Berlin verändert sich architektonisch, kulturell und in den kleinen Alltagsgewohnheiten seiner Bewohner. Während einst der Geruch von Tabakrauch die Straßenecken und Kneipen prägte, zieht heute eine neue Duftwolke durch die Hauptstadt: süß, fruchtig, manchmal überraschend würzig.
Das Dampfen von E-Zigaretten prägt das Stadtbild, verändert das Konsumverhalten und wirft neue Fragen auf. Ein Blick auf eine Bewegung, die aus den Subkulturen heraus in die Berliner Mitte vorgedrungen ist.
Zigarettenpause war gestern
Ein kurzer Blick auf einen Berliner Park genügt, um die Veränderungen im Rauchverhalten der Berliner zu bemerken. Zwischen Picknickdecken, Joggern und Skateboards steigen kleine Dampfwolken in die Luft. Was früher nach Tabak roch, verströmt heute Vanille, Wassermelone oder wahlweise Cola-Eis. Die E-Zigarette ist längst Teil des Stadtbildes geworden, dezent, mobil, geschmacksintensiv. Eine zentrale Rolle spielen dabei die sogenannten Liquids, also die Aromaflüssigkeiten, die verdampft werden. Die Auswahl an Liquids für E-Zigaretten ist mittlerweile so groß, dass sich eigene Szenen mit klaren Vorlieben von fruchtig bis herbstlich-würzig entwickeln.
Zwischen Lifestyle und Konsumkultur
Besonders in Stadtteilen wie Kreuzberg, Friedrichshain oder Neukölln ist das Dampfen mittlerweile ein modisches Statement. Beobachtet man die Cafés entlang des Landwehrkanals oder die Schlange vorm SO36, fällt auf, dass viele Berliner zur Vape greifen, als wäre sie ein Accessoire. Dabei hat sich der Konsum von Nikotin in der Hauptstadt seit 2020 deutlich verändert. Der Anteil der 18- bis 29-Jährigen, die gelegentlich E-Zigaretten nutzen, hat sich in urbanen Gebieten innerhalb von drei Jahren fast verdoppelt. Das zeigt, dass die E-Zigarette zunehmend zum Ersatz für das klassische Rauchen wird.
Weniger Kippen, mehr Wolken
Die klassische Kippe verliert in der Großstadt an Boden, zumindest in bestimmten Milieus. In Szenekneipen und Bars gelten E-Zigaretten oft als „die zivilisiertere Alternative“, nicht zuletzt wegen des fehlenden Geruchs und der geringeren Rauchentwicklung. Auch Umweltaspekte spielen eine Rolle. Während Zigarettenkippen weiterhin zu den häufigsten Müllarten auf Berliner Straßen zählen, immerhin landen rund 3,5 Millionen Stück täglich auf den Straßen, entsteht beim Vaping deutlich weniger sichtbarer Abfall. Die Diskussion um nachhaltige Pods und Mehrweggeräte ist trotzdem nicht beendet.
Rechtliche Grauzonen an der Spree
Vaping ist in Berlin derzeit rechtlich eine Zwischenwelt. Das Nichtraucherschutzgesetz von Berlin erfasst elektronische Verdampfer nur teilweise. In vielen öffentlichen Räumen liegt es im Ermessen der Betreiber, ob das Dampfen erlaubt ist. So darf in manchen Clubs wie dem Berghain im Raucherbereich auch gevaped werden, in anderen wiederum herrscht komplettes Dampfverbot. Diese Uneinheitlichkeit sorgt für Verwirrung und führt zu hitzigen Diskussionen zwischen Befürwortern und Kritikern der Dampfkultur.
Vom Späti ins Szeneleben
Der Verkauf von E-Zigaretten und Liquids ist online wie offline erfolgreich. Inzwischen gibt es eine wachsende Zahl spezialisierter Vape-Shops, die sich vor allem in belebten Vierteln etabliert haben, oft Tür an Tür mit Craft-Bier-Läden oder nachhaltigen Barbershops. Aber auch klassische Spätis ziehen nach. Einige Betreiber berichten, dass Liquids mittlerweile zu den meistverkauften Produkten nach Bier und Zigaretten gehören. Hierbei entscheidet häufig der Geschmack. Wenn man Vanillepudding, Grapefruit oder Hanf-Minze aus der kleinen Metallröhre inhaliert, setzt man ein Konsumzeichen und ein olfaktorisches Statement. Vaping wird damit Teil der kollektiven Wahrnehmung einer Stadt, genauso wie Graffiti, Straßenmusik oder das Klackern der Ampelmännchen.