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[030]-Buchtipps im Februar

In einem Punkt sind wir uns alle einig: Der Berliner Winter ist pfui! Da hilft nur eine Sache: sich mit einer guten Lektüre und heißer Schoki ins Bett verkrümeln. Um den Kakao müsst ihr euch selber kümmern, die richtigen Buchtipps haben wir für euch…

Hendrik Otrembra – Über uns der Schaum

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Hendrik Otremba ist nicht nur Sänger der Neo-Noir-Band Messer, er schreibt auch. Protagonist seines literarischen Debüts ist der drogenabhängige Detektiv Joseph Weynberg, der im Rotlichtmilieu in perfide Spielchen hineinrutscht. Eine Kriminalgeschichte ist das Ganze dennoch nicht. Vielmehr eine düstere Auseinandersetzung mit dem Konzept der inneren Veränderung, Vertrauen und alltäglichen Ängsten. Wie bei seinen Songtexten wird es sprachlich interessant, wenn Otrembra für die Selbstanalysen seines Detektivs zu großen poetischen Bildern greift. Ohnehin ist Ästhetik dem aktuellen Album „Jalousie“ mehr als ähnlich. Doch ob Messer-Fan oder nicht: Der Roman funktioniert auch für sich alleine und breitet seine Spannung wie ein Schwelbrand aus. Was am Ende bleibt, ist ein schales Gefühl und ganz viel Selbstreflexion. (ch) Verbrecher Verlag, 250 Seiten

Manuele Fior – Fräulein Else

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Literaturadaptionen sind knifflig. Allzu oft wird die Vorlage einfach nur nacherzählt. Todeslangweilig! Besser: Die Geschichte wird um einige spielerische Details erweitert. Fior gelingt mit seiner grafischen Novelle, basierend auf Arthur Schnitzlers Werk, letzteres souverän. Die eigentliche Herausforderung: Schnitzler lässt Else im Original auf sechzig Seiten einen inneren Monolog rund um Todeswünsche, Pflichtgefühl und die weibliche Selbstbestimmung führen. Schwierig, das darzustellen, doch der Illustrator macht ihr Dilemma stark gekürzt im Perspektivenwechsel von Traumwelten, Monologen und der Realität sogar noch besser nachspürbar. Elses tragische Momente werden mit einer geschickten Farbpsychologie aus Grau-, Braun- und Schwarztönen unterstrichen. Eine kunstvolle Aquarellumsetzung, die die Stimmungsebene der Geschichte illustriert. (ch) Avant-Verlag, 88 Seiten

 

Jenny Erpenbeck – GEHEN, GING, GEGANGEN

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Eine Geschichte von Helfern und  Hilfesuchenden an bekannten Berliner Orten wie dem Alexander- und Oranienplatz. Bunte Zelte, in denen Geflüchtete protestierten. Eine besetzte Schule. Reale Schauplätze also, an denen der frisch pensionierte Professor Richard und eine Flüchtlingsgruppe aufeinandertreffen. Aus anfänglichen Gesprächen entwickeln sich Freundschaften. Richard ist vom Schicksal der jungen Männer angezogen und recherchiert stellvertretend für den Leser. Parallel beantwortet sich die Frage, wie man eigentlich helfen kann. Mit literarischen Querverweise aus z.B. Faust und Homer und einer sehr genauen Recherche ist ein sprachlich eindrucksvoller Tatsachenroman gelungen. (ac) Albrecht Knaus Verlag, 352 Seiten

Imbolo Mbue – Das geträumte Land

9783462047967

Vor zehn Jahren wanderte Imbolo Mbue von Kamerun nach New York aus. Dort studierte und arbeitete sie bis die Bankenkrise ihren Job forderte. Ohne Erfahrungen in der Szene zu haben, veröffentlicht sie nun ihren ersten Roman. Nur, weil sie hartnäckig genug blieb. Die Geschichte ihres Buches ist eine ähnliche: Jende Jonga hat es geschafft, seine Frau und sein Kind für ein besseres Leben nach Big Apple zu holen. Als er einen Job als Fahrer bei einer reichen Konzern-Familie erhält, scheint das Glück zum Greifen nah. Doch dann erschüttert der Zusammenbruch der Lehman Brothers die gesamte Finanzwelt und das Leben beider Familien. Bildreich erzählt Mbue von den jeweiligen Schicksalen – so gefühlvoll, dass man sogar Mitleid für die empfindet, die eigentlich keins verdient haben. Ein warmherzig erzählter Roman, an dessen Ende trotz aller Katastrophen alle ein Stück weit näher zusammenrücken und der gerade in Trump-Zeitren Hoffnung auf eine bessere Zukunft macht. (ch) Kiepenheuer&Witsch, 423 Seiten

Titelfoto: © Manuel Fior

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