Mit „Shikun“ präsentiert der israelische Regisseur Amos Gitai ein anspruchsvolles Drama, das sich mit gesellschaftlichen Spannungen und dem Streben nach Individualität in einer konformistischen Welt auseinandersetzt. Der Film ist inspiriert von Eugène Ionescos Theaterstück „Die Nashörner“ und setzt dessen metaphorische Erzählweise auf den israelischen Kontext um.
Handlung
Der Film spielt in einer heruntergekommenen Wohnsiedlung im Süden Israels. Diese Siedlung, genannt „Shikun“, ist Heimat einer Vielzahl von Charakteren, die unterschiedliche soziale und kulturelle Hintergründe repräsentieren. Die Figuren kämpfen mit alltäglichen Herausforderungen: finanzielle Sorgen, familiäre Konflikte und die ständige Angst vor gesellschaftlicher Ausgrenzung. Im Mittelpunkt stehen zwei Hauptfiguren: Zohar, ein alternder Lehrer, der zunehmend desillusioniert ist, und Tamar, eine alleinerziehende Mutter, die sich um das Wohl ihres Kindes sorgt. Ihre Geschichten verweben sich mit den Episoden anderer Bewohner, die versuchen, ihren Platz in einer sich verändernden Welt zu finden. Gitai verwendet lange, ungeschnittene Einstellungen, um den Alltag der Bewohner in seiner ganzen Langsamkeit und Tristesse einzufangen. Dabei nutzt er die Wohnsiedlung als Metapher für die israelische Gesellschaft: ein Ort voller Spannungen, Widersprüche und Konflikte, aber auch voller Menschlichkeit und Hoffnung.
Unsere Kritik
„Shikun“ ist kein einfacher Film. Kritiker loben Gitais Mut, ein solches Werk zu schaffen, das die Zuschauer herausfordert und zum Nachdenken anregt. Der Film bietet keinen klassischen Spannungsbogen, sondern eine lose Aneinanderreihung von Episoden. Diese Erzählweise hat sowohl Befürworter als auch Kritiker. Gelobt wird vor allem die Fähigkeit des Films, eine authentische Atmosphäre zu schaffen. Die Dialoge wirken realistisch und ungezwungen, die Figuren sind glaubwürdig und vielschichtig. Gleichzeitig wird bemängelt, dass die Vielzahl an Handlungssträngen und Charakteren dazu führen kann, dass der rote Faden verloren geht. Manche Zuschauer könnten sich überfordert fühlen, da der Film keine einfachen Antworten liefert. Die metaphorische Ebene des Films – insbesondere der Bezug zu „Die Nashörner“ – wird von einigen Rezensenten als genial, von anderen als zu verkopft empfunden. Gitais Gesellschaftskritik richtet sich vor allem gegen Intoleranz, Konformismus und die wachsende Kluft zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen in Israel.
Lohnt der Film?
„Shikun“ ist ein anspruchsvolles Drama, das sich vor allem an ein kunstaffines Publikum richtet. Es ist ein Film, der fordert, aber auch belohnt – mit tiefgründigen Gedanken über gesellschaftliche Strukturen und individuelle Verantwortung. Wer bereit ist, sich auf die essayistische Erzählweise einzulassen, wird einen faszinierenden Blick auf die israelische Realität erhalten.
Shikun
Regie: Amos Gitai
Darsteller: Lior Ashkenazi, Yael Abecassis
Laufzeit: 127 Minuten