Das britische Duo Memorials, bestehend aus Verity Susman und Matthew Simms, erkundet in seinem neuen Projekt die Möglichkeiten gemeinsamer Kreativität und analoger Klangästhetik.
In einem Gespräch erinnert sich Susman an die erste Diskussion über die Gründung von Memorials: „Wir dachten, dass wir uns gut ergänzen.“ Sie lacht, als sie die Formulierung „komplementäre Fähigkeiten“ verwendet und scherzt, dass es eher nach einem Bürojargon klingt. Doch letztendlich sei es ein Prozess, bei dem man erst beim tatsächlichen Arbeiten herausfindet, ob die Chemie stimmt. Beide Musiker bringen reichlich Erfahrung aus vorherigen Projekten mit. Susman war Gründungsmitglied der einflussreichen Band Electrelane, während Simms seit 2010 Gitarrist der legendären britischen Post-Punk-Band Wire ist. Ihr gemeinsames Projekt Memorials schlägt jedoch eine ganz andere Richtung ein: Ihr Sound bewegt sich zwischen hypnotischem Avant-Pop, kaleidoskopischen Klangtexturen und einer experimentellen Ästhetik, die an Bands wie Broadcast und Stereolab erinnert – mit einem ganz eigenen, rebellischen Geist.
Analoge Sounds für das Gefühl
Ihr Debütalbum „Memorial Waterslides“ zeigt eindrucksvoll, wie viel kreatives Potenzial in ihrer Zusammenarbeit steckt. Beide Musiker:innen bringen unterschiedliche Stärken ein: Susman konzentriert sich auf Keyboard, Klavier und Gesang, während Simms Gitarre, Bass und Schlagzeug bedient. Diese Vielseitigkeit ermöglicht es dem Duo, eine breite klangliche Palette abzudecken und dabei einen einzigartigen Stil zu entwickeln. Besonders prägend für den Sound von Memorials ist ihre Vorliebe für analoge Aufnahmegeräte, insbesondere Reel-to-Reel-Bandmaschinen, die sie sowohl im Studio als auch bei Live-Auftritten einsetzen. Der Einsatz dieser Technik verleiht ihren Songs eine ätherische, körperlose Qualität, die sich deutlich von digital produzierter Musik abhebt.
Von geisterhafter, traumartiger Atmosphäre zum Pop-Appeal
Das Album „Memorial Waterslides“ greift die geisterhafte, traumartige Atmosphäre früherer Arbeiten von Memorials auf und nähert sich gleichzeitig dem Pop-Format an, ohne die experimentelle Seite zu verlieren. Ein wichtiger Bezugspunkt ihrer Arbeit ist die Kunstinstallation „Precious Liquids“ von Louise Bourgeois, die sie als Inspiration für ein Auftragswerk des Centre Pompidou in Paris nutzten. „Die Dunkelheit und der Humor in Bourgeois’ Werk haben uns angesprochen“, erklärt Susman. Besonders faszinierend sei, wie umfassend und vielschichtig die Installation sei – ein Aspekt, den Memorials auch in ihrer Musik aufgreifen. Susman und Simms sehen ihre Musik als eine Art akustisches Erinnerungsstück, das Traum, Realität und Vergangenheit miteinander verschmilzt.
Der Arbeitsprozess im Studio unterstreicht diesen Ansatz. Ihr Studio befindet sich in einer kleinen Garage, die sie scherzhaft als „Gartenhütte“ bezeichnen. Simms beschreibt es als einen Kontrast zu modernen Laptop-Studios: „Wir sind kein professionelles Studio, aber wir haben schöne, alte Bandmaschinen.“ Die „Hütte“ symbolisiert für sie die Rückkehr zu den Wurzeln des Musikmachens – weg von digitalen Tools hin zu einem handwerklichen Ansatz, bei dem die Musiker:innen mit ihren analogen Geräten etwas Einzigartiges erschaffen. „Es gibt kein Fenster“, fügt Simms hinzu, „keinen Ausweg.“ Für Susman hat dieser Prozess etwas Erdendes: „Man ist einfach da draußen mit seinen Werkzeugen und versucht, etwas zu schaffen.“
Klanglandschaften, improvisiert und durchdacht
Die Musik von Memorials verkörpert genau diese Philosophie. Ihre Songs sind sorgfältig komponierte Klanglandschaften, die zugleich improvisiert und durchdacht wirken. Sie spielen mit dem Spannungsverhältnis zwischen Struktur und Freiheit, Pop und Experiment. Dabei schaffen sie eine Musik, die nostalgisch, aber zugleich futuristisch klingt – eine Art Denkmal in Klangform, das die Erinnerung wachhält und neue Horizonte eröffnet. „Memorial Waterslides“ zeigt, wie Memorials es schaffen, sowohl intime als auch monumentale Klangwelten zu erschaffen. Mit ihrem einzigartigen Stil und ihrer Hingabe zu analoger Technik erinnern Susman und Simms daran, dass es oft die handwerkliche Arbeit ist, die Kunst mit Bedeutung und Tiefe auflädt.
Memorials spielen live am 18. Januar live in der Kantine am Berghain.