Robert Zemeckis’ Here bietet ein Paradebeispiel für die Ambivalenz technologischer Innovation im Kino. Die beeindruckende Nutzung von CGI und digitaler Verjüngung zeigt einerseits die unbestreitbaren Möglichkeiten moderner Technologien, andererseits aber auch deren Limitierungen, insbesondere im Hinblick auf die emotionale Wirkung einer Erzählung.
Worum geht es?
Robert Zemeckis’ neuester Film “Here”, mit Tom Hanks und Robin Wright in den Hauptrollen, ist ein ambitioniertes Projekt, das versucht, die Geschichte eines einzigen Raumes über Jahrhunderte hinweg aus einer festen Kameraperspektive zu erzählen. Mit „normalen“ Möglichkeiten, sofern man verschiedene Schauspieler für ein und dieselbe Rolle einsetzen möchte, wie es früher üblich war, kommt man da auf glaubwürdige Art nicht weit. Auch Make-up hilft in punkto realitätsnah nur beschränkt. Jung auf alt gemacht, okay. Aber aus alt mach jung? Schwierig.
Robert Zemeckis nimmt es bekanntermaßen sportlich und stellt sich technologischen Herausforderungen.
Ob bei „Forrest Gump“, als auch bei seinem CGI-Weihnachtsklassiker „Der Polarexpress“. Nun also „Here“. Basierend auf der Graphic Novel von Richard McGuire, nutzt Zemeckis für seinen neuesten Film neben dem obligatorischen Computer Generated Imagery, kurz CGI, die Möglichkeit der digitalen Verjüngung, um die Darsteller – hier Tom Hanks und Robin Wright, die zuletzt für „Forest Gump“ gemeinsam vor der Kamera standen – in verschiedenen Lebensphasen darzustellen. Dabei nutzt er eine einzige, feste Kameraeinstellung, was an Sitcoms erinnert und die Sache durchaus interessant macht.
Neue narrative Möglichkeiten?
Die digitale Verjüngung der Schauspieler wird in „Here“ mittels Künstlicher Intelligenz erzeugt. Obwohl dies ermöglicht, die Charaktere über verschiedene Lebensabschnitte hinweg darzustellen, wirkt das Ergebnis auch in diesem Film nicht immer überzeugend. Bei emotional tiefgehenden Szenen wirkt die Technik oft als Barriere, da subtile mimische Nuancen verloren gehen oder unnatürlich erscheinen. “Here” zeigt, dass der übermäßige Einsatz technischer Mittel die emotionale Resonanz eines Films beeinträchtigen kann.
Klar ist aber auch, technologische Innovationen können neue narrative Möglichkeiten eröffnen.
Entscheidend ist die Balance zwischen technischer Raffinesse und emotionaler Wirkung, um das Publikum nachhaltig zu berühren. Auf Kosten der emotionalen Tiefe und Authentizität sollten die technischen Spielereien nicht gehen. Wer „The Irishman“ von Martin Scorcese gesehen hat, weiß, wie schief der Einsatz der digitalen Verjüngung gehen kann. Das unrühmliche Ergebnis: Maskenhafte, unnatürlich, geglättete Gesichtsausdrücke, die montiert auf einem alten Körper einfach nur lächerlich wirkten. Der letzte Indiana Jones Film, weiß davon ebenfalls ein Liedchen zu trällern. Bei „The Irishman“ half am Ende all das Talent von Robert De Niro, Joe Pesci & Co. nichts. Der ernstgemeinte Film, hatte seine Lacher weg.
Es kann auch funktionieren
Es gibt einige positive Beispiele: James Camerons Einsatz von Motion-Capture-Technologie und 3D hebt „Avatar„ auf eine neue Ebene des visuellen Storytellings. Die digitalen Figuren wirken glaubhaft und emotional, weil die Technik eng mit der Darstellung der Schauspieler verbunden ist. Der Zuschauer spürt die Verbindung der Charaktere zu ihrer Welt, was die emotionale Bindung intensiviert. Auch „Gravity“ von Alfonso Cuarón aus dem Jahr 2013 gelingt der Balanceakt. Hier wird Technik genutzt, um das Gefühl von Isolation und Schwerelosigkeit im Weltall zu vermitteln. Die langen Kamerafahrten und fotorealistischen Effekte ziehen den Zuschauer in die verzweifelte Lage der Protagonistin (Sandra Bullock), wodurch eine intensive emotionale Identifikation entsteht.
Aktuell ist mit „Mufasa“, der Vorgeschichte zu „Der König der Löwen“ (2019, Regie: Jon Favreau), ein weiteres Positivbeispiel in den Kinos zu bewundern.
Regisseur Favreau – vielen als IRONMANS rechte Hand Happy aus dem MARVEL Universum bekannt – beweist mit dem Prequel, dass fotorealistische Animation nicht unbedingt leblos sein muss. Obwohl einige Kritiker den Mangel an “Mimik” bei den Tieren anmerkten, schaffte die Technik dennoch eine beeindruckende visuelle Welt, die den emotionalen Kern der Geschichte unterstützte. Anders bei der Hobbit-Trilogie (2012–2014, Regie: Peter Jackson). Im Vergleich zu „Der Herr der Ringe„ leidet „Der Hobbit„ unter dem übermäßigen Einsatz von CGI. Szenen, die in „Herr der Ringe„ mit echten Sets und Make-up-Effekten gestaltet wurden, wirken hier oft künstlich und emotionslos. Die Folge: Die Verbindung zum Publikum wird geschwächt, da die Immersion in eine glaubwürdige Welt fehlt. Im Ergebnis enttäuschend. Dem Einspielergebnis tat dies dennoch keinen Abbruch: 2,93 Milliarden Dollar Umsatz waren so schlecht nicht.
Die Balance ist entscheidend
Bleibt festzuhalten: Technik im Film sollte nie reiner Selbstzweck sein. Sie funktioniert dann am besten, wenn sie unauffällig der Geschichte dient und die emotionale Wirkung verstärkt. Die Technik sollte so eingesetzt werden, dass sie den Zuschauer unterstützt, nicht ablenkt. Regisseure wie James Cameron oder Alfonso Cuarón zeigen, wie dies gelingen kann – andere Beispiele, wie „The Irishman“ oder „Der Hobbit„, verdeutlichen leider, wie die Dominanz der Technik die Verbindung zwischen Zuschauer und Film schwächen kann. In „Here„ ist diese Ausgewogenheit nicht durchgängig gelungen. Böswillig kann man „Here„ sicherlich als technischer Meilenstein, denn als emotional mitreißendes Werk verstehen. Oder man genießt einfach die unterhaltsame Familiengeschichte über 100 Jahre hinweg und läßt sich von dem ganzen technischen Drumherum nicht groß ablenken. Vielleicht die beste Lösung, denn schlechtes Kino ist es definitiv nicht.
Here
Kinostart: 12.12.24
Regie: Robert Zemeckis
Darsteller: Tom Hanks, Robin Wright, u.a.