toni erdmann, cannes, komödie, kino

[030] Filmkritik: Toni Erdmann

Von dem US-amerikanischen Autor James Thurber stammt das Zitat „Komik ist Tragik in Spiegelschrift“. Maren Ade, die vor sieben Jahren mit dem Beziehungsdrama „Alle anderen“ den Großen Preis der Jury auf der Berlinale gewann, hat mit ihrem neuen Werk nun eine nahezu perfekte filmische Adaption dieses Satzes abgeliefert.

Darin lässt sie mit Vater und Tochter zwei Figuren aufeinander treffen, die naturgemäß eng miteinander verbunden sind, sich jedoch mittlerweile weit voneinander entfremdet haben. Ines (Sandra Hüller) hat als Unternehmensberaterin Karriere gemacht und arbeitet derzeit in Bukarest. Nach der Trennung von Ines‘ Mutter lebt Vater Winfried (Peter Simonischek) alleine und hat sich als Schutzschild gegen seine Umwelt einen etwas kruden Humor zugelegt, der viele eher verschreckt als amüsiert. Man merkt, die beiden könnten unterschiedlicher kaum sein. Während die Tochter Firmen auch auf Kosten der Mitarbeiter knallhart auf Effizienz trimmt, wurschtelt sich der Vater mit seiner lässigen Alt-68er-Attitüde durch seinen Lebensabend. Nach dem Tod seines geliebten Hundes beschließt der pensionierte Musiklehrer, seine Tochter in Rumänien zu besuchen. Dies geht natürlich nicht lange gut und so reist er bald wieder ab. Jedoch nur, um kurz darauf als Toni Erdmann zurück zu kehren und das Leben seiner Tochter kräftig aufzumischen.

Interview mit Regisseurin Maren Ade.

toni erdmann, cannes, komödie, kino
Gestatten! Erdmann. Toni Erdmann. Foto ©: Komplizen Film GmbH

Seine Weltpremiere feierte die deutsche Produktion im Wettbewerb der diesjährigen Filmfestspiele von Cannes. Zwar gewann sie am Ende keine Preise, erntete jedoch einhelliges Lob der nationalen, vor allem aber auch der internationalen Presse. Und dies völlig zu Recht. Über eine ausgedehnte Laufzeit von mehr als zweieinhalb Stunden schafft es Drehbuchautorin und Regisseurin Maren Ade den Zuschauer bestens bei Laune zu halten. Denn hier stimmt schlichtweg alles: Großartige, nie holzschnittartig wirkende Figuren, die in Szenen auftreten, in denen sich Witz und Absurdität auf geniale Weise die Waage halten und die noch lange in Erinnerung bleiben. Dazu kommen zwei erstklassige Hauptdarsteller: Sandra Hüller spielt die spröde wirkende Ines, die stets ein wenig verzweifelt versucht, sich in ihrem von Männern dominierten Berufsumfeld zu behaupten, mit kompromissloser Hingabe. Und Peter Simonischek gelingt es ganz grandios, dem ewigen Spaßmacher mit dem Hang zur Peinlichkeit als vermeintlich lächerlicher Figur trotzdem die nötige Ernsthaftigkeit zu verpassen.

toni erdmann, cannes, komödie, kino
Das war so nicht gewollt. Sandra Hüller in unangenehmer Lage. Foto ©: Komplizen  Film GmbH

Man merkt jeden Augenblick, dass die Regisseurin ganz genau weiß, was sie will und in der Lage ist, auf den unterschiedlichsten Ebenen eine tiefe und ehrliche Wahrhaftigkeit mit subtilem Humor vortrefflich zu kombinieren. So scheint im oftmals tragischen, von Missverständnissen geprägten Miteinander der beiden Charaktere zugleich immer das latent Komische der jeweiligen Situation durch. Diese Tragikomödie bietet ein Ausmaß an Kreativität, wie man es dem oftmals viel zu biederen Werken aus heimischer Produktion häufiger wünscht. Endlich mal ein deutscher Film, den man gesehen haben muss!

Toni Erdmann

Länge: 162 Minuten

Regie: Maren Ade

Darsteller: Sandra Hüller, Peter Simonischek, Michael Wittenborn

Kinostart am 14. Juli 2016.

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Werbung

Brous One
Vorheriger Artikel

Tipp: Brous One – Consequences | VÖ: 15.07.

Independence Day 2, Roland Emmerich, Review
Nächster Artikel

[030] Filmkritik: Independence Day 2 – Wiederkehr

Gehe zuOben