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Den meisten ist Jinte Deprez alias J. Bernardt wohl als Leadsänger und Gitarrist des belgischen Indie-Projekts Balthazar bekannt. Doch wie schon seinem Kollegen Maarten Devoldere wurde ihm die Band-Routine über die Jahre zu viel. Die Konsequenz: Ein eigenes, experimentelleres Projekt musste als Spielwiese her. Abseits aller 60er-Gitarrenriffs widmet sich der Multi-Instrumentalist auf seinem ersten Solo-Album „Running Days“ nun also neuen Klangkonzepten. R&B-inspirierte Melodien treffen dabei auf elektronische Beats und Lyrics rund um die Schönheit und Grausamkeit der Liebe. Verspielt, aber niemals zu opulent. Warum ihn das besser widerspiegelt, verrät er im Interview.

Wie hast Du das erste Mal gespürt, dass du dein eigenes Projekt zum Ausleben brauchst?

Das war eine sehr Business-orientierte, rationale Entscheidung. Maarten, mit dem ich die Musik für Balthazar schreibe, hatte bereits Solo-Material, das er irgendwann veröffentlichen wollte. Wir haben dann beide eingesehen, dass wir eine Pause brauchen, um dem nachzugehen.

Weil die 60er Sound-Schiene ab einem gewissen Punkt ausgeschöpft ist und sich limitierend auswirkt? Viele neue Möglichkeiten hat man da ja nicht mehr.

Absolut! R&B und HipHop sind tausendmal aufregender. Hinzukommt, dass wir drei Alben veröffentlicht haben und der Rhythmus nach sechs Jahren der gleiche wird. Eine Pause war also nur gesund. Als ich die dann hatte, habe ich aber schnell gemerkt, dass ich das gar nicht kann: keine Songs schreiben.

Tatsächlich klingt das Ergebnis von Balthazar weit entfernt: Loop- und Rhythmus-basiert, häufig ohne Pre-Chorus. Vor allem verabschiedest du dich vom allzu Melodischen. Warum?

Wir wachsen in der westlichen Gesellschaft mir sehr viel Melodischem auf. Von Vivaldi bis zu den Beatles. Unsere Ohren sind schon total danach programmiert. R&B und HipHop suchen sich gerade interessante neue Wege. Dieser afrikanische oder indische Groove – das ist aufregend! Ich höre schon immer eine Menge davon und dann fiel mir auf: Es ist doch komisch, dass ich bisher immer ganz andere Musik gemacht habe. Groove-Aspekt statt Melodie-Aspekt also!

Neben R&B-Einflüssen hört man immer wieder deine Liebe zu Kraftwerk heraus. Kannst du dich daran erinnern, wie du damit das erste Mal in Berührung gekommen bist?

Das lief ständig bei uns. Ich erinnere mich vor allem an „Roboter“. Als Kind war das mein Lieblingssong. Als Teenager habe ich Kraftwerk dann vergessen. Erst vor zwei Jahren habe ich sie wiederentdeckt. Musik ist da wie ein Geruch aus früheren Tagen, der dich sofort an etwas erinnert. Das ist für mich simple, aber dennoch interessante Musik.

Eine Devise, die du scheinbar auch für dein Album hattest – zumindest gehst du vorsichtig mit Produktion und Effekten um. Inwiefern war dir Minimalismus wichtg?

Ich finde, Musik muss immer einen menschlichen Touch haben – etwas Geerdetes. Ich mag dieses Abgespacte und Überdramatische nicht. Auch nicht zu viel Reverb und den ganzen Kram. Let’s keep it dry, ist meine Devise.

Entstanden ist die Platte in DIY-Manier. Wie kann man sich deine Arbeit im Home-Studio vorstellen?

Ich hab ein paar Quadratmeter Schlafzimmer, in denen ich Musik mache. Darin kann man sich kaum bewegen. Ein Computer und viele Synthesizer. Dieses DIY-Ding mochte ich. Mit Balthazar gab es fancy Studios, fancy Produzenten und die Erinnerung, die ich daran habe, ist… fancy. Wenn ich mir die Alben anhöre, könnte ich aber nicht sagen, dass die besser klingen.

Du nennt den Stil, der herausgekommen ist, „Cry Disco“. Das klingt dann aber doch etwas dramatisch…

Der Hintergrund ist folgender: Leute fragen mich oft, welche Art von Musik ich mache. Ich sage immer: »Weiß nicht. R&B-inspirierte Pop-Musik?« Dann kommt die Frage: »Kann man dazu tanzen?« Sie finden die Musik dann heiter, dabei sind die Lyrics das Gegenteil. Dramatische Musik mag ich nicht – vor allem, wenn man über persönliches Zeug redet. Trotzdem möchte ich ehrlich aussprechen, was mich betrifft. Wichtig ist mir also die Balance zwischen Up-Tempo-Beats und düsteren Lyrics. Das wollte ich damit zum Ausdruck bringen.

Kleine Preview auf Dein Berlin-Konzert: Live wird also beim Tanzen geheult?

Hoffentlich. Ich finde die Idee schön. Und ab einem gewissen Punkt tanzt man die Sorgen dann weg.

Am 9. Oktober ab 20 Uhr live im Privatclub

„Running Days“ erscheint am 16.6. bei PIAS.

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Titelfoto: © Athos Burez