Die Liebe ist eine eklige Chose. Das jedenfalls ist ein Resümee von Philippe Garrels neuem Film "Die Schatten der Frauen". Der ist so raffiniert wie eine französische Praline aus Bitterschokolade, die man sich ganz langsam auf der Zunge zergehen lässt. Ein weiteres Resümee: Philippe Garrel sollte man sich merken. Das klingt kurios, denn der Altmeister des französischen Kinos dreht seit 1964 Filme, hat es aber unerklärlicherweise erst mit diesem Film in die deutschen Kinos geschafft.
Moment, gerade hat jemand langsam gesagt. Die Schatten der Frauen ist ein Film, der in ruhigen Bilder erzählt, aber deshalb muss sich niemand sorgen. Langsam heißt hier keinesfalls schlecht, sondern eher anders als Zuschauer es von den meisten Kinofilmen gewöhnt sind: ein Film gedreht in schwarz und weiß, in Vintage-Ästhetik, der sich lange Einstellungen leistet. Der 1948 geborene Garrel erschuf seine ersten Filme in der Hochphase der Nouvelle Vague und diese Bezüge sind gut erkennbar. So stark, dass man glaubt, einen Film zu sehen, der in den 70-ern spielt… bis das erste Handy auftaucht. Garrel ist in Frankreich für seine besondere Bildsprache berühmt. Seine Spezialität sind karge, aber ungezwungen elegante Bilder, mit denen er private Momente so intim darstellt, dass der Betrachter fast das Gefühl hat, dabei zu sein.
Die Schatten der Frauen oder Ein bitterer Beigeschmack
Seine Themen: die Liebe und wie schwierig zwischenmenschliche Beziehungen sind. Die Schatten der Frauen ist eine klassische Liebesgeschichte, deren Handlung sich knapp zusammenfassen lässt: Pierre (Stanislas Merhar) und Manon (Clotilde Courau) sind beide zwischen dreißig und vierzig Jahre alt, arbeiten im Filmgeschäft und beginnen, ohne dass der jeweils andere davon weiß, Affären mit Unbekannten. Was sich daraus entspinnt, ist eine genüsslich süße, bitterböse bis brutale Geschichte zweier Seitensprünge. Dabei sieht vom Straßenbild, den Teekännchen in Bett und Bistro, Klamotten und Tapeten alles an "Die Schatten der Frauen" aus wie ein Zitat aus einer anderen Zeit – bis plötzlich die Bettwäsche von Hauptfigur Pierre an IKEA erinnert. Kann sein, dass der Film sagen will: alles, was jetzt in ist, das gab es schon mal. Denn er sagt auch: alles, von dem man denkt, es sei einzigartig, individuell und nicht wiederholbar, stellt sich irgendwann als alltäglich heraus. Die Frage ist nur, wie jeder einzelne damit umgeht. Ziemlich aktuell in einer Zeit, in der sich gefühlt alle mit Beziehungsmustern und Grenzen beschäftigen. Über den Nachgeschmack, den man davon im Mund behält, wird man vielleicht noch eine Weile nachdenken müssen.
Text: Magdalena Kotzurek
Regie: Philippe Garrel
DarstellerInnen: Clotilde Courau, Stanislas Merhar, Léna Paugam
Kinostart: 28. Januar 2015