Als Ex-Chemielehrer und clever cooler Drogenkoch Walter White in der Serie “Breaking Bad” avancierte Bryan Cranston zur ganz großen Kultfigur. Anno 2000 sorgte er freilich schon als verzweifelter Vater in der Serie „Malcolm mittendrin“ für Furore, die stolze sechs Jahre in 151 Folgen über die Bildschirme lief. Zu seinen Kinofilmen gehören „Little Miss Sunshine“, „Drive“, Argo“ und „Gozilla“.
Nun übernimmt Cranston in „Trumbo“ die Titelrolle des Drehbuchschreibers Dalton Trumbo, der als Kommunist im Hollywood der 50-er Jahre auf die berüchtigte Schwarze Liste kam und mit Berufsverbot belegt wurde. Für die Rolle wurde Cranston für den Oscar nominiert. Mit dem Schauspieler unterhielt sich [030] Mitarbeiter Dieter Oßwald.
Mister Cranston, Hand aufs Herz: Wären Sie selbst so konsequent geblieben wie Dalton Trumbo und für Ihre Überzeugung ins Gefängnis gegangen? Oder hätten Sie dem Druck nachgegeben wie der Schauspieler Edward G. Robinson es tat?
Cranston: Da muss man zwei Aspekte unterscheiden. Zum einen, ob man vor diesem Komitee kapituliert und sagt: ‘Ja, ich bin Mitglied der Kommunistischen Partei! Ich war jung, ich war dumm und es war ein Fehler.’ Das würde ich tun, um nicht ins Gefängnis zu wandern. Die andere Sache ist, ob man zum Verräter wird und die Namen seiner Genossen preisgibt – da wäre für mich die rote Linie überschritten.
Wie bekannt ist dieses düstere Kapitel der Traumfabrik im heutigen Amerika?
Cranston: Ich fürchte, dieses Kapitel ist den meisten nicht bekannt, schon gar nicht unter der jüngeren Generation. Ich hoffe, unser Film vermag das das vielleicht zu ändern. Wobei Hollywood ja lediglich die Kulisse bietet. Tatsächlich geht es im Kern darum, was passiert, wenn unsere bürgerlichen Freiheiten eingeschränkt werden. Das hat nicht nur Auswirkungen auf den Einzelnen, sondern zugleich sind Freunde und Angehörige betroffen. Wenn Kinder in der Schule gehänselt und bedroht werden, gerät das zu einer Tragödie.
Wie sahen Ihre Recherchen aus?
Cranston: Die Töchter von Dalton Trumbo waren sehr hilfsbereit. Ihre Sicht der Dinge war überaus wertvoll, ebenso wie die Autobiografien von Leuten, die Dalton kannten. Je mehr ich erfuhr, desto näher kam ich zum Kern der Sache. Dalton wollte den unsichtbaren Menschen eine Stimme geben, das machte ihn so besonders. Zugleich war uns wichtig, ihn als Menschen zu zeigen. Der Druck, unter dem er stand, hätte fast seine Familie zerstört und es ist zum größten Teil der Stärke seiner Frau Cleo zu verdanken, dass dies nicht passierte.
Haben Sie mit Leuten gesprochen, deren Namen auf dieser Schwarzen Liste standen?
Cranston: Ich habe einige Betroffene getroffen, die mittlerweile aber sehr alt sind. Wir haben nicht explizit darüber geredet, wie groß das Leid war, das sie erlebt haben. Bei unseren Recherchen haben wir allerdings von der dramatischen Tragweite dieser Vorgänge erfahren: Häuser mussten verkauft werden, Familien wurden zerstört und es gab Selbstmorde aus Verzweiflung.
Gibt es heute noch eine Art von schwarzen Listen?
Cranston: Es gibt vermutlich solche Listen, die von gesellschaftlichen Urteilen bestimmt werden. Ein Typ wie Bill Cosby hat sich seine eigene schwarze Liste geschrieben. Wobei die Medien heute transparenter sind als damals. Wie viele US-Präsidenten hatten Affären und über welche davon wurden öffentlich?
Wie schafft man den Sprung nach dem Ende einer Serie wie „Breaking Bad“, die zum Mega-Kult avancierte?
Cranston: Mir war klar, dass ich im Anschluss daran in keiner weiteren Serie auftreten wollte. Ich suchte nach Rollen, die mir etwas bedeuten und legte eine Theaterpause am Broadway ein. Dann kam das Drehbuch zu „Trumbo“, was mir sofort gefiel. Wenn allein nur meine Rolle überzeugend gewesen wäre, hätte mir das nicht gereicht, mir ist wichtig, dass die Story großartig ist.
Wie sehr hat „Breaking Bad“ Ihr Leben verändert?
Cranston: „Breaking Bad“ hat mein Leben komplett verändert! Die Serie wurde zu einem Phänomen, das selten ist. Es war wie eine Lawine in der Unterhaltungskultur, auf gewisse Weise wurde die Serie zur Ikone. Für mich haben sich daraus unglaublich viele Möglichkeiten ergeben, wofür ich für alle Zeiten dankbar sein werde. So etwas kann man nicht planen und auf solche Erfolge kann niemand hoffen. Wir wollten einfach eine gute Serie mit einer starken Story bieten – was daraus wird, liegt in den Händen des Publikums.
Was wäre nötig, um Sie für einen Auftritt in „Better call Saul“ zu überzeugen?
Cranston: Ein einziger Anruf von Vince Gilligan würde genügen! (Lacht) Bei Vince wäre ich mir absolut sicher, dass er das nicht nur für einen billigen Cameo-Auftritt ausnutzen würde, weil er die Figur von Walter White viel zu sehr respektiert. Aber das ist nun ein ganz neues Kapitel, ich weiß nicht, ob ein Auftritt so eine gute Idee wäre. Allerdings könnte ich mir gut vorstellen, die Regie bei ein paar Episoden übernehmen, um auf diese Weise meine Solidarität zum Ausdruck zu bringen.
Leonard Nimoy hat seine Autobiografie „I am not Spock“ betitelt. Gab es für Sie nie Momente, wo sie fürchteten, der ewige Walter zu werden?
Cranston: Es liegt am Schauspieler selbst, ob er sich auf ein bestimmtes Image festlegen lässt. Man muss sich neue Herausforderungen suchen und rigoros jene Rollen ablehnen, die Ähnlichkeiten mit jener Figur haben, die zum Erfolg geworden ist. Mir erging das damals nach der Serie „Malcolm mittendrin“ so, wo ich ständig vergleichbare Projekte angeboten bekam. Das habe ich alles abgelehnt, weil ich kein Derivat meiner selbst werden wollte. Solche Absagen fallen mir sehr leicht, weil ich wirklich lieber neue Dinge ausprobieren möchte.
Welche Folgen hat der Ruhm auf die Persönlichkeit?
Cranston: Ruhm verändert jede Persönlichkeit, da bin ich keine Ausnahme. Ich bin heute viel zurückgezogener als früher. Im Hotel rufe ich lieber den Zimmerservice als im Restaurant zu essen. Ich entziehe mich nach Möglichkeit der Öffentlichkeit. Zugleich ist es wichtig, dass man die richtigen Freunde hat. Ich möchte keine Unterhaltungen führen, in denen es ständig nur um mich geht, das langweilt schnell. Ich möchte über alle möglichen Themen reden und möglichst viel Spaß dabei haben.
Dann wäre Halloween vermutlich der Tag, an dem Sie sich ungestört in der Öffentlichkeit bewegen können, weil etliche Fans die Walter-Masken tragen…
Cranston: Stimmt, das habe ich schon ausprobiert. Wir hatten zur Halloween in New Orleans gedreht und ich bin dann mit meinem originalen Film-Kostüm in das französische Viertel gegangen. Aber alles was an Reaktionen kam, waren abschätzige Blicke und Kommentare wie ‚ganz nett’! (Lacht)
Was machen Sie als nächstes?
Cranston: Ich spiele in einem sehr kleinen independent-Film, der nur ein winziges Budget hat, aber dessen Story mich total begeisterte. Es geht um einen erfolgreichen Anwalt, der völlig im Hamsterrad steckt und einfach die Pause-Taste drückt. Deshalb versteckt er sich in seiner Garage versteckt, von wo aus er sein weiteres Leben ablaufen sieht – ohne das er selbst noch weiter dabei ist.