Die Hamburger Band Kettcar mit ihrem Sänger und Mitinhaber des Independent Labels Grand Hotel Van Cleef, Marcus Wiebusch, ist eine Institution der deutschen Indierockszene. Wir sprachen mit Marcus, der zuletzt mit seinem Soloalbum »Konfetti« erfolgreich war, über die Schwierigkeit die richtigen Worte zu finden und das Schicksal der Band immer auf ihn warten zu müssen.
„Bis ich so einen Text fertig habe, da können auch schon mal Wochen und Monate vergehen,“ erzählt uns Marcus Wiebusch. Auch wenn das Rebellische aus früheren Zeiten, in denen er sich als Gitarrist, Sänger und Songwriter der Punkband But Alive im Schlepptau der „Deutschland muss Sterben“ – Punker von Slime durch die Städte schwang, längst ein wenig in den Hintergrund gerückt ist, hat sich der Anspruch textlich eine emotionale Tiefe zu erreichen mit den Jahren und dem Alter noch verstärkt. Hier hat jemand etwas zu sagen. Das muss überlegt sein. In unserem Gespräch wird deutlich, das sich der 47-Jährige nicht einfach nur mit dem gegenwärtig Erreichten zufrieden gibt. Neuer Herausforderungen bedarf es. Immer. Marcus saugt Informationen aus Büchern und Filmen wie ein Schwamm in sich auf, stets mit dem Ziel der eigenen Inspiration genügend Nahrung zu geben. „Mit der Akustikgitarre auf der Bettkante, nach einem langen Tag im Büro, wird das eher nichts.“ Das glauben wir beim Hören seiner Texte gerne und sind froh über soviel Anspruch an sich und an seine Musik.
Mit gut drei Jahren zwischen den Alben lasst ihr Euch relativ viel Zeit. Ist das Taktik, oder geht es einfach nicht schneller?
Also ganz egal wie die Band gerade unterwegs ist, oder sich aufstellt, das Problem sind immer die Texte, die einfach sehr, sehr viel Zeit brauchen. Wenn es nur nach der Musik ginge, würden wir sicherlich jedes Jahr eine Platte raus bringen.
Der Sänger ist also Schuld?
Da brauchen wir nicht drum herum reden. Bis ich so einen Text fertig habe, da können auch schon mal Wochen und Monate vergehen. So erklären sich dann auch drei Jahre.
Und die Band übt sich in geduldiger Erwartung?
Naja, dass liegt halt so ein bisschen in der Natur der Sache. Die Band ist immer irgendwie Gewehr bei Fuß. Als ich dann alle Texte beisammen hatte, ging es aber auch Schlag auf Schlag.
Was braucht dabei soviel Zeit?
Also neben der grundsätzlichen Idee für einen Songtext, ist es am Schwierigsten den emotionalen Kern einer Geschichte zu erfassen. Da vergeht eine kleine Ewigkeit. Es ist ja bekannt, dass Kettcar sehr viel wert auf die Texte legt. Wenn ich mich zum Beispiel an das letzte Album zurück erinnere (Dritter Song auf dem Album „Sylt“; Anm. d. Red.), da hatte ich für den Song „Am Tisch" an die zweihundertfünfzig Sätze aufgeschrieben. Geblieben sind am Ende fünfzehn. Die wirkliche Arbeit ist also das Streichen. Immer und immer wieder muss man sich selber hart ran nehmen und überlegen wohin die Reise eigentlich geht. Wenn das dann phonetisch nicht sitzt, oder der Mittelteil nicht gut ist, ….
Kann man den Song gleich in die Tonne treten?
Nein, aber dann muss man da noch mal ran. Das ist halt die Schwierigkeit mit der deutschen Sprache. Nicht der beste Satz ist auch der Geeignetste. Es muss ja auch immer gut klingen und rhythmisch einwandfrei sein. Mit all solchen Geschichten musst Du dich dann herumschlagen. Da vergeht schon seine Zeit.
Wie stimulierst Du dich um auf deine Textideen zu kommen?
Ich habe festgestellt, dass ich selber für ganz viel Input sorgen muss. Lesen. Kino. Das brauche ich um eine Stimmung zu erreichen, in der ich aufnahmefähig genug bin, um einen Geistesblitz zu bekommen. Dazu gehört natürlich auch ein gewisses Maß an Entspannung. Ich muss das Alltägliche um mich herum sacken lassen. Mit der Akustikgitarre auf der Bettkante, nach einem langen Tag im Büro, wird das eher nichts.
Und beim nächsten Song wieder alles von vorne?
Ja, das ist ein Teufelskreis. Bis da wieder der Geistesblitz kommt: „Zack darüber schreibe ich jetzt“, dass kann dauern.
Wie reagiert euer Publikum bei Konzerten denn auf neue Lieder?
Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die neuen Songs Live erst einmal schwierig sind. Wenn man das Publikum gerade so richtig mit den alten Hits vereinnahmt hat, ist alles Neue im ersten Moment komisch und ungewohnt. Dadurch, dass die Platte in der Regel auch erst kurz vorher erschienen ist, weißt Du einfach auch nicht wie die Leute reagieren werden. Wir müssen ja teilweise selber erst einmal sehen, was überhaupt die neuen Hits sind.
Klingt nach Abenteuer?
Ja, aber wir sind in der luxuriösen Situation, dass wir alleine von den ersten drei Platten genügend Songs haben um jeden Abend etwas anderes auszuprobieren. In Verbindung mit den neuen Stücken können wir dann fröhlich zwischen neu und alt variieren. Es wird auf jeden Fall auf unserer "Zwischen den Runden"-Tour jeden Abend ein anderes Set geben. Sozusagen ein Potpourri der guten Laune.