Wer nach der letzten Ausgabe im März krasse Shows mit extravaganten Inszenierungen à la Jack Irving und Andrey Bartenev erwartet hat, kam dieses Mal vielleicht nicht auf seine Kosten. Dafür gab es aber wie gewohnt Mode fernab der klassischen Prêt-à-porter-Designs.
Von durchaus tragbaren Outfits bis hin zu wahren Kunstwerken, von Schwarz-Weiß bis Knallbunt und von hauchzarter Spitze bis zu rockigem Leder war alles vertreten. Wir fassen zusammen.
REUSE:it Show
Die REUSE:it Show startete am Freitagabend mit Angel Muktan. Weite Schnitte, Zweiteiler im Pyjama-Stil und Patches bestimmten die Outfits der Models, die sich am Ende des Laufstegs jeweils einen Teddybären oder eine Kuscheldecke vom Bett nahmen und damit dann wieder zurück liefen. Nette Idee, aber auch nicht so spektakulär.
Wie schon in der letzten Saison überzeugte das dänische Label A.M. Victoria mit Kreationen in Grau, Schwarz und Weiß. Raffinierte Cut-out- und Bänderdesigns, Zierknöpfe und ganz viele Streifen ergaben mal knappe, knallenge, mal voluminöse, legere Outfits.
Bei Nation wurde es dann deutlich ausgefallener und farbenfroher: Es gab afrikanische Einflüsse in Form von Prints, Leder, Fransen, Geweihen und Federn zu sehen.
Hærværk ist noch ein ganz junges Label und wurde vom RCA-Absolventen Niels Gundtoft Hansen gegründet. Die Kollektion symbolisiert die urbane Geschichte von Rebellen, die zwischen Containern abhängen und auf Vandalismus aus sind. Dementsprechend sind auch die Designs sehr kraftvoll und markant.
Denim Project blieb seinem Stil treu und brachte uns alltagstaugliche Looks mit coolen Twists. Nice.
tHERAPY + recycle and exorcise zeigte uns buchstäblich den Mittelfinger. Leder, derbe Boots, viel nackte Haut und ein Model, das sich erst mal in Ruhe eine Zigarette auf dem Laufsteg anzündet: Hier trifft Punk auf Fashion — mit musikalischer Untermalung der Punk-Rock-Band Eat Lipstick.
Alchemy Shows
Ob Fische die Lieblingstiere von Juliëtte Heijnen sind? Auf jeden Fall drehte sich bei der Kollektion der niederländischen Designerin alles um die Wirbeltiere. Waffelpiqué, kontrastfarbene Netze, Stofftierfische, U smell fishy-Prints und Bommeln sorgten für einen Mix aus kindlich-verspielt und lässig-cool. Inklusive Gute-Laune-Faktor!
Die Kreationen des serbischen Designers George Styler haben es schon in Magazine wie Vogue, Harper’s Bazar und Elle geschafft. Zurecht! Jedes Design ist einzigartig, detailverliebt und extravagant. Mit einem Hauch Ethno-Flair, einer großen Portion Glitzer und leicht gruseligen Latexmasken entstehen echte Kunstwerke.
Es ist natürlich Geschmacksache, aber der größte Tata Christiane-Fan werd ich wahrscheinlich nicht mehr werden. Ein paar Teile der neuen Kollektion fand ich dann aber doch ganz cool. Doodles, Hand- und Raubtier-Motive und Perücken ergaben ein buntes Durcheinander.
Nicholas Nybro zelebrierte mit der Kollektion „more than a number“ das Alter und brachte uns Pullis mit Statements wie „old“, „above average age“ und „twice as old twice as fab“. Passend dazu führten auch einige ältere Ladies und Herren im besten Alter die Mode vor — darunter auch der berühmt berüchtigte Komet Bernard. Samt, Satin und Mesh in Gold, Pink und Gelb trafen auf Perlen, Volants und Rippbündchen.
Raw Cut Edges, Zierbänder und überlange Ärmel: Die Kleidung von Nika Tom wirkt unkonventionell und improvisiert — aber auf eine coole Art und Weise.
Wattierungen, große Silhouetten und eine reduzierte Farbpalette lassen die Kreationen von Zwyrd selbstbewusst und cool wirken. Die Masken waren vielleicht etwas creepy, aber ansonsten enthält die Kollektion auf jeden Fall tragbare Klamotten für Fans des sportlichen Streetstyle-Looks!
Die polnische Designerin Edyta Jermacz macht extravagante, düstere Demicouture und ergänzt sie mit verspielten Troddeln, Puscheln an den Schuhen und Brillen mit 90ies Flair. Das Ergebnis? Eigenwillig und faszinierend.
Das 2015 gegründete Osloer Label Kit Wan spielt mit Stoffen, Mustern und Schnitten. Die Kreationen sind wild, konfus und mystisch — besonders durch die Inszenierung auf dem Laufsteg. Durch die düstere Musik und die im Kreis laufenden Models wirkte das Ganze wie ein Ritual, das mitten in der Nacht bei aufziehendem Gewitter stattfindet.
T-Shirt in den Schlüpfer gesteckt, Handtuch über die Schultern geworfen und ab auf den Laufsteg. Komet Bernhard zog einen ausgefransten Grobstrickpulli zu Boxer Briefs an, ein anderes Model trug einen Hoodie mit Kapuze im Narrenkappen-Stil zu Glitzershorts. 8DIX nimmt sich selbst nicht so ernst, was aber nicht heißt, dass die Mode ohne Aussage sei. Im Gegenteil: Das Label sieht sich als (kunterbunter) Spiegel der Gesellschaft.
Psychedelische Prints auf hautengen Kreationen mit einem Hauch Techno: Die Designs der australischen Designerin Nixi Killick zeigen sowohl Züge ihres Zirkus-Backgrounds als auch Einflüsse aus Kunst und Natur.
Samsara Collections treibt aktuelle Trends auf die Spitze: Überdimensionale Fledermausärmel, superweite Hosen mit riesigen Knieschlitzen, extragroße Cut-outs an den Schultern, Mega-Reißverschlüsse und nach außen gekehrte Hosentaschen treffen auf sportliche Logobündchen. Es entsteht ein Look, der edgy und lässig zugleich ist.
Tzuji, das Label des Musikproduzenten, DJs und Designers Larry Tee, setzt wie immer auf den perfekten Mix aus bequem und provokativ. So wurde beispielsweise ein femininer Spitzenoverall mit einem Oversize-Lackmantel gestylt. Ansonsten gab es coole Prints, Vintage-Lederjacken in Sprayed-Optik, T-Shirt-Kleider und Männer in Lederleggings zu sehen. Auch die Inszenierung war eine spannende Kombi aus Landschaftsvideos im Hintergrund, betont langsam laufenden Models und Partymusik.
Exzentrisch, verrückt, originell: Auch in dieser Saison überzeugt das Label ZL by Zlism aus Hong Kong wieder mit seinem ganz eigenen Stil. Man sieht es den Kreationen an, dass es die Designerin Zoie Lam liebt, zu zeichnen und sich damit in ihre eigene kleine Gute-Laune-Welt zu träumen. Süß und cool!
Kunterbunter Abschluss der BAFW: Patricia Field. Die New Yorkerin und Kostümdesignerin von Sex and the City hatte gleich acht Designer im Gepäck. Dementsprechend abwechslungsreich war auch die Show. Im Schwarzlicht leuchtende Prints, Nietenjacken, Tüllröcke, eine gruselige Bunny-Maske und Lederkleider mit gepiercten aufgemalten Nippeln — ein roter Faden war nicht zu erkennen, dafür aber jede Menge Spaß an der Mode. Ein schönes Finale für eine tolle Fashion Week. Wir freuen uns schon auf die nächste!
Text: Maike Bartsch