Brett, Interview, Musik & Frieden 030 Magazin Gruppe

Auf dem Weg zum Interview geht’s durch die wartende Menge, an der Bar vorbei und durch ein paar schwere Türen übers Treppenhaus nach oben, wo Brett in einer Sofaecke hocken. Der Kühlschrank voll Bier, Equipment-Koffer auf dem Boden. Die Jungs lümmeln ein bisschen rum, wie man das so macht im Backstage-Bereich. Auf dem Tisch stapelt sich asiatisches Essen originalverpackt in Plastikschalen und türmt sich zu einer spannenden Skyline auf. 

Max steht auf, gibt freundlich die Hand, Felix und Laurenz ziehen nach. Die Jungs sehen geschafft aus, Schlagzeuger Stefan ist nicht dabei, er ist krank. In wenigen Minuten beginnt das Konzert. Es bleibt nicht viel Zeit für das Gespräch, trotzdem wirken die Jungs entspannt. Entweder sind sie es, oder sie sind einfach professionell. Das „Musik & Frieden“ ist ihr Wohnzimmer, hier waren sie schon oft. Heute wollen sie ihr „Baby“ präsentieren. „Wutkitsch“, ihr Debütalbum, seit 23. Februar draußen. Drinnen wartet die Menge auf Brett, die gleich brüllen werden, es sei „Ein schöner Tag“ und dass ihnen „das mit dem Hund“ leid täte. Vorher beantworten sie dem [030] Magazin ein paar Fragen.

Euer neues Album ist heute seit genau einem Monat draußen. Seid ihr zufrieden?

Max: Wir sind total happy. Unsere erste Platte, es gibt eine große Pressemaschinerie. Fühlt sich super an.

Das Album heißt „Wutkitsch“… What?

Max: Das kann man auf vielen Ebenen interpretieren. Für mich ist das die Dringlichkeit, dass wir unsere Meinung sagen wollen. In eine Schmerzzone reingehen und sagen: „Ist irgendwie kacke… warum ist das so?“ Auf der anderen Seite ist aber auch Privates mit drin – der Kitsch. In diesem Spannungsfeld hängt sich das Album auf. Vom Sound her genauso. Es gibt sehr wütendes Zeug auf der Platte, schwerer Kram. Fuzzige Gitarren, aber auch ein paar schöne Sachen.

 

„Ein schöner Tag, schade, dass Krieg ist“ – was soll uns der Song sagen. Habt ihr eine Interpretationshilfe für uns?

Max: Wir saßen im Studio zusammen und haben überlegt: Ey, was ist eigentlich so los? Man ist in seiner Blase unterwegs und checkt nicht, was links und rechts passiert. Aber ab und zu ist es sinnvoll, die Blase kaputt zu machen um zu sehen, was sonst noch auf der Welt los ist und dass eine ganze Menge Sachen relativ krass ablaufen. Man sollte einfach mal die Nadel neben in seiner Blase und gucken, was los ist da draußen. Zum Beispiel Krieg.

 

Und die Sache mit dem Hund… Der Song klingt nach einer ganz üblen Rache-Fantasie. Nur eine Fantasie oder beruht das auf einer wahren Begebenheit?

Max: Das ist fiktiv. Was sollen wir jetzt sagen? (alle drei lachen)

Max, du bist derjenige, der die Texte schreibt. Du meintest mal, private Themen liegen dir mehr… Was ist dein Lieblingsthema?

Max: Im Zweifel Fußball. Ehrlich gesagt, habe ich mich auf der Platte zum ersten Mal getraut, private Themen zu verarbeiten. Das liegt mir eigentlich gar nicht. Es gab in den letzten Jahren ein paar Sachen, die dazu geführt haben. Was liegt einem? Was gerade passiert und was man empfindet. Musik ist ja Zeitkunst. Was dir wichtig ist, versuchst du zu verarbeiten. Ganz situativ.

 

Würdet ihr euch als Newcomer bezeichnen? 2016 habt ihr ja in Eigenregie schon eure EP#1 raugebracht…

Felix: Ja, aber die erste Platte – mehr Newcomer kannst du eigentlich nicht sein.

Warum seid ihr nach Hamburg gezogen? Ich dachte, Berlin ist die kreativste Stadt..

Felix: Hamburg ist subjektiv ein bisschen schöner. Kreativ ist da auch..

Ihr habt da so eine kleine Talentschmiede gegründet…

Max: (lacht) Unsere kleine Hippie-Kommune. Ihr haben vor zweieinhalb Jahren mit einem Partner ein altes Hinterhofgebäude in Ottensen saniert, über zwei Etagen. Büros, Galerien, Werkstätten. Alles mögliche aus dem kreativen Tagesgeschäft. 25 Parteien arbeiten da. Und auch wir. Unten haben wir einen Live-Club reingebastelt. Unten der Club, oben arbeiten die Leute.

Brett, Interview, Musik & Frieden 030 Magazin Gruppe

Von links: Laurenz, [030]-Redakteur Felix Frerichs, Max, Felix

Vor drei Wochen war ich mit meinem alten Chef essen. Da hat er mir von euch ein Youtube-Video gezeigt. Er ist schon Ende 50.. Ist ja nicht eure Zielgruppe. Was sagt ihr dazu, wenn Leute der älteren Generation von euch schwärmen?

Max: Bösartige Frage. Nein, das ist super.

Felix: Musikalisch sind meine Wurzeln bei Hendrix und Led Zeppelin und dem ganzen Zeug. Dann ist klar, dass eine ältere Generation das versteht. Ganz einfach. Wir entwickeln uns. Die jungen Leute verstehen uns genauso.

Ihr werdet ja schnell in eine Schublade gesteckt – „Queens of the Stone Age“, Led Zeppelin. In welche Schublade würdet ihr euch selbst stecken? 

Max: Club-Musik (alle lachen). Als Band ziemlich Boogie…

Felix: Die Leute machen eh, was sie wollen. Wenn ihnen das hilft.

Max: Das hat ja alles irgendwo eine Wahrheit. Das ist so, als wenn du zu einem Fremden sagen sollst: Beschreib‘ mal deine Freundin. Du hast ja ein ganz subjektives Gefühl. Würdest wahrscheinlich sagen: „Hübsch“.

Du hast mal gesagt, dass ihr in euren Songs immer eine Portion Dreck und Schweiß reinbringt. Was heißt das? 

Max: Diese Art Mucke zu machen, Leute, die zusammen Musik machen und Energie kreieren, ist was anderes, als wenn hinten ein MC auflegt. Alles hat seinen Platz. wir glauben, dass wir dieses Live-Ding machen müssen. Live etwas erleben. Das ist unser Verständnis.

 

Da drängt sich die Frage auf: Ihr habt sehr kämpferische Texte. Was ist euer kämpferischster Song auf dem Album? 

Max: Fürs Herz ist es sicher „Wir“. Das ist sehr persönlich, das Ding. Es geht darum, dass jemand, den ich sehr lieb habe, nicht mehr da ist. Kämpferisch ist wohl eher Wüste. Da geht’s darum, dass die jungen Leute heute alle irgendwie gleich sind. Es geht ums Präsentieren, ums Profilieren. Das Internet suggeriert, dass du alles konsumieren kannst, was du willst. Am Ende konsumieren alle das selbe. Was unlogisch ist. Und Schizophren.

Stichwort Schizophren…Was nervt euch an der großen Politik?

Max: Die Leute sind einfach unfassbar blöd, dafür, dass sie heutzutage unglaublich viele Informationen haben können. Man setzt so Götzen wie Trump irgendwohin, der einfach nur ein Lappen ist. Die Leute brauchen so einfache billige Bilder von ihrem Backyard, wo sie einen über die Haufen schießen können, wenn er über den Zaun klettert. Gefährlich und öde,

Ihr seid schon eher die Ernsten von euren Themen her. Oder? 

Max: Für mich ist politisch eine Meinung haben. Für die meisten Leute ist es irrelevant geworden, weil sich nichts bewegt. Mich interessiert, wenn in meinem Umfeld Sachen passieren. Mich interessiert nicht, was Donald Trump macht. Irgendwann vielleicht, aber jetzt nicht.

Letzte Frage: Wie sehr nervt es euch, dass es über euch noch keinen Wikipedia-Eintrag gibt? Was sollte euer Meinung an erster Stelle stehen?

Felix (lacht): Anfang 20, gut aussehend.

Max: …und viele Haare auf dem Kopf.

 

Vielen Dank für das Gespräch. 

Fotos: © P. Wolflingseder