Verkauft wird der Actionkracher „Hardcore“ als erste leinwandsprengende First-Person-Experience der Filmgeschichte, was natürlich nur zur Hälfte stimmt. Leinwandsprengend ist das, was Kinodebütant Ilya Naishuller dem Zuschauer hier zumutet, allemal. Filme, die beinahe komplett aus der subjektiven Perspektive des Protagonisten erzählt werden, gab es aber schon früher. Etwa Robert Montgomerys Noir-Krimi „Die Dame im See“ von 1947.
Zum Inhalt braucht man eigentlich nicht viel zu sagen, da Geschichte und Figuren bloß schmückendes Beiwerk sind: Kurz nachdem die Wissenschaftlerin Estelle (Haley Bennett) ihren Mann, die kybernetisch aufgemotzte Kampfmaschine Henry, aus einem Dämmerzustand zwischen Leben und Tod geweckt hat, wird das Labor auch schon von schießwütigen Söldnern und einem gewissen Akan (Danila Koslovsky) gestürmt, der eine Armee biotechnisch aufgerüsteter Krieger produzieren will. Zunächst gelingt Henry und Estelle die Flucht, indem sie die auf einem Flugschiff gelegenen Räumlichkeiten mit einer Rettungskapsel verlassen. Als das Ehepaar jedoch auf den Straßen Moskaus landet, nimmt das Unglück seinen Lauf. Estelle wird entführt. Und nun liegt es an Henry, Akan und seine Schergen aufzuspüren. Große Aufmerksamkeit konnte Ilya Naishuller, der Frontmann der russischen Punkrockband „Biting Elbows“, mit seinem Ego-Shooter-Video zum Song „Bad Motherfucker“ generieren. Actionspezialist Timur Bekmambetov („Wanted“) ließ sich von den Inszenierungskünsten des Musikers überzeugen und ebnete als Produzent den Weg für den adrenalingeschwängerten First-Person-Streifen „Hardcore“. Dass es darin ordentlich zur Sache geht, lässt schon der stilisiert-brutale Vorspann erahnen, der ausführlich zeigt, wie unterschiedliche Waffen und Gegenstände auf den menschlichen Körper einwirken.
Ist Henry, durch dessen Augen wir die folgenden 90 Minuten erleben, einmal erwacht, heißt es fast nur noch Laufen, Schlagen, Springen und Schießen. Während die Köpfe unzähliger namenloser Gegner zerplatzen und das Blut in alle Richtungen spritzt, gelingen dem Regiedebütanten einige durchaus reizvolle Actionszenen. Zum Beispiel dann, wenn wir mit Henry eine Hauswand hinaufklettern oder uns in höchstem Tempo aus einem mehrstöckigen Gebäude abseilen. Auf lange Sicht ist die frenetische, dauerwackelnde Kamera allerdings äußerst ermüdend und ruft im schlimmsten Fall sogar handfeste Schwindelgefühle hervor. Als Zuschauer behält man im wilden Kampfgetümmel nicht immer den Überblick. Und eine bedingungslose Identifikation, wie sie die Ego-Perspektive eigentlich hervorrufen soll, stellt sich zu keinem Zeitpunkt ein, da Henry, der nicht einmal sprechen kann, komplett profillos bleibt. Für etwas Abwechslung sorgen die skurrilen Auftritte Sharlto Copleys, der dem Protagonisten als aufgekratzter Jimmy in unterschiedlichen Klon-Manifestationen aus der Patsche hilft. Der schwarze Humor, der regelmäßig aufblitzt, macht das rabiate Treiben ein wenig erträglicher, kann den enthemmt-stupiden Amoklauf aber nicht entscheidend aufwerten.
Hardcore
Länge: 90 Min.
Regie: Ilya Naishuller
Darsteller: Haley Bennett, Sharlto Copley, Danila Kozlovsky, Tim Roth