensen: Die Nacktszene gehört zu dieser Geschichte. Wir haben uns vor dem Dreh sogar noch darüber unterhalten. Es war nicht so, dass ich die Szene nicht spielen wollte. Sondern es ging darum, ob das für die Handlung wichtig ist oder ob das doch zu sehr ablenkt. Und es gab letztlich keinen guten Grund, auf diesen Nacktauftritt zu verzichten. Das zeigt, wie diese Familie lebt. Und es demonstriert, wie schockiert die anderen auf diese Lebensweise reagieren.
Sie gelten als Mister Cool schlechthin – wie weit stimmt das Image?
Mortensen: Das müssen andere entscheiden. Ich versuche einfach nur, möglichst entspannt zu sein. Nur wenn ich entspannt bin, kann ich gute Arbeit leisten.