Von Null auf Dreizehn: 2014 sprengte das Debütalbum „Amore“ der Wiener Rockband Wanda die deutschsprachigen Musikranglisten. Mittlerweile sind sie bei Album Nummer 3 – und die Erfolgslawine nimmt kein Ende. Wir trafen Sänger Marco und Gitarrist Manuel auf ein Bierchen im Hinterzimmer einer verrauchten Kreuzberger Kneipe. Es ging um Sprachkunst, Rechtspopulismus und die gefährliche Blase, die sich Internet nennt.
In den Songs eures jetzigen Albums „Niente“ stößt man wieder auf italienische Wörter und Zeilen. Woher kommt eigentlich diese Affinität für die Sprache?
Marco: Weiß keiner so richtig, ich bin zumindest halb italienisch. Und man nimmt da viel mit. Gerade als Kind. Zum Beispiel die Musik. Italiener spielen extrem viel italienische Musik im Radio. Vor allem in den 80ern und 90ern. Jeder Österreicher hat diesen italienischen Singsang im Ohr. Andere Wiener Künstler spiegeln das auch wider: Der Nino aus Wien zum Beispiel. Auch schon Rainhard Fendrich, selbst Falko. Das ist Teil unserer Kultur.
Manuel: In Österreich reiste zudem in den 90ern jede Familie, die sich Urlaub leisten konnte, einmal im Jahr nach Italien. Dadurch ist eine große Beziehung zu dem Land entstanden.
Wie wichtig ist euch Symbolik in euren Texten?
Marco: Signalworte sind einfach ein Stilmittel. Ein Ausdrucksmittel. Symbolik ist ja eine tiefere Lehre, mit der ich mich in meinem Studium der Sprachkunst viel beschäftigen musste. Und ich habe sie noch lange nicht zu Ende studiert. Wenn man diesbezüglich wirklich etwas verstehen will, muss man sich mit Carl Gustav Jung beschäftigen, ungefähr 10 Jahre lang. Und mindestens genauso lang mit Marco Wanda.
Marco, inwiefern hat dich dein Studium der Sprachkunst geprägt?
Marco: Bevor ich studiert habe, war ich in meinem Umfeld der Einzige, der geschrieben hat. Und auf einmal waren da dann 15 andere junge Menschen, die das Schreiben genauso liebten. Das war unglaublich. Das war das erste große Ankommen in meinem Leben. Ich vermisse es manchmal sehr. Ich habe das Studium selbst tatsächlich aber nie abgeschlossen. Sonst wär ich jetzt Akademiker. Ich habe die Abschlussarbeit geschrieben, aber nicht abgegeben.
Manuel: Urcool. Das muss man erstmal hinlegen.
Ihr bezeichnet euch selbst als nicht besonders politisch. Seid ihr damit unpolitisch?
Marco: Ich definiere politisch sein als Form von Aktivismus. Politisch ist jemand, der Teil einer politischen Bewegung ist, egal ob Partei, Firma oder Bürgerrechtsbewegung. Ich bin weder beim einen, noch beim anderen engagiert.
Geht ihr wählen?
Beide: Ja, natürlich!
Marco: Dafür sind so viele Menschen gestorben, das muss man schon ehren.
Bei uns ist ja gerade Wahlkampf. Habt ihr schon Plakate gesehen?
Marco: Ja, ich sehe ständig einen Mann mit Brille und Pausbäckchen, ich weiß nicht mal wie der heißt. (Anm. d. Red.: Martin Schulz)
Ich habe euch ein paar Bilder von Wahlplakaten mitgebracht. Als Österreicher seid ihr politisch einiges gewöhnt. »Bikinis statt Burka«. Könnte das auch von der FPÖ sein?
Manuel: Sowas will ich mir fast nicht anschauen. Das ist einfach so doof.
Marco: Die FPÖ operiert anders. Seriöser. Die AfD scheint junge Leute ansprechen zu wollen, zumindest mit der Art der Plakate. Die Inhalte sind im Endeffekt sicherlich deckungsgleich, jeder weiß ungefähr, wofür solche Parteien stehen. Das ist austauschbar. Aber wenn man die Sache ganz nüchtern betrachtet, kann man diese Parteien natürlich nicht gleichstellen. Die FPÖ ist leider eine sehr etablierte Partei, die AfD ist neu im Business. Dadurch hat die FPÖ auch eine andere, eine viel stärkere Wirkkraft.
Manuel: Ich halte es für sehr clever, sich seine politische Meinung außerhalb der Wahlkampfzeiten zu bilden.
Ihr wurdet schon öfter wegen mangelnder Political Correctness angeprangert, wie geht ihr mit solchen Vorwürfen um?
Marco: Ich kann mich nun mal nicht mit jedem hinsetzen, der glaubt, ich bin ein Arschloch. Ich würde es gern, ich bin ein netter Mensch. Aber ich habe die Möglichkeit nicht. Wenn man so fucking berühmt ist, wie wir, wird man halt an allen Ecken missverstanden. Wir sind eine Projektionsfläche. In uns liest man so viel hinein. Wer sich darin findet – bitte. Wir haben einen Gesellschaftsauftrag und der bezieht es mit ein, dass man auch abgelehnt wird. Das muss sein. Wenn jemand in der Ablehnung von uns seine Haltung festigt oder findet, dann finde ich das wundervoll.
Marco, du hast ja kein Internet. fühlst du dich da in irgendeiner Form bei einer gesellschaftlichen Entwicklung ausgeschlossen?
Marco: Ich weiß wahrscheinlich mehr als ihr, ich les nämlich Zeitung. Ich lese eine differenzierte Analyse des Weltgeschehens und nicht irgendeinen Post von irgendeinem Blogger, der mir erklärt, was in seinem schizophrenen Hirn los ist.
Auch sonst seid ihr nicht übermäßig in sozialen Netzwerken vertreten. Habt ihr das Gefühl, das ist für euch als Band ein Nachteil?
Marco: Wir laufen eher über Mundpropaganda, so kommt es mir vor. Das finden wir auch cool so. Wenn uns irgendjemand live sieht und es ihm gefällt, dann erzählt er das schon weiter. Den Rest machen eben die Millionen Bestechungssummen für Artikel. Das machen dann Leute für uns.
Manuel: Diese Blase, in die man da hineingeraten kann, ist lebensverfälschend und bedrohend. Deshalb muss man sehr vorsichtig damit sein. Da kommt man schwer wieder raus.