Wer einen starken Magen hat, dürfte an Jeremy Saulniers grimmigem Survival-Schocker „Green Room“ große Freude haben. Nach dem unkonventionellen Rachethriller „Blue Ruin“, der 2013 in Cannes uraufgeführt wurde, stellt der junge US-Filmer erneut unter Beweis, dass in ihm ein begeisterter Genrekünstler steckt.
Für die Punkband „The Ain’t Rights“ läuft es alles andere als rund. Um auf ihrer Reise durch den Nordwesten der USA voranzukommen, müssen die Musiker Benzin klauen und erfahren kurz darauf, dass ein Gig, der etwas Geld in ihre leere Kasse spülen soll, nicht stattfinden kann. Kurzerhand lassen sich Pat (Anton Yelchin) und seine Freunde auf ein äußerst zweifelhaftes Angebot ein und schlagen mitten in der Pampa in einer Kneipe auf, in der sie vor einer Skinheadmeute spielen. Trotz offener Provokationen bringen sie den Auftritt unfallfrei hinter sich, schlittern allerdings im Anschluss in eine Katastrophe. Als Pat ein vergessenes Handy aus dem titelgebenden Backstage-Raum holen will, wird er Zeuge eines Mordes, was unter den Veranstaltern umgehend für Aufregung sorgt. Gemeinsam mit seinen Kumpels wird er im Hinterzimmer eingesperrt, wo die Gruppe die Ankunft der Polizei und des Ladenbesitzers Darcy Banker (Patrick Stewart) abwarten soll. An eine Aufklärung des Verbrechens denkt der Nazi-Anführer jedoch nicht. Stattdessen trommelt er seine Schergen zusammen, die alle Spuren und Zeugen beseitigen sollen.
„Green Room“ beginnt wie ein charmantes Roadmovie über eine Truppe chaotisch-abgebrannter Musiker, nimmt dann aber eine Richtung, die spürbar vom US-typischen Backwood-Horror inspiriert ist. Eine Handvoll junger Menschen trifft im Hinterland auf unliebsame Zeitgenossen, bei denen es sich einmal nicht um degenerierte Kannibalen, sondern um skrupellose Neonazis handelt. Aus dieser Prämisse entwickelt der mit den Genremechanismen bestens vertraute Saulnier zunächst ein packendes Kammerspiel, das sich mit der Zeit zu einem deftigen, auf der Zielgerade beinahe surreal anmutenden Überlebenskampf auswächst.
Zartbesaitete Zuschauer seien eindringlich gewarnt, da die Kamera die losbrechende Gewaltspirale schonungslos dokumentiert. Diverse Körperteile werden malträtiert, ohne dass der Film zu einem stupide-monotonen Gemetzel verkommen würde. Wie schon in „Blue Ruin“ kreiert der Regisseur natürlich wirkende Protagonisten, die im Gegensatz zu vielen anderen Genrekollegen als Identifikationsfiguren taugen. Pat und seine Mitstreiter sind keine Superhelden, sondern normale Menschen, die sich in einer ausweglosen Lage nur langsam zurechtfinden. Ein besonderer Coup ist die Besetzung des Ober-Nazis mit Patrick Stewart, der den Barbesitzer abseits altbekannter Klischees als kühl-kalkulierenden Problemlöser darstellt.
Green Room
Länge: 95 Min.
Regie: Jeremy Saulnier
Darsteller: Anton Yelchin, Imogen Poots, Patrick Stewart, Alia Shawkat, Joe Cole, Callum Turner, Macon Blair
Kinostart: 02.06.2016