Freunde deftig-knackiger Genre-Unterhaltung sind bei Fede Alvarez in besten Händen: Nach „Evil Dead“, einer gelungenen wie drastischen Neuauflage des Horrorklassikers „Tanz der Teufel“, überrascht der aus Uruguay stammende Filmemacher das terroraffine Publikum nun mit einem Home-Invasion-Schocker, der seinem Titel alle Ehre macht. Den Atem halten nicht nur die Figuren, sondern auch der Zuschauer mehrmals an.
Die Freunde Rocky (Jane Levy), Alex (Dylan Minnette) und Money (Daniel Zovatto) kämpfen mit planvoll durchgeführten Einbrüchen für eine bessere Zukunft, wobei ihnen vor allem eine Regel heilig ist: Um im Fall einer Festnahme mit einer niedrigen Strafe davonzukommen, klauen sie niemals Bargeld, sondern stets nur Gegenstände von überschaubarem Wert. Als Money jedoch von einem Hehler den Tipp bekommt, dass ein blinder Kriegsveteran (Stephen Lang) seit dem Unfalltod seiner Tochter ein stattliches Schmerzensgeld in seinen vier Wänden aufbewahrt, werfen die Jugendlichen ihre Bedenken über Bord und steigen kurzerhand in das abgesicherte Anwesen des Ex-Soldaten ein. Der vermeintlich einfache Coup erweist sich schon bald als Himmelfahrtskommando, da der wenig zimperliche Hausherr auf die Eindringlinge aufmerksam wird und sein Vermögen um jeden Preis verteidigen will.
„Warte, bis es dunkel ist“, „Jennifer 8“ und „Julia’s Eyes“ – die Filmgeschichte kennt viele Thriller, in denen sich eine blinde oder sehbehinderte Hauptfigur Kriminellen und Serienkillern erwehren muss. Fede Alvarez und Schreibpartner Rodo Sayagues drehen in „Don’t Breathe“ das altbekannte Szenario einfach um. Gefahr strahlt hier der zurückgezogen lebende Veteran aus, der sein Augenlicht im Golfkrieg verloren hat, während die jungen Einbrecher am Ende des ersten Aktes zu panischen Opfern mutieren. Obwohl das Drehbuch keine facettenreichen Charakterprofile entwirft, fiebern wir schlagartig mit den Dieben mit, die ihrem Widersacher trotz seines Handicaps hoffnungslos unterlegen sind. Immerhin kennt der blinde Mann jeden Winkel seines Hauses und kann sich noch dazu auf ein besonders scharfes Gehör verlassen.
Ein Großteil des Films spielt sich im Inneren des Gebäudes ab, das Pedro Luque in einprägsamen Kamerafahrten erkundet. Dem Publikum erschließt sich mit der Zeit die Geografie des unheilvollen Ortes, der – wie sich irgendwann herausstellt – einige böse Überraschungen bereithält. Die präzise und schnörkellose Inszenierung erzeugt ein permanentes Gefühl der Beklemmung und schraubt die Spannung immer wieder in unerträgliche Höhen. Etwa dann, wenn der blinde Ex-Soldat in einer Szene das Licht ausknipst und die Fluchtversuche der orientierungslosen Einbrecher durch einen Nachtsicht-Filter zu sehen sind. Eine starke Wirkung erzielt Alvarez obendrein, indem er die nervenaufreibende Klangkulisse gelegentlich zu Gunsten absoluter Stille unterbricht. Momente, die unsere Protagonisten besonders verletzlich zeigen, weil jeder Atemzug zu viel verraten könnte. Dass „Don’t Breathe“ nach mehr als einer Stunde erzählerisch etwas aus dem Ruder läuft und manchmal repetitiv erscheint, ist schade, lässt den minimalistischen Terrorfilm aber nicht komplett entgleisen. Zu packend ist die Art und Weise, wie Alvarez das Katz-und-Maus-Spiel aufzieht, das atmosphärisch auch davon lebt, dass die Geschehnisse in der von Niedergang und Verfall geprägten einstigen Auto-Metropole Detroit angesiedelt sind.
Don't Breathe
Länge: 88 Min.
Regie: Fede Alvarez
Darsteller: Jane Levy, Dylan Minnette, Daniel Zovatto, Stephen Lang, Emma Bercovici, Katia Bokor
Kinostart: 08.09.2016