[030] Rückblick und Comeback des Jahres

Wir hatten zu kämpfen. Nicht zwingend ums überleben. Eher, um aus dem Loch rauszukommen, dass uns Nicht erst seit 2020 Corona den kompletten Kulturbereich in Berlin aus den Angel gehoben hatte, stürzten wir in ein tiefes Loch. Schon vorher begann ein schleichender Abnutzungsprozess. Zeit für ein Geständnis und einen hoffnungsvollen Ausblick.

Zeit für eine Bestandsaufnahme. 2016 hatte ich das [030] Magazin übernommen. Mit vollem Elan wieder aufgebaut. Menschen für die [030] begeistert, die sich trotz schmaler Bezahlung dem Unterfangen Wiederaufbau anschlossen. Zuerst online. Mathis, Carina, Philipp. Ewige Dankbarkeit. Schließlich, Ende 2016 folgte der Relaunch der [030] Printausgabe. Mit kleinem mit Team haben wir fünf superschöne [030] Ausgaben aus dem Boden gestampft. Auf dem Cover und im Heft: Titelgeschichten über Straßenkinder, den Ausverkauf von Street Art durch Konzerne, die Vielfalt des deutschen Genrekinos oder der Einfluss von Sexpositive Partys auf das Berliner Nachtleben. Wir haben berichtet. Knapp 100 Seiten Berlin. Kostenlos. An 40 Standorten. Gern geschehen!

NEUER LOOK GEWINNT


Die [030] war jetzt nicht mehr das Anzeigenblatt aus den 1990ern, dass kostenlos bei Mäckes lag. Zumeist mit den beschissensten Mainstream-Parties auf dem Cover. Nicht mehr das Heft, das sein Gesicht an den meistbietenden verkaufte, bis es nur noch eine häßliche Fratze war. Synonym des schleichenden Berliner Ausverkaufs. Doch Print ohne Anzeigen? Schwierig. Nach fünf Ausgaben war Schluß. Das Konto tief im Minus. Veränderung war unabdingbar. Das Team verkleinerte sich. Der Output war wieder nur online verfügbar. Schwere Monate nach Phasen der Hochs. Es dauerte etwas, bis sich der Effekt der Printausgabe, wenn schon nicht finanziell, am Ende auszahlte. Wir waren wieder wer. Hatten bewiesen, dass wir ein inhaltlich und stilistisch richtig cooles Blatt machen. Vor allem, dass wir keinen Scheiß supporten! Haltung zeigen.

CORONA MY ASS!

Auf dieser Welle konnten wir eine Weile ganz gut reiten. Neue Projekte wurden angegangen. Filmprojekte. Fahrende [030] Mobile mit Bar und DJ-Pult. Eine leere Fabriketage angemietet und ausgebaut. Als Büro, Studio, Eventlocation. Dazu viele Projekte abseits des direkten [030] Kosmos. Und dann kam Corona. 280 Quadratmeter in Lichtenberg und keine Aussicht auf die anvisierte Nutzung. Volle Miete musste dennoch bezahlt werden. Da war mit dem Vermieter nicht zu reden. Derweil schrieben mich Veranstalter und Clubs an, ob wir etwas zu ihren Streams machen. „Support your Locals!“

Uns, als Magazin, dass die Szene seit Jahrzehnten redaktionell unterstützte, fragte keiner fragte, wie wir mit der Situation, in der alles geschlossen war, Kultur nicht stattfand, als berichtendes Magazin umgehen?

Schade eigentlich. Ich hätte mich gefreut. Neben den Herausforderungen, die sich für das Magazin, und mich als Herausgeber persönlich, durch die Pandemie stellten, schlich sich bei mir, nach vielen glücklichen Jahren mit dem Magazin, auch eine gewisse Berlin-Müdigkeit ein. Die Stadt veränderte sich. Mir wurde sie egaler und damit auch die Lust an der Berichterstattung. Das ist an der [030] in den letzten zwei Jahren nicht spurlos vorüber gegangen. Ich hatte schlicht keinen Bock mehr über eine Szene zu berichten, von der man nichts zu erwarten hatte.

030, genrekino

NEU VERLIEBT!

Doch, wie es manchmal so ist, wenn man Abstand von etwas nimmt, weil sich das Interesse verschoben hat, kommt die Lust manchmal wieder zu einem zurück. Nachdem ich mich im letzten Jahr journalistisch als Reporter abseits der Berliner Themen ausgetobt habe, ist diese Lust wieder zurück. Zeit den journalistischen Fokus wieder auf die Hauptstadt zu legen. 

Im dreißigsten Jahr ihres Bestehens, habe ich daher beschlossen, die [030] wieder mit Vollspeed aufleben zu lassen.

Mit dem selben Tatendrang, wie bei der Übernahme des Magazins 2016, gehe ich die Sache Vollzeit an. Um das Neue zu unterstreichen, habe ich der Seite in den vergangenen Tagen einen kleinen Relaunch verpaßt. Neues Design. Neue Inhalte. Zukünftig findet ihr wieder aktuelle Konzerttipps, Kulturtipps, Interviews, Artikel, Reportagen, kurz diverse redaktionell kuratierte Inhalte.
Auch neue Formate, wie den [030] Berlin Unplugged Podcast oder das Kurzformat [030] Radar, stehen in den Startlöchern. Dazu in den kommenden Wochen konkretere Infos.

Ob das, nach all den Monaten der inhaltlichen Tristesse noch jemanden interessiert?
Das ist mir persönlich erstmal egal.

Ich habe Bock und [030] ist stark genug, um auch mal eine Durststrecke zu überleben.

Dreißig Jahre.
Das ist doch kein Alter!

Ich freue mich über alle, die ein Stück mit uns des Weges gehen.

Tim Schäfer

Tim Schäfer

[Herausgeber]

 

 

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