Mykki steht nicht allzu sehr auf Interviews – so scheint es jedenfalls, als wir sie für einen Termin in einem viel zu durchdesignten Hotel an der Spree treffen. „Wie soll ich bei dem Gerede heute Abend noch singen?“, fragt sie zur Begrüßung. Das alleine zeigt: Mykki geht in die Konfrontation. Ein Gespräch über Offenbarungen und das öffentliche Profil.

Verstehst du deine Musik als politisch?

Nein. Ich habe einen Performance-Art-Background und erst mit 25 angefangen, Musik zu machen. Es ist eine logische Konsequenz, dass all meine Musik erst mal interdisziplinäre Performance war. Ich hatte viele Themen, aber bei „Mykki“ sollte es nur um mich gehen.

Aus welchem Gefühl heraus?

Ich habe meinen Fans noch nie Einblicke in mein Innenleben gegeben. Das wollte ich ändern. Es ist eine persönliche Platte über Themen, über die ich noch nie gesprochen habe: Romantik – oder darüber, was mich deprimiert. 

Wobei immer wieder extrem persönliche Details über dich zur Schlagzeile werden. Wo setzt du die Grenze zwischen Privatsphäre und öffentlichem Profil?

Ja, ich habe ein öffentliches Profil. Aber um ehrlich zu sein: Interviews sehe ich als Teil des kreativen Prozesses. Es ist nicht so, als würde ich etwas extra privat halten. Ich werde nur sauer, wenn mich jemand fünfmal das Gleiche fragt. Klar gibt es Fragen, die niemanden etwas angehen. Ansonsten ist es mir egal, wenn Leute persönlich werden.

Denn stelle ich mal eine persönliche Frage: Du hast im Laufe deiner Karriere mehrfach das Pronomen gewechselt. Ist das Teil deiner Selbstkonstruktion oder eine Taktik, um Gendernormen zu dekonstruieren?

Ich habe in einer Phase mit Mykki Blanco angefangen, in der ich mich als transsexuell identifiziert habe. Also habe ich nach dem „sie“ gelebt. Als diese zu Ende war, entschied ich mich dafür, wie ein homosexueller Mann zu leben. Trotzdem ist Mykki Blanco eine feminine Person, also sollen die Leute gerne so über sie schreiben.

Findest du, dass im Umgang mit Worten und Gender inzwischen zu vorsichtig formuliert wird?

Ja, daraus ist eine zu große Sache geworden. Ich verstehe nicht, warum es bei mir so ein Ding ist. Es gibt so viele Leute, die darum mehr Wirbel machen, als ich es je getan habe. Zu viel Wirbel. Jeder fragt: „Was ist dein Pronomen?“ Und ich immer nur: „Ist mir egal!“ (haut auf den Tisch)

Die Musikindustrie wird von heteronormativen Männern dominiert. Wie gehst du damit um, wenn es um die Wahl deiner Venues und Collabs geht?

In Amerika bin ich vorsichtig, wer meine Show bucht. Häufig hast du straighte Promoter, die einen coolen Namen wollen – ohne eine Idee von meiner Musik oder dem Publikum. Ich achte darauf, dass ich queere Promoter habe. Und Künstler, die ähnlichen Ideen haben – die ihren Platz finden mussten, an dem sie ihre Arbeit und visuelle Sprache ausleben können. Mit solchen Leuten will ich in Zukunft noch mehr arbeiten.

Mykki Blanco – „Mykki" erschien am 16.09.16 über Dogfood Mg (Indigo)

02_interview_mykki-blanco_-coverjpeg

Foto ©: Jordan Hemingway