Mit seinem Diplomfilm „Kohlhaas oder die Verhältnismäßigkeit der Mittel“ holte er sich 2012 gleich den Publikumspreis beim Max Ophüls Festival in Saarbrücken. Danach präsentierte Aron Lehmann, Absolvent der Babelsberger Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“, das Anarcho-Märchen „Die Letzte Sau“ mit Herbert Knaup, in dem ein schwäbischer Schweinebauern gegen die Agarfabriken kämpft.
Den ganz großen Coup landete der 37-jährige Filmemacher beim diesjährigen Münchner Filmfest. Seine an Cyrano de Bergerac angelehnte Jugend-Komödie „Das schönste Mädchen der Welt“ wurde von Publikum und Presse so einmütig gefeiert, wie selten ein Film in diesem Jahr. Die dem Regisseur unterhielt sich [030] Mitarbeiter Dieter Oßwald.
Herr Lehmann, in Ihrem Film „Die letzte Sau“ heißt es einmal: ‚Die Welt ist ein scheißdunkler Ort. Deshalb müssen wir Leuchtfeuer anzünden. Dann sehen es die anderen vielleicht irgendwann auch’. Sehen Sie Ihre philosophische Popcorn-Komödie als solch ein Leuchtfeuer?
Ich hoffe, dass unser „Mädchen“ ein Ausrufezeichen setzt in punkto, was kommerzielles Kino auch bieten könnte. Wie gut das funktioniert wird sich erst in den nächsten Wochen beim Publikum entscheiden. Auf jeden Fall freue ich mich, dass ein großer Verleih wie Tobis daran geglaubt hat, dass man kommerzielles Kino mit jungen Regisseuren aus dem Arthaus-Bereich paaren kann.
Wäre das passende Motto demnach: Fuck You, „Fack ju Göhte“?
Man kann die beiden Filme nicht miteinander vergleichen. Das eine ist eine Satire. Und wir sind ein Liebesfilm. Wenn ich höre, Bora Dagtekin müsse sich jetzt warm anziehen, ist das völliger Quatsch. Von seinen siebeneinhalb Millionen Zuschauern mit „Göthe“ können wir nur träumen.
Auf dem Filmfest München wurde Ihr Film frenetisch gefeiert wie kaum ein anderer. Sind Ihnen diese ganzen kollektiven Lobeshymnen mittlerweile nicht ein wenig unheimlich?
Da gibt es Schlimmeres im Leben! (Lacht) Ich werde hoffentlich noch viele Filme drehen, und die Reaktionen werden sicher nicht immer so positiv ausfallen. Deshalb genieße ich das und freue mich vor allem auch für unsere jungen Talente. Mit diesen unglaublich starken Typen haben wir sehr wahrscheinlich ein paar neue Stars für das Kino entdeckt.
Ihre Filme fallen durch ungewöhnliche Titel auf. Wie wichtig sind solche Überschriften für einen Film?
Diesen Titel gab es bereits als ich das Drehbuch bekam. Wir haben viel diskutiert, ob Jungs das auch cool finden. Aber ganz egal, ob man den Titel nun mag oder nicht, er bleibt einfach hängen. Am meisten gefällt mir, dass wir die Erwartungen des Titels im Film nicht bestätigen: Es geht ja gerade darum, dass Äußerlichkeiten nicht das Entscheidende sind im Leben. Und deshalb jedes Mädchen das schönste Mädchen der Welt sein kann in den Augen der Person, die es liebt.
Jugendsprache klingt im Kino bisweilen so aufgesetzt und affig wie das „Jugendwort des Jahres“. Wie gelingt der authentische Klang?
Man muss sich die richtigen Leute dafür suchen. Unsere Autorin Judy Horney hat die Dialoge sehr stimmig poliert. Für die passenden Beats sorgte Musikproduzent Konstantin Scherer, der unter anderem auch für Sido und Bushido arbeitet. Die Texte der Song-Battles schließlich kamen von Robin Haefs, der als Ghostwriter für verschiedene HipHop-Sänger schreibt. Solche Leute sind einfach am Puls und wissen, wovon sie sprechen.
Welchen Einfluss hatten die jungen Darsteller?
Für mich hat es sich bewährt, wenn Schauspieler nach einer abgedrehten Sequenz dieselbe Szene nochmals nach ihren eigenen Vorstellungen spielen können. Gerade jungen Darstellern nimmt das die Angst, etwas falsch zu machen. Meinen Job als Regisseur sehe ich darin, Schauspielern die Freiheit zu verschaffen, ihren Intuitionen und Emotionen folgen zu können. Nichts fände ich langweiliger als Darsteller, die nur das machen, was ich ihnen vorgebe.
Ist die Besetzung mit YouTube-Stars und Influencern das neue Marketing-Mittel?
Im Unterschied zu „Bruder vor Luder“ mit den Lochis sind die YouTuber bei uns ja nur Teil des Films. Wir haben nach Menschen mit Talent und Zugang zu ihren Gefühlen gesucht. Ich fände es fahrlässig, in dieser Altersgruppe nicht nach YouTubern Ausschau zu halten. Die haben keine Scheu vor der Kamera und ganz große Lust, sich darzustellen.
Wie bekommt man Anke Engelke als Darstellerin?
Anke ist enorm gut informiert über das deutsche Kino und kannte tatsächlich alle meine Filme. Natürlich sagt sie zunächst: ‚Ich kenne dieses Spiel, ihr wollt mich haben, weil ihr einen Promi-Namen fürs Poster braucht.‘ Darauf sagte ich, ich wolle sie vor allem deshalb, weil ich jemand brauche, der Komödie kann, der zugleich in die Tiefe geht und den man von Anfang an mag. Aus diesem Grund liebe ich Schauspieler wie Robin Williams, Jim Carrey oder Adam Sandler in ihren ernsten Rollen. Wer „Mädchen“ sieht, wird sofort erkennen, wie perfekt Anke ist: Ich bekomme noch immer Gänsehaut bei der finalen Mutter-Sohn-Szene. Das war eine richtige Offenbarung.
Wird es die Nase von Cyril als Marketing-Mittel geben? Als Bekenner-Zeichen für wahre Schönheit kommt von innen?
Das sollten wir auf jeden Fall noch überlegen. Die Form für die Nase ist ja bereits vorhanden. Man müsste nur noch Abdrücke gießen….
‚Das schönste Mädchen der Welt‘ kommt am 6. September in die Kinos.
Poster-Artwork: © TOBIS