Durch den Berlin Calling-Hit »Sky and Sand«, einer Ko-Produktion mit seinem älteren Bruder Paul Kalkbrenner, wurde 2009 ein größeres Publikum auf Fritz Kalkbrenner und seine melancholische Stimme aufmerksam. »Get A Life«, die Single-Auskopplung des zweiten, gemeinsam mit den Suol-Labelkollegen Chopstick und Johnjon produzierten Albums »Sick Travellin‘«, stieg direkt von 0 auf 22 in die Charts ein.
Was hat sich seit »Sky and Sand« für dich verändert?
Natürlich viel. Aber wenn bei einem Künstler ein Überaugenmerk auf eine Nummer gelegt wird, kann sich das auch zu einer Hassliebe verwandeln, was bei mir in Wellen ging. Unterm Strich hat das funktioniert wie ein Türöffner mit einem erhöhten Interesse einer breiteren Öffentlichkeit für meine Musik. Allein aus dem letzten Jahr bin ich mit 130 Shows herausgegangen, was echt viel ist.
Bist du des Reisens als Live-Act überdrüssig geworden?
Der Titel meines neuen Albums bezieht sich weniger darauf, als Live-Musiker unterwegs und krank zu sein. Eine Reise kann auch über einen bestimmten Lebensabschnitt gehen, darauf schauend, was man bisher vollführt hat. Und wenn die Balance nicht stimmt, ist man eigentlich zum Niedergang verdammt. Gerade in der Clubmusik stehen sich Dinge wie Exzess und Vernunft gegenüber. Was meine Tourneen anbelangt, macht mir das immer noch sehr viel Spaß.
Hattest du einen Erfolgsdruck für das zweite Album?
Über Leistungserwartungen habe ich gar nicht nachgedacht. Das hätte auch nicht zum Guten geführt, wenn ich auf Krampf versucht hätte, mit der Brechstange irgendwelche Erwartungen zu erfüllen. Es gibt diesen Spruch, der irgendwann mal im Indie-Rock geprägt wurde: Für das erste Album hast du das halbe Leben Zeit hat und für das zweite nicht mal ein Jahr. Wenn man dann nicht sowas wie einen roten Faden hat, also nicht genau weiß, wie man sich im zweiten Album ausrücken will, dann kann es wirklich schwierig werden. Bei mir war das glücklicherweise nicht der Fall. Ich habe schon sehr früh gewusst, wie sich der Klang verändert und welche Zugrichtung das Album nehmen soll.
Im Vergleich zum Debüt ist der Sound jetzt glatter und perfekter.
Die Lust zur Instrumentierung ist größer geworden und der Wille, dass die Kompositionen besser werden. Ich muss jetzt schon fast die Bremse treten, um nicht zu glatt zu werden. Es hat ja schon ein paar Leute gegeben, die wegen dem Hang zur Perfektion in Schönheit gestorben sind. Vielleicht muss ich mal wieder ein paar schmutzige Clubnummern machen.
Durch deinen Gesang wirkt das neue Album sehr melancholisch.
Viele Aspekte des täglichen Lebens sind viel zu gebrochen, viel zu zweischneidig für eine einförmige Emotion. Nur positiv und gut wäre zu flach, dafür ist das Leben viel zu kompliziert und manchmal auch unangenehm. Schwermut ist eine kräftige Emotion und wirkt meistens länger nach. Das Melancholische meines Gesangs ist zum Teil auch meinem Charakter geschuldet. Trotzdem bin ich ein lebenslustiger Typ – das widerspricht sich ja nicht.
Entstanden ist das Album in den neuen Suol-Studios in Kreuzberg, dem kreativen Zentrum Berlins. Hat dich die Umgebung beeinflusst?
Als wir das Album gemacht haben, war es noch Sommer. Draußen vor der Tür waren Unmengen an Menschen unterwegs – ein wilder Ameisenhaufen. Aber wir haben trotzdem alles sehr zügig und produktiv durchgezogen. Wir haben nichts liegen oder uns ablenken lassen.
Ihr seid nicht mal schnell um die Ecke in einen der vielen Clubs gegangen?
Vielleicht gerade weil wir in der Nähe des Geschehens sind, mussten wir nicht raus. Anders wäre es wohl gewesen, wenn wir das Album in Lankwitz produziert hätten, dann wären wir doch mal ins Watergate gefahren. Die mögliche Ablenkung war eher ein kreativer Ansporn.
Das Interview mit Fritz Kalbrenner führte Stefan im Oktober 2012.
Foto ©: Torben Conrad