Wie wir euch schon in unserem Wochenrückblick berichtet haben, muss der Privatclub in Kreuzberg zurzeit um seinen Standort fürchten. Die Location ist dafür bekannt jungen Bands die Möglichkeit zu bieten Konzerte unter idealen Bedingungen zu spielen. In den letzten fünf Jahren fanden hier an die 1600 Auftritte statt. Nun ist der Fortbestand des Venues gefährdet, denn das Gebäude, in dem sich der Privatclub befindet, wurde von den Samwer-Brüdern gekauft.
Für Menschen außerhalb der Start-up-Szene: Das sind Investoren, die mit ihren Firmen (früher Jamba, heute u.a. Delivery Hero aka Lieferheld und Zalando) meist nur eines im Sinn haben – den größtmöglichen Profit zu machen. Daher wurde dem Betrieber des Privatclubs, Norbert Jackschenties, auch direkt eine horrende Mieterhöhung angedroht, welche dieser allerdings nicht zu akzeptieren bereit ist. Der aktuelle Mietvertrag – gültig bis 2022 – gibt da aktuell noch Rückendeckung. Darüber hinaus? Hier beginnen die großen Fragezeichen, denn eine längerfristige Duldung der Location scheinen die Investoren nicht zu wollen. Um die Lage etwas genauer zu erklären und mögliche Lösungsansätze zu besprechen, haben sich am Montagvormittag Betreiber Norbert Jackschenties, Lutz Leichsenring von der Clubcommission und Katja Lucker vom Musicboard Berlin im Privatclub eingefunden. Wir waren dabei und haben für Euch die wichtigsten Infos zusammengetragen.
Clubkultur stirbt nicht. Sie wird getötet.
Dass gerade kleinere Läden immer wieder mit Problemen zu kämpfen haben, ist keine Neuigkeit. Katja Lucker teilt mit, dass auch zwei anderen Clubs, die noch nicht genannt werden wollen, von Kündigungen bedroht sind. Berlin brauche aber kleine Locations, wie den Privatclub, um weiterhin junge Musiker zu fördern. Daher wird sich auch im Kultursenat von Berlin für Erhalt der Konzertlocation eingesetzt, ein Brief an die Samwer-Brüder wurde letzte Woche abgeschickt. Der Brief sei „nett-fordernd“ gehalten und soll die Investoren zu Gesprächen bringen.
Lutz Leichsenring, Katja Lucker und Norbert Jackschenties stellen sich den Fragen zum Privatclub. Foto: © [030] Magazin
Norbert Jackschenties erklärt, dass im Privatclub, wie er jetzt ist, viel persönliche Arbeit steckt. Alles ist selbstfinanziert, aus einer Halle, die nur noch Ruine war, ist eine ansprechende Umgebung für Live-Musik geworden. Den Schallschutz hat beim Umbau das Umweltamt abgenommen, der vorige Vermieter war daran interessiert Kultur zu ermöglichen. Eigentlich ideale Bedingungen, um aufstrebende Künstlern eine Bühne zu geben. Norberts Mietvertrag gilt, wie erwähnt, noch bis 2022, so lange scheint es eine Art Sicherheit für das Bestehen des Privatclubs zu geben. Doch am Erhalt hätten die Samwer-Brüder kein Interesse, das sei ihm deutlich mitgeteilt worden. Die geforderte doppelte Miete kann sich Norbert Jackschenties nicht leisten, er hat den Eigentümern allerdings angeboten eine höhere Miete zu zahlen, als er es jetzt tut. Nach eigener Aussage ging er dabei bis an die eigene finanzielle Schmerzgrenze. Doch das wollen die Vermieter nicht und gehen sogar noch einen Schritt weiter. In der Etage über dem Privatclub befindet sich neuerdings ein Start-Up-Unternehmen, das offensichtlich nicht genau wusste, worauf es sich einlässt. Es ging davon aus, dass die Musik von unten auf wenige Male in der Woche begrenzt sei. Im Mietvertrag von Norbert Jackschenties steht davon allerdings nichts, wer auf die Website des Privatclubs geht, kann sehen, dass dort oft Musik gemacht wird. Jetzt stören die Soundchecks am Nachmittag die Mitarbeiter des Start-Ups, welches aber wiederum nicht Jackschenties dafür die Schuld gibt. Wie es scheint, wurde diesbezüglich schlichtweg Seitens des Vermieters falsche Informationen weitergegeben. Das Problem haben nun die Mieter untereinander. Wir erinnern uns zurück an den nicht vorhandenen Schallschutz eines Neubaus in direkter Angrenzung zum damaligen Knaack-Club in der Greifswalder Strasse. Die Folge: Am Ende dürfte der Club die Zeche zahlen und wurde nach Jahrzehnten des Betriebes geschlossen. Man ahnt hier Böses.
Der fehlende Dialog
Der Großteil der Kommunikation der Sanwer-Brüder mit dem Privatclub besteht aus Anwaltsbriefen und der Androhung von drastischen Mieterhöhungen. Für Lutz Leichsenring besteht daher ein wichtiges Ziel im etablieren eines echten Dialogs. Man müsse mit Vertretern der Start-Up-Szene in Kontakt kommen und darüber reden, wie es weiter möglich ist, Kreativität und kreativen Raum in Berlin zu erhalten. Ob so eine Gesprächsrunde zusammen kommt bleibt abzuwarten. Auf die Frage, wie Norbert Jackschenties die Sache einschätzt meint er: «Wenn ich nicht die Hoffnung hätte, würde ich hier nicht stehen. Dann würde ich meinen Job machen und mich damit abfinden, hier in viereinhalb Jahren die Türen zu schließen. Wenn man nicht aufgibt, kommt man meistens weiter.» Falls ernsthafte Gespräche nicht erreicht werden können, geht der Privatclub den Weg über die Öffentlichkeit. «Wir haben wirklich viel Hilfe. Der Senat steht unterstützend hinter uns, dazu die komplette Musikszene. Wenn jetzt nichts passiert, wird es der nächste Schritt, dass viele Musikschaffende an die Öffentlichkeit gehen. Von sehr bekannten Leuten, bis zu unbekannten. Ich werde jede Möglichkeit ausschöpfen.«
Es bleibt also abzuwarten, wie sich das aktuelle Bemühen, den Privatclub zu halten, auszahlt. Klar geworden ist, dass Berlin ein ernsthaftes Problem bekommt, wenn Firmen attraktive Räume in der Stadt zur schlichten Profitmaximierung aufkaufen und kleinere Kulturstätten verdrängen. Ein stärkerer rechtlicher Schutz für kulturelle Einrichtungen ist dringend erforderlich, wenn die Stadt ihr vielfältiges Kulturangebot in Zukunft erhalten will. Bis solche Gesetzesänderungen allerdings angepackt werden, könnte es für den Privatclub bereits zu spät sein. Wir hoffen, dass sich die Samwer-Brüder eines Besseren besinnen und dem Dialog eine Chance geben. Doch richtig glauben können wir an deren Bereitschaft nicht. Leider.