Veni, vidi, vici. Quo vadis jetzt? Kollegah bereist mit altbewährtem Konzept die Republik.

Altern ist schwer im Deutschrap-Geschäft. Veteranen wie Afrob oder Pillath öffnen sich deshalb gegenüber aktuellen Sounds. Im Gegenzug ernten sie den Shitstorm der alteingesessenen Fans, wenn die erste Videosingle ein Trap-Song ist. Die ganz Großen wie Sido oder Samy Deluxe sind aus dem Social Media-Diskurs und den YouTube-Rotationen längst verschwunden. Bei konstanten Verkaufszahlen durch Radio Airplay und Universal-Vermarktung wird sie das kaum jucken. Kollegah ist ein Ausnahmephänomen. Nach wie vor erscheint seine Musik ohne Major Label und hat fürs Radio zu viel Kante. Das Geheimnis: Der charismatische Rapper hat sich über die Jahre eine starke öffentliche Figur konstruiert. Das ist ein zweischneidiges Schwert. „Der Boss“ ist ein brillantes Marketing-Tool: Er wird in Talkshows geladen, betreibt einen lustigen YouTube-Kanal und veröffentlicht Fitnessprogramme. Gleichzeitig ist ein Stilwandel nicht möglich, ohne die Credibility zu gefährden. Imperator mit Gucci Belly? Doubletime-Parts mit Autotune? Das Martialische, die komplexen Wortspiele und der technische Flow des Boss sind das radikale Gegenteil vom HipHop-Zeitgeist, den die jungen Wilden prägen. Kollegah ist eben sehr gut, nahezu klinisch perfekt. Bestimmt hat er in der hessischen Heimat früher lange geübt und gefeilt an Sprache und Vortrag. Aber das Spontane, die Innovation, die Elemente, welche Lässigkeit und – pardon my french – Swag erzeugen, die sind ihm mit der Zeit abhanden gekommen. Dabei ist der inzwischen zarte 32 Lenze alte Felix Blume noch lange nicht im Alter und Legendenstatus eines Ferris MC angelangt, der dann Selbst-Parodien wie „Ultima Ratio“ auf den Markt werfen darf und damit zumindest unterhält. Der Boss klingt 2017 einfach nur langweilig. Nicht falsch verstehen: Auch Album Nummer sechs verkaufte sich letztes Jahr mehr als 100.000 Mal und kletterte auf die eins der Albumcharts. Für seinen Tourstop in Berlin interessieren sich auf Facebook rund 800 Menschen. Stellt sich die Frage: Wer sind diese Menschen? HipHop-Fans? Kollegah-Fans? Game of Thrones-Fans? Bodybuilder? Die Antwort kann man vor Ort suchen.

Live am 21.03. ab 20 Uhr im Tempodrom.