Die Berliner Kulturszene steht vor einer schwierigen Zukunft. Der Senat hat angekündigt, den Kulturetat um rund 130 Millionen Euro zu kürzen – ein Einschnitt, der viele Akteur:innen an ihre Grenzen bringt. Große Theater wie die Volksbühne, das Deutsche Theater und das Berliner Ensemble müssen mit Budgetkürzungen von bis zu 15 Prozent rechnen. Kleinere Bühnen, Clubs und Kultureinrichtungen wie das Ballhaus Ost oder das Radialsystem sind ebenfalls betroffen. Die Stimmung? Gereizt, um es milde auszudrücken.
Kultur als Sparschwein
Die Begründung des Senats klingt nüchtern: Berlin muss sparen. Finanzsenator Stefan Evers (CDU) erklärt:
„Wir haben ein Haushaltsloch von über 2 Milliarden Euro. Alle Ressorts müssen ihren Beitrag leisten.“
Die Schuldenbremse drückt – das Kulturressort soll 12 Prozent des Budgets einsparen. Doch viele in der Szene fragen sich, warum es ausgerechnet die Kultur trifft, die nur einen Bruchteil des Gesamtetats ausmacht.
„Drastisch und kurzsichtig“ – Reaktionen der Kulturszene
Die Reaktionen aus der Kulturszene sind heftig. „Das ist ein Schlag ins Gesicht aller, die Berlin zur Kulturhauptstadt machen“, sagt Klaus Dörr, Intendant der Volksbühne. Seine Befürchtung: weniger Produktionen, gestrichene Stellen, weniger Vielfalt.
Ähnlich äußert sich auch die freie Szene.
„Die Kürzungen treffen vor allem kleine Kollektive und Orte, die für die kulturelle DNA Berlins unerlässlich sind“, sagt ein Sprecher des Netzwerks Freie Szene Berlin.
Viele Einrichtungen könnten sich nach Jahren der Pandemie nicht noch weitere Einsparungen leisten. Einige Einrichtungen wie die Schaubühne kritisieren zudem die Signalwirkung. „Wie kann Berlin international glänzen, wenn wir die lokale Basis ruinieren?“, fragt Intendant Thomas Ostermeier. Besonders hart trifft es auch Projekte wie das Ballhaus Ost, das bereits angekündigt hat, geplante Produktionen zu verschieben.
Was bedeutet das konkret?
Die geplanten Kürzungen sind nicht abstrakt:
•Volksbühne: Kürzung von 3,2 Millionen Euro. Mögliche Folgen: Weniger Premieren, Abbau von Ensemble-Stellen.
•Berliner Ensemble: Budgetkürzung von 1,9 Millionen Euro. Geplante Inszenierungen könnten gestrichen werden.
•Freie Szene: Förderprogramme wie „Doppelpass“ und „Tanzpakt“ sollen gekürzt werden.
Auch international ausgerichtete Einrichtungen wie die Berliner Festspiele und das Haus der Kulturen der Welt müssen mit Einschnitten rechnen, was ihre Möglichkeiten, große Projekte zu realisieren, erheblich einschränkt.
Kunst trotzt der Krise: Gegenmaßnahmen und Proteste
Die Berliner Kulturszene bleibt nicht still. Am 13. November protestierten über 10.000 Menschen vor dem Brandenburger Tor. In einer symbolischen Aktion wurden „Kulturscheine“ verteilt – ein Hinweis darauf, wie wenig der Staat tatsächlich pro Kopf für Kultur ausgibt. Weitere Demonstrationen und Aktionen sind für Dezember geplant. Die Künstler:innen und Intendant:innen fordern zudem mehr Transparenz: „Wir verstehen, dass gespart werden muss, aber die Kürzungen müssen fair verteilt werden“.
Kein Einzelfall: Einsparungen in Bildung und Infrastruktur
Die Einsparungen betreffen nicht nur die Kultur. Auch im Bildungssektor werden Mittel gekürzt – unter anderem für Klassenfahrten. Im Bereich Straßenbau sollen vor allem Investitionen in Großprojekte reduziert werden. Während die Kulturszene leidenschaftlich für ihre Belange kämpft, bleibt fraglich, ob andere Bereiche ähnlich vehement für ihre Rechte eintreten können.
Kultur ist kein Luxus
Für viele Berliner:innen bleibt Kultur ein Grundnahrungsmittel – nicht nur ein Luxus. Die geplanten Einsparungen bedrohen die Vielfalt der Hauptstadt und damit auch ihre Identität. Der Kampf um die Gelder ist längst ein Kampf um den Charakter der Stadt. Dass sich dieser in den vergangenen Jahren nicht unbedingt zu Guten gewandelt hat, wird nun immer offensichtlicher. Ein Armutszeugnis.