Aufgrund seiner konsequenten Abschottung vom Rest der Welt gehört Nordkorea zu den faszinierenden Ländern unserer Erde. Dem russisch-ukrainischen Regisseur Vitaly Mansky ist es nun gelungen, eine nordkoreanische Familie jeweils über mehrere Wochen ein Jahr lang zu begleiten.
Im Mittelpunkt steht dabei das Mädchen Zin-mi, dem der Film in ihre Schule und den Unterricht folgt. Wir sind dabei, wie die Achtjährige Jungpionierin wird und schließlich sogar die Chance erhält, in einer Ballettgruppe zu tanzen. Auch den Arbeitsstätten der Eltern, die nicht ganz zufälligerweise in zwei Vorzeigebetrieben Pjöngjangs tätig sind, wird ein Besuch abgestattet. Und alle Berliner werden außerdem die alten, von der BVG ausrangierten U-Bahn-Wagons wieder erkennen, die nun über die Schienen der nordkoreanischen Hauptstadt rattern (zwar neu lackiert, aber immer noch mit den eingeritzten Tags auf den Scheiben).
Natürlich durfte Vitaly Mansky sich während der Dreharbeiten nicht frei bewegen. Er und sein Team hatten immer Aufpasser an ihrer Seite, es gab ein offizielles Drehbuch, in dem der Ablauf des Dokumentarfilms akribisch vorgegeben war. Die Filmemacher mussten außerdem jeden Abend das tagsüber gedrehte Material zur Sichtung vorlegen und bekamen es zensiert zurück. Mansky konnte diese Restriktionen aber umgehen und ließ die Kamera heimlich laufen, während die vorgegebenen Szenen eingerichtet und geprobt wurden. Man sieht die staatlichen Aufpasser, wie sie die Dialoge mit den Protagonisten vor dem Dreh noch einmal durchgehen, damit auch alle alles richtig machen und vor allem das Richtige sagen. Diese Szenen kopierte der Kameramann heimlich auf Speicherkarten und schmuggelte sie außer Landes. In diesen Momenten wird das Werk wieder zu einem echten Dokumentarfilm und zugleich zu einer Farce. Denn es wird deutlich, mit welch peinlich bis lächerlich wirkender Akribie und Energie von den öffentlichen Stellen versucht wird, ein Bild des alltäglichen Lebens vor der Kamera nachzustellen, das augenscheinlich mit der Realität wenig gemein hat. Man sieht die Menschen auch nur selten lächeln, es muss ihnen schon von den Aufpassern und Vorgesetzten vorgegeben werden. Gleichzeitig zeigt der Film, wie die Propaganda des Regimes allgegenwärtig ist und schon die Kleinsten im Unterricht mit den Heldentaten ihrer Führer im Kampf gegen die bösen Japaner und kapitalistische Gutsherren indoktriniert werden. Ein Weltbild, in dem die Rollen zwischen dem armen Opfer Nordkorea und den Aggressoren aus dem kapitalistischen Rest der Welt klar verteilt sind.
Wenngleich sich der Dokumentarfilm, der bereits auf zahlreichen Festivals ausgezeichnet wurde und im vergangenen Jahr auf dem Dok Leipzig zu sehen war, etwas zu sehr in den ewig gleichen Paraden und Veranstaltungen zu Ehren der diversen Großen Führer der Kim-Dynastie verliert, ist Vitaly Mansky eine spannende, vor allem aber interessante Arbeit gelungen. Den besten Moment heben sich die Macher bis zum Schluss auf: Ein einziges Mal nur konnten sie Zin-mi ohne die Aufpasser an ihrer Seite eine Frage stellen. Das Ergebnis ist eine kurze Szene, die tief berührt, da sie die innere Zerrissenheit der Menschen in Nordkorea in wenigen Bildern eindrucksvoll auf den Punkt bringt.
Im Strahl der Sonne läuft ab dem 10. März in den Kinos