Das Poetische hat Max Richard Leßmann drauf. Gewitzt beobachtet der Sänger der Husumer Indie-Band Vierkanttretlager mit seinem Faible für lyrische Texte die Absurditäten der Digital- und Gefühlswelt. Dazu ein bisschen Chanson und Swing und fertig sind die 12 Schunkel-Pop-Lieder des Solo-Albums „Liebe in Zeiten der Follower“, auf denen gepfiffen, getralalat und herumgeschmalzt wird, ohne jemals ins Peinliche abzurutschen. Beliebt nur eine Frage offen: Was passiert denn nun mit der Romantik im Cyberspace?
Chanson und Swing der Weimarer Republik als musikalische Fußnote – das ist nun nicht gerade, was nach dem Zeitgeist als cool gilt. Wie zur Hölle kommt man da als junger Typ dran, Max?
1997 war das, als der Kinofilm über die Comedian Harmonist anlief. Meine Eltern holten die Compilation zum Film. Ich erinnere mich noch sehr bildhaft daran, wie ich die rauf und runter gehört habe. Das ist für mich das erste Mal gewesen, dass das meine Musik war: dass ich das hören wollte. Wie ein innerer Impuls kam es aus mir heraus.
Wie hat sich der Impuls nach all der Zeit wieder an die Oberfläche gekämpft?
Angefangen hat das, als ich Liebesgedichte geschrieben habe, weil ich so Sehnsucht nach meiner Freundin hatte – die ist quasi an das andere Ende von Europa gezogen. Da waren dieser Ton und die Ansprache wieder da.
Was transportiert deiner Meinung nach ein guter, der Leichtigkeit frönender Chanson-Song?
Ich kriege auf jeden Fall so einen Schwung und habe auf einmal Lust, zu singen. Wenn wir irgendwas mit dem Album wollten – eigentlich wollen wir gar nicht so viel – dann war es, dieses Gefühl zu transportieren. Grölen ist auch erlaubt!
Du sprachst gerade von „wir“: Erarbeitet hast du die Songs mit Sebastian Madsen. Dabei heißt es doch, du hättest Probleme, mit anderen im Studio zu singen…
…das stimmt auch total! Auf der Bühne fühle ich mich wohl. Da kriege ich Energie von den Leuten zurück. In so einem Aufnahmeraum bricht das weg. Alles ist fertig, die Band sitzt da, wartet und du musst abliefern. Sebastian und haben uns aber schlagartig menschlich und musikalisch ineinander verliebt. So kitschig das auch klingen kann.
Deine Songs können auch kitschig – und sind vielleicht genau deswegen so unverschämt eingängig. Was unterscheidet für dich plakativen Kitsch von dem Romantischen?
Für mich ist das Entscheidende, dass man sich auch der negativen Dinge bewusst ist. Romantik bedeutet für mich, es sich gemütlich zu machen, ohne das mögliche Negative zu vergessen. Ich bin niemand, der sagt „alles ist so schön!“. Aber man kann es sich schöner machen. Ein paar liebe Worte loszuwerden, ist nicht zwingend Kitsch.
Dennoch ist der Schreibansatz der Platte ein überraschend positiver, wenn man ihn mal mit der „Alles in der Welt ist scheiße“-Tonailität des letzten Viekantretlager-Albums „Krieg und Krieg“ vergleicht.
Findest du? Das ist lustig, weil gerade auf dem letzten Album, das sehr düster war, war die Idee eine andere. Durch diesen Pessimismus wollte ich einen Widersprich, eine „Stimmt doch gar nicht!“-Reaktion erzeugen – es dem Hörer überlassen zu sagen: „Nein, da ist nicht wahr und so will ich nicht sein!“
Dann sagen wir es mal so: Positivismus ist dieses Mal leichter greifbar, dein Umgang damit verspielter und direkter.
Da ist was dran. Aber es steckt natürlich immer Melancholie zwischen den Zeilen – und eine Selbstkritik.
Zum Beispiel beim Thema Netflix-Wahn. Oder Instagram.
Zum Beispiel. Ich habe auch ganz viel Liebe für das Internet. Da entstehen ganz viele tolle Dinge. Es war beispielsweise nie einfacher, eine Fernbeziehung zu führen – und gleichzeitig nie schwerer.
Warum? Was passiert am Ende mit der Liebe in Zeiten der Follower?
Nehmen wir mal den Song „Lippenstift“. Jemand sieht darin seine Freundin, Geliebte oder jemanden, den er mag, auf Bildern von der letzten Nacht. Sie hat sich hübsch gemacht und trägt Lippenstift, dabei hat man sie noch nie mit Lippenstift gesehen. Wasn da los? Und schon macht man sich Gedanken. Der Twist am Ende des Songs ist: Sie trägt zu zweit keinen Lippenstift, weil der beim Küssen verwischt – und deswegen nur in der Öffentlichkeit.
Also ein Bild dafür, was alles missgedeutet werden kann.
Ja, diese Kommunikationskanäle erzeugen ganz viele verrückte Missverständnisse. Dabei sollte man es sich in dieser Welt, die der Horror sein kann, ab und an auch mal muckelig machen.