Wes Cravens' Meta-Slasher „Scream“ wird dieses Jahr 20. Grund genug, ihn noch einmal auf der großen Leinwand sehen zu wollen. Creepy Crypt – erinnernd an die Comicreihe „Tales from the Crypt“ der 50er oder die gleichnamige amerikanische Fernsehserie der 80er Jahre – ist eine Horrorfilmreihe, die jeden Samstag in der Spätvorstellung des Neuköllner Rollberg Kino stattfindet, und derzeit die einzige ihrer Art in Berlin. Ich treffe mich mit Initiator, Kurator und Filmvorführer und somit schon fast Universalgenie Daniel Schuh, um über den logistischen Aufwand so eines Projekts, über deutsches Genrekino, über Indizierungen und natürlich den Horrorfilm an sich zu sprechen.
Hast du eine Originstory? Wie kamst du dazu, eine Filmreihe und genauer eine Horrorfilmreihe aufzuziehen?
Ich arbeite für die Yorck Kinos, allerdings in der Verwaltung und nicht den Kinos direkt und ich bin großer Horrorfilmfan. Ich habe wirklich schon immer, seit ich sehr jung war Horrorfilme geguckt. Es gab mal eine Horrorfilmreihe in einem anderen Kino in Berlin und die gab es dann eine ganze Weile nicht und ich finde Zuhause am Computer oder auf dem Fernseher Horrorfilme zu gucken ist schade, dafür sind die eigentlich nicht gemacht. Ich mach dann zwar immer alles dunkel, zieh die Vorhänge zu, aber es ist nicht das selbe, ich möchte diese Filme immer gerne im Kino sehen. Also entstand das eigentlich zunächst total aus Eigennutz. (lacht) Ich bin aber natürlich froh, dass andere Leute die Filme dann auch gucken können und gucken wollen. Es ist auch immer ganz lustig, wenn von anderen Leuten dann ganz andere Reaktionen auf den Film kommen oder die Leute sich an Stellen erschrecken, an denen ich mich nicht erschrecke. Filme gemeinsam im Kino zu sehen ist immer ein besonderes Erlebnis und es gibt so viele Horrorfilme, die es schwer oder gar nicht auf die große Leinwand schaffen.
Du hast im Programm eine sehr bunte Mischung aus Festivalfilmen, die man nicht so leicht im Kino findet, aus aktuellen Kinofilmen und aus Klassikern. Gibt es einen kuratorischen Gedanken, der hinter alledem steht?
Den gab es am Anfang tatsächlich, den hab ich aber dann ziemlich schnell wieder über Bord geworfen. Anfangs wollte ich zum Beispiel einmal im Monat einen deutschen Horrorfilm zeigen. Leider haben die oft ein niedrigeres Produktionsniveau oder verabeiten Geschichten, die es schon in anderen Filmen gab und es gibt halt auch einfach zu wenige. Ich hab selber einmal bei einem deutschen Horrorfilm namens Beyond Remedy mitgewirkt und die hatten damals einfach alle populären Geschichten in eine verworben, also Killer, gruseliges Kind und so weiter. Ich schließe deutsche Horrorfilme natürlich überhaupt nicht aus, aber jeden Monat einen zeigen zu wollen hat mich zu sehr eingeengt, das war ein sehr hochgestecktes Ziel. Jetzt soll aber zum Beispiel einmal im Monat ein Klassiker laufen, vor Allem da ich festgestellt habe, dass es das ist, was die meisten Leute sehen wollen. Der erste davon war The Fog, damals waren 80 Leute da, das war die bisher bestbesuchte Vorstellung.
Erinnerst du dich an die am schlechtesten besuchte Vorstellung?
Das war glaub ich Die Präsenz, auch ein deutscher Film. (lacht)
Hast du denn damals den Anspruch gehabt, deutsches Genrekino ein bisschen zu unterstützen? Das hat es ja mit der Filmförderung und den Filmvertrieben hierzulande oft etwas schwierig.
Das würde ich natürlich gerne und wenn sich etwas anbietet, dann zeig ich es auch. Aber oft fehlt es auch einfach an der Qualität. Mir wurde auch schon ein Film vom Regisseur selbst eingereicht, in dem dann seine Schwester die Hauptrolle spielt und das war halt miserabel. Ich versuche schon, ein gewisses Qualitätslevel zu halten, was bei deutschen Horrorfilmen nicht immer leicht ist. Die Präsenz fand ich zum Beispiel auch selbst ziemlich grottig. (lacht)
Hast du noch deutsche Horrorfilme der jüngeren Vergangenheit im Kopf, die man mal zeigen könnte?
Blutgletscher ist glaub ich ganz gut, dazu hab ich den Trailer gesehen, sogar mit gut gemachten CGI-Effekten. Hell ist halt schon ein bisschen mehr Thriller als Horrorfilm, aber den hatte mir auch eine Kollegin schon vorgeschlagen. Da muss ich aber nochmal nach den Rechten gucken.
Da du vorher schon für die Kinos gearbeitet hast, kanntest du dich mit den logistischen und rechtlichen Situationen aus?
Nein, tatsächlich nicht so ganz. Das Problem ist, dass das Programm bei uns eine Person macht und der lässt sich nicht so gerne über die Schulter gucken. Ich hab aber eine Kollegin im Büro, die sich da auch sehr gut auskennt und mich gerne unterstützt hat. Und wenn man dann mit den Leuten allen ein paar Mal telefoniert hat, weiß man auch, wie es läuft. Ich gehe immer zuerst davon aus, was ich gerne zeigen würde. Dann versuch ich herauszufinden, ob es überhaupt jemanden gibt, den ich fragen kann. Irgendwann wiederholt es sich dann. Unterschiedliche Verleihe haben aber auch unterschiedliche Preisvorstellungen und da ich nur 7.50 Euro Eintritt nehme, ist das im Endeffekt oft ein plus/ minus Null-Geschäft. Es geht mir aber auch nicht darum, irre Gewinne zu machen. Die Klassiker laufen, die kriegt man aber lustigerweise gleichzeitig am Billigsten. Alles in Allem bin ich aber zufrieden, wenn es plus/ minus Null ausgeht. Ich hab ja auch im Frühling angefangen, weil es vorher leider nicht geklappt hat und hoffe jetzt, dass es im Herbst/ Winter vielleicht noch mehr wird, dann ist auch eher Kinosaison. Dementsprechend hab ich auch jetzt im August eher Titel genommen, die im Einkauf billig sind, damit es nicht so schlimm ist, falls keiner kommt. (lacht)
Die verrückteste Geschichte war neulich, dass ich an Halloween Halloween zeigen wollte und feststellen musste, dass in Deutschland niemand mehr die Rechte an diesem Film hat. Die hatte mal Warner, jetzt sind sie ausgelaufen und jetzt hat sie keiner. Das ist schon absurd, das ist ein absoluter Klassiker der Horrorfilmgeschichte und man kann ihn theoretisch in Deutschland nicht im Kino zeigen. Das ist mit vielen Filmen so. Es gibt auch in Deutschland keinen Rechteinhaber für Pulp Fiction. Die Rechte sind also schon die größte Hürde. Aber so langsam hab ich da mit allen wichtigen Leuten schon öfter gesprochen und die finden mich ganz okay.
Kannst du sagen, wann du angefangen hast, dich für Horrorfilme zu interessieren? Gab es einen bestimmten Horrorfilm, der dich besonders geprägt hat?
Ich komme aus dem Süden von Deutschland und beim SDR gab es früher mal jeden ersten Freitag im Monat oder so eine Horrorfilmnacht, wo Boris Masurke in zombiemäßiger Schminke und Deko zwischendurch Witze gemacht und die Filme anmoderiert hat. So wie Elvira oder Vampira in den amerikanischen Vorbildern. („Die lange Masurke Filmnacht“ im SDR, Anm. d. Red.) Dann hatte ich einen Kumpel, mit dem ich immer zur Videothek bin, damals gab es ja noch Videotheken. Und ich kannte den Besitzer und diese ganzen unheimlich schlechten italienischen Kannibalenfilme, die ja teilweise indiziert waren, hatte der hinter der Theke in einem Karton und die durften wir uns dann mal ausleihen, obwohl wir noch nicht 18 waren. So hat das angefangen. Ich finde, Horror ist einfach das unterhaltsamste Genre. Man muss da nicht immer viel erwarten, diese Kannibalenfilme waren auch unheimlich langweilig, weil da 70 Minuten lang nichts passiert und die stapfen durch den Dschungel und dann werden sie gefangen und es gibt ein paar Morde und dann wird teilweise die selbe Mordszene im nächsten Film noch einmal verwendet, dazwischen so komische Tierdokuaufnahmen… (Daniel spricht vom sogenannten Mondofilm, Anm. d. Red.) Unglaublich schlecht, aber irgendwie hat's immer Spaß gemacht. Ich hab wirklich Alles geguckt. Ich glaube, mein allerliebster Horrorvillain, der auch Poster in meinem Kinderzimmer hatte, war Freddy Krüger. A Nightmare on Elm Street konnte ich hoch und runter gucken, Hellraiser war auch immer einer meiner Lieblingsfilme, owohl das aus heutiger Sicht eher die Mainstream Filme sind. Aber ich hab auch den Trash hoch- und runtergeguckt. Damals konnte man ja auch auf Ebay noch tatsächlich Sachen für wenig Geld ersteigern. Wenn man Glück hatte und die Auktion nicht gemeldet und rausgenommen wurde, konnte man da auch indizierte Filme erwischen.
Apropos Index: Evil Dead wurde ja vor ein paar Tagen erst wieder freigegeben. Verrückt oder?
Ja, das passiert in letzter Zeit oft. Bei Reanimator ja auch. Ich hoffe, dass es irgendwann mal mit Braindead passiert. Ich glaube, die haben damals unheimlich viele Filme unberechtigterweise auf den Index gesetzt. Ich wollte jetzt auch gerne Halloween 3 spielen, weil der ja aus der Reihe fällt und eigentlich für sich steht. Da kommt ja Michael Myers gar nicht vor. Da hab ich auf der Hülle gelesen, dass der auch kürzlich erst vom Index genommen wurde. Und der ist jetzt ab 16. (lacht) Wie kann das denn sein, dass das damals noch so schlimm war und jetzt kann man den Film mit 16 kaufen? Das Einzige, was daran hindert, die Filme vom Index zu nehmen, ist die Tatsache, dass halt irgendjemand das Geld zahlen muss, sie nochmal neu prüfen zu lassen. Dann passiert das eigentlich immer.
Bei vielen B-Movies gibt es wohl niemanden, der das Interesse hat, das Geld in die Hand zu nehmen. Bei Evil Dead gab es das jetzt vermutlich durch die Fernsehserie schon eher.
Wie lange betreibst du denn die Reihe jetzt schon?
Scream wird die 25. Woche, also auch für mich ein kleines Jubiläum. Es hat sich lange nach hinten verschoben. Ich wollte eigentlich letztes Jahr im Oktober zu Halloween anfangen, da hatte ich schon gepitcht, aber das hat leider nicht geklappt. Das wäre natürlich schöner gewesen, mit Halloween als Starttermin und dann über den Winter. Im Frühjahr hats dann geklappt und ich dachte „Scheiß drauf, ich möchte einfach, dass die Reihe da ist.“
Hast du denn in dieser Zeit einen Publikumszuwachs bemerkt? Etabliert es sich oder kämpfst du noch?
Ich kämpfe tatsächlich. Ich kann nie sagen, wie viele Leute kommen werden. Zum Beispiel hab ich The invitation gezeigt und mir wenig erwartet und dann waren über vierzig Leute da. Das war dann eine schöne Überraschung. Heute erwarte ich auch nicht so viel Publikum. Heute zeige ich Theatre Bizarre, das ist halt ein bisschen brutaler. Tom Savini hat einen Part gemacht, da wird ein Typ mit einem Kreissägenblatt zerlegt. Da denk ich mir dann „Geil, aber jetzt nicht das, wo die Leute kommen“ im Gegensatz zu Conjuring oder all dem Kram, der eh auch regulär im Kino gesehen wird, was dann wieder ein bisschen traurig ist.
Dann sind es vielleicht gar nicht so sehr die Genrefans, die dein Publikum ausmachen, wenn die Klassiker geguckt werden und splatterlastige Sachen schlecht laufen, oder?
Ja, klar. Filme wie Der weiße Hai oder Der Exorzist, die wollen die Leute halt mal gesehen haben, unabhängig davon, ob es jetzt Horror ist oder nicht. Ich meine, Der weiße Hai ist echt harmlos. Oder The Fog, der ist ja eigentlich lächerlich, was den Horror betrifft. Aber da kommen die Leute halt.
Mit Scream zeigst du dann die Tage quasi einen etwas jüngeren Klassiker.
Scream hatte im Dezember 1996 Premiere und wird damit dieses Jahr schon 20 Jahre alt. Das hätte ich auch nicht gedacht, bis ich es gelesen habe. Ich bin wie gesagt großer A Nightmare on Elm Street Fan und allein da beide Filme von Wes Craven sind, war ich dann damals auch großer Scream Fan. An der Creepy Crypt Deko-Wand hier im Kino hängt sogar eine Scream Maske, die ist auch von mir. Die hatte ich mir damals zugelegt.
Am 10. September zeige ich anlässlich des Jubiläums auch Final Cut, weil der Hauptdarsteller ja Robert Eglund aka Freddy Kruger ist.
Diesen Samstag, den 27.08. um 22.30 zeigt Daniel "Scream" in der Originalversion im Rollberg Kino. Um auch in Zukunft aktuelle Programmhinweise zu erhalten, folgt man der Facebook-Seite von Creepy Crypt unter https://www.facebook.com/yorckscreepycrypt/.