Kino-Legenden sterben nicht. Eine Erkenntnis, die auch auf Dschungelherrscher Tarzan zutrifft, den US-Schriftsteller Edgar Rice Burroughs 1912 in einem Pulp-Magazin der Weltöffentlichkeit präsentierte. Nur sechs Jahre später erschien die erste Tarzan-Verfilmung, auf die zahlreiche weitere Adaptionen folgen sollten. Nach dem reichlich verunglückten Animationsstreifen „Tarzan 3D“ von 2013 steht nun ein opulenter Realfilm-Blockbuster ins Haus, der seine antikolonialistische Haltung herausstellt, in Wahrheit aber zahlreiche Klischees bemüht.
Den Hintergrund für die actionreiche Ikonen-Auffrischung bildet die Politik des belgischen Königs Leopold II., der seine Kongo-Kolonie Ende des 19. Jahrhunderts auf brutale Weise ausbeutete. Der Titelheld (Alexander Skarsgård) begegnet uns zunächst als grüblerischer Aristokrat, der mit seiner Vergangenheit im zentralafrikanischen Dschungel abgeschlossen hat, seinen Geburtsnamen John Clayton bevorzugt und sich ganz auf das gemeinsame Leben mit Ehefrau Jane (Margot Robbie) im Familienanwesen bei London konzentriert. Als der belgische Monarch ihn eines Tages in den Kongo einlädt, zeigt sich der junge Mann zunächst unbeeindruckt, gerät dann allerdings ins Grübeln. Zum einen bittet ihn der US-Gesandte George Washington Williams (Samuel L. Jackson), das Angebot anzunehmen, da er befürchtet, dass die kongolesische Zivilbevölkerung systematisch versklavt wird. Zum anderen drängt Jane auf eine Rückkehr in die frühere Heimat. Nach anfänglichem Zögern willigt John schließlich ein und bricht gemeinsam mit seiner Gattin und Williams in den Kongo auf, wo ihn bereits der königliche Handlanger Léon Rom (abermals in einer distinguiert-sarkastischen Schurkenrolle: Christoph Waltz) erwartet.
Eingewoben in die von historischen Ereignissen inspirierte Haupthandlung sind Rückblenden, die sich an Tarzans Ursprungsgeschichte entlanghangeln. Sein Aufwachsen unter Affen wird ebenso gestreift wie seine erste Begegnung mit der hübschen Jane, die den Dschungeljungen kennen und lieben lernt. Echte Magie lassen die schlaglichtartigen Flashbacks leider vermissen, obwohl Regisseur David Yates nicht mit großen Gesten und sentimentalen Tönen spart. Die zentrale Plotline rund um Tarzans Ankunft in Afrika und die Verfolgung des skrupellosen Rom, der Jane in seine Gewalt bringen kann, sorgt für Dynamik und rasante Action-Einlagen, kommt aber leider ohne große Überraschungen aus. Konventionelle Abenteuer-Kost, die sich nur dadurch von anderen Tarzan-Geschichten unterscheidet, dass sie sich betont kolonialismuskritisch gibt. Der Afroamerikaner George Washington Williams – ebenso wie Léon Rom eine real existierende Figur – dient nicht nur als komischer Sidekick Tarzans, sondern verkörpert auch die moralische Instanz des Films, da er sich wiederholt und vehement gegen die Sklaverei und das grausame Wüten der belgischen Kolonialherren ausspricht. Mit Blick auf Burroughs‘ Vorlagen ist die antikolonialistische Haltung ein ehrenwerter Ansatz, der sich jedoch erstaunlich schnell verflüchtigt. Wie so oft im Hollywood-Kino werden die Einheimischen als hilflose Opfer gezeigt, die erst ein weißer Mann mit schier übermenschlichen Fähigkeiten von ihrem Leid erlösen kann. Angesichts dieser erschreckend reaktionären Botschaft bleibt am Ende ein bitterer Beigeschmack zurück. Daran ändern auch die teilweise spektakulären Landschaftsbilder und Alexander Skarsgårds beeindruckend gestählter Körper nichts.
Legend of Tarzan
Länge: 110 Min.
Regie: David Yates
Darsteller: Alexander Skarsgård, Margot Robbie, Samuel L. Jackson, Christoph Waltz, Djimon Hounsou, Jim Broadbent
Kinostart: 28.07.2016