Es ist ein paar Jahre her, genauer Ende 2014, dass mir die Kickstarter Kampagne der US-amerikanischen Start-ups Astrohaus ins Auge viel. Deren Produkt, eine Schreibmaschine mit Clouddienst wie WiFi, ist heute als Freewrite auf dem Markt zu haben. Tim hat die US-Tippse 2.0 getestet. Anm. d. Red.: Unsere Anforderungen an Tests (z.B. no sponsoring) lest ihr unten in der Autorenbox.
Ursprünglich suchten die New Yorker Start-up Gründer Adam Leeb und Patrick Paul unter dem Namen Hemingwrite zahlungswillige Unterstützer für ihr Produkt. Eines der ersten Mockups (siehe Bild) erinnerte noch stark an ein Schreibmaschinenmodell, an dem J.R.R. Tolkien seine „Herr der Ringe“ – Trilogie geschrieben haben könnte. Mit dem stylischen Endgerät, welches letztendlich 2015, nach erfolgreicher Crowdfundingkampagne bei der über 300.000$ zusammen kamen, seine Markteinführung erlebte, hatte der Vorgänger zumindest optisch nicht mehr viel zu tun. Neben der minimalen Designkorrektur folgte alsbald auch der neue Produktname. Schluss mit der Hemingway Anleihe, hin zu einer klaren Benennung des Zwecks im Produktnamen: Freewrite.
Freies Schreiben. Damit ist eigentlich alles, was dieses Gadget auszeichnet, auf den Punkt gebracht. Die Freewrite, die uns für den Test in ihrer 2. Version vorlag, richtet sich in erster Linie an Schreiberlinge, die einen Ausweg aus dem vollvernetzten Ablenkungsdilemma der Jetztzeit suchen. Genauer: Im Internet surfen, E-Mails checken, statt zu schreiben, lästige Terminerinnerungen oder das ständige Korrigieren eines Textes, während man eigentlich seiner Kreativität freien Lauf lassen sollte, ist mit der Freewrite kein Thema mehr. Denn wo nichts ist, kann nichts ankommen. Bleibt einem ja nichts als wild drauf loszutippen, bis die Finger bluten. Aber von vorne.
Immer online = Man kommt zu nichts.
Ihr kennt das, man träumt davon seinen ersten Roman zu schreiben, setzt sich hin und……. fängt nach wenigen Sätzen bereits an, das zuvor Geschriebene wieder zu korrigieren. Als man gerade damit fertig ist, ploppt die mega-wichtige Info auf, die einen daran erinnert, dass man heute Abend seine Eltern anrufen wollte, um nach Geld für die anstehende Miete zu fragen. Als Künstler hat man das ja nicht so mit den regelmäßigen Einnahmen zum Monatsanfang. Shit, denkt man sich, so wird das nie was mit dem 1000-seitigen Erlebnisbericht über das ‚Work & Travel‘ – Jahr in Australien, mit Abstecher Neuseeland und finalem Bali-Abgang. Nichts mit dem Durchbruch. Nichts mit den Verlagsmillionen auf dem Onlinekonto. Ihr merkt, ein typisches Szenario. Nicht nur die mobile, auch die klassische Computerwelt killt unsere Aufmerksamkeit. Brutal und herzlos. Kreative leiden darunter, wie streunende Hunde in Spanien. Nur das bei uns keine deutsche Mutti in Sicht ist, die uns mit nach Hause nimmt und uns bis zum Lebensabend den Rücken krault. Selbst wenn, wollen wir ja nicht. Sind jung. Wild. Da geht noch was. Klar, es gibt Apps, die einen dazu bringen wollen, den Fokus auf analog zu stellen. Oder die innere Stimme.«Du willst es doch auch. Fokussiere dich!» Ist womöglich billiger, als sich teure Gadgets über den großen Teich schiffen zu lassen. Aber wo bleibt da der Spaß? Das Besondere?
Besonders ist die Idee hinter der Maschine allemal. Wer jetzt denkt, da geh ich doch lieber zu Oma in den Keller und hol die alte Monika hoch (ein bekanntes Schreibmaschinenmodell, keine Fritzl-Phantasie), statt dem US-Imperialismus Tür und Tor zu öffnen, der irrt. Die Freewrite hat mit Schreibmaschinen aus dem vergangenen Jahrhundert so wenig gemein, wie Donald Trump (ach, warum denn nicht) mit Empathie und Intelligenz. Man schleppt sich weder einen Ast, noch muss man ständig seinen Tippex-Vorrat auffüllen. Im Gegenteil: Trotz des Schreibmaschinenansatzes ist das Gerät erstaunlich leicht. Den Eindruck eines Plastikbombers macht es dabei nicht. Die schwarze Außenhülle ist aus Aluminium. Matt gehalten, sehr schick anzuschauen. Mit dem beleuchteten E-Ink Display dürften sich Kindle Whitepaper Freunde schnell anfreunden. Dass es kein Touchdisplay ist, an dem man via Fingertipp an jede beliebige Stelle springen kann, um den Drang korrigieren, korrigieren, statt schreiben, schreiben, schreiben zu erliegen, ist nur so lange irritierend, wie die Kernkompetenz beim Schreiber noch nicht in Fleisch und Blut übergegangen ist. Hat man sich an das Freewrite-Prinzips gewöhnt, legt man auch diesen Zwang schnell ab.
Geht das?
Zukunftsvisionen auf einer 90er Jahre Tastatur schreiben
Was ich, als Nutzer eines aktuellen Rechners samt Keyboard aus dem jetzigen Jahrhundert etwas gewöhnungsbedürftig fand, war die Tastatur. Man fühlt sich zurück in die Neunziger Jahre katapultiert. Nicht, weil die Tastatur schlecht wäre, keineswegs, vielmehr ist der Gebrauch von solch klobigen, hochgestellten Tasten in meinen Gehirnwindungen nur noch eine vage nostalgische Erinnerung. Was macht eigentlich mein alter 486er? Ein krasser Gegensatz zu den heutigen Keyboards mit Butterfly-Mechanismus. Menschen, die in behördlichen Kontexten arbeiten, werden sich allerdings schnell zu Hause fühlen. Folglich kein Problem sehen. Welches Problem? Alles wie immer. Positiv gesehen ist das Keyboard aber eine gute Lösung, denn wer sich an die Tastaturen richtiger Schreibmaschinen erinnert, wird froh sein, dass die Freewrite nicht mit Olympia, Erika oder Remington Layout aus dem Karton kommt. Apropos, die Tastatur ist mit dem US-amerikanischen ISO Layout gekommen. Man kann allerdings über seinen Freewrite-Account, den man online unter getfreewrite.com anlegen muss, da hier auch die Postbox, bzw. Cloudinhalte später hinterlegt werden, auch die deutsche Tastaturbelegung, wie auch den bevorzugten Clouddienst (Evernote/Dropbox/Google Drive), einstellen. Das ändert natürlich nichts daran, dass die Hardwaretasten trotzdem bei der US-Belegung bleiben. Nicht ideal, aber geht. Und es gibt zumindest die Option ein entsprechendes Tastenset in seiner Sprache für 35$ plus Versand nachzubestellen.
Was vom Handling her näher an einer Schreibmaschine ist, denn an einem Computer, ist die Tatsache, dass man innerhalb des geschriebenen Textes, den man mit etwas Latenz vor sich auf dem E-Ink-Screen sieht, nicht an beliebige Stelle switchen kann. Vor- oder Zurücktasten gibt es nicht. Sollte man sich dazu hinreißen lassen, etwas zuvor Geschriebenes korrigieren zu wollen, muss man den ‚Entfernen‘ – Button drücken, bis man an besagter Stelle ist. Wenigstens Löschen geht ohne Weiteres. Aber bevor es jetzt grummelt »Das geht ja gar nicht», sei wiederholt gesagt: Die Freewrite dient dem reinen Schreibprozess. Editieren kann man später. Damit geht sie ein wenig zurück in der Zeit. Denkt an Handschriftliches, klar kann man durchstreichen (Löschen geht ja auf dem Gerät) aber es geht um den Flow. Ich selbst habe noch seitenlange Prosaergüsse in diversen Notizbüchern, die ich eigentlich mal abtippen müsste. So lange Texte wie zu früheren Zeiten mit der Hand habe ich, man glaubt es nicht, nie wieder zustande bekommen. Denn ja, ich bin einer dieser ‚während des Schreibens‘ – Korrigierer. Schrecklich. Man kommt zu nichts. Wer sich eine solche Arbeitsweise, die auf den reinen Schreibfluss aus ist, nicht vorstellen kann, für den ist das Gerät nichts. Man muss eben schon ein bisschen Bock haben einfach ins Blaue hineinzusteuern.
Der erste Schreibtest, verlief noch etwas holprig und entstand vor dem Wechsel auf die deutsche Tastaturbelegung:
ich versuche einen ersten test des geraetes. lustig, man muss sich erst einmal an die tastatur und vor allem an die tatsache gewoehnen, dass man keine auesseren einfluesse hat. einfach nur schreiben. verrueckt. schraeg ist auch, dasss die tastatur zwargut yu bedienen ist, wenn auch die us version, aber gerauesche macht, wie ein keyboard aus den 90er jahren. sehr laut. irgendwie aber auch meditativ. allerdings garantiert nicht fuer aussenstehende. ich habe daher zweifel wie die freewrite in einem cafe ankaeme. weiterhin positiv ist die tatsache, dass die verarbeitung wider erwarten wirklich sehr gut ist. das gehauese, in einem schiocken schwarz gehalten, scheinty mehr aus metall, denn aus plastik. fuehlt sich gut an und sieht gut aus.
- Anm. d. Red. Die Schreibfehler waren Absicht
Eines sei angemerkt: Hat man erst einmal seinen Frieden mit den Limitierungen der Freewrite gemacht, kommt man ganz schnell in eine meditative Phase, die ich beim privaten Schreiben lange nicht hatte. Wohlgemerkt. Beruflich geh ich am Rechner natürlich ab wie eine Rakete. Zurück zum Meditativen. Dieses glückselige Gefühl könnte anderen Menschen, mit denen man beispielsweise das Café oder den Co-Workingspace teilt, eher abgehen. Ihnen könnte das Geräusch der Tastatur – Wahnsinn, dass das früher in den Büros an allen Schreibtischen so geklackert hat – auf den Senkel gehen. Klar, wenn man autistische Züge hat und einen die Gefühlswelt seiner Mitmenschen egal ist, macht es einem bestimmt nicht viel aus, als nerviger Möchtegernautor wahrgenommen zu werden. Mir persönlich war die Lautstärke der Tastatur, selbst im Büro etwas unangenehm.
Per Knopfdruck in die Cloud
Wer sich fragt, wie das geschriebene Wort nach einem stundenlangen kreativen Schreibfluss von der Maschine in die Cloud kommt, wenn es doch scheinbar keinen aktiven Internetzugang gibt, dem werde an dieser Stelle geholfen. Natürlich mithilfe der WiFi-Funktion und des erwähnten Freewrite-Accounts, der in der sogenannten ‚Postbox‘ mündet. Diesem weist man seine E-Mail-Adresse zu, an die – zusätzlich zum Cloudupload – die Schreibarbeiten per Knopfdruck (‚Send‘ – Taste unten rechts) als Pdf und als Textdatei gesendet werden. Ist dies erfolgt, kann man in der Folge die Datei, folglich den Text, an seinem Rechner mittels Textverarbeitungsprogramm bearbeiten, sprich editieren. Übrigens wird das Geschriebene auch ohne aktiven Tastendruck im Hintergrund ständig synchroniosiert, so dass wirklich nichts verloren geht. Sehr gut. Um nicht binnen kürzester Zeit, sofern man im Schreibfluss ist, im Dateichaos zu versinken, hat bietet sich die Option mittels Schaltermechanismus (links oben) seine Daten in drei verschiedenen Ordnern (A, B, C) abzulegen. In unserem Fall nutzten wir Ordner B für unseren ersten Schreibtext (siehe Screenshot). Eine unkomplizierte, aber effektive Lösung.
Lohnt sich der Kauf?
Bleibt festzustellen, dass die Freewrite durchaus ein interessantes Feature für engagierte Schreiberlinge ist, die sich allzu leicht von den Aufmerksamkeiten des vernetzen Alltags ablenken lassen und nach einer Lösung abseits der App-basierten oder ‚Baumhütte im Wald‘ – Möglichkeiten suchen. Bei einem Preis von aktuell 429$ plus Einfuhrsteuern (in unserem Fall waren das knapp 100€) ist es aber sicherlich, wenn auch qualitativ absolut wertig, ein hochpreisiges Vergnügen, dass nur eine kleine Gruppe (Hipster) ansprechen dürfte. Diese dürften dann allerdings ihren Spaß mit der Maschine haben. Wir hatten ihn!
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