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Läuft für den Franz Rogowski. Im Vorjahr schritt er in Cannes mit Isabelle Huppert und Regie-Ikone Michael Haneke für „Happy End“ über den Roten Teppich. Dann rief die Berlinale gleich dreifach nach dem Darsteller.

Zum einen gehörte Rogowski zu jenen zehn „European Shooting Stars“ – wie zuvor schon Daniel Craig, August Diehl oder Daniel Brühl. Zum anderen trat der Schauspieler gleich in zwei Wettbewerbsfilmen auf. In „Transit“ von Christian Petzold spielt er einen Flüchtling in Marseille. Zum ganz großen Festival-Liebling geriet die märchenhafte Liebesgeschichte „In den Gängen“. Als schüchterner Staplerfahrer verliebt sich Rogowski im Großmarkt in die Kollegin von der Süßwaren-Abteilung alias Sandra Hüller. Belohnt wurde die Leistung mit dem Deutschen Filmpreis als Bester Darsteller. Mit dem 32-jährigen Schauspieler unterhielt sich [030] Mitarbeiter Dieter Oßwald.

Herr Rogowski, sind Sie der junge Wilde des deutschen Kinos?

Rogowski: Ja, ich bin sehr wild, von Natur aus. Und sehr jung. Das ist manchmal schwierig. Aber ich bin ganz zuversichtlich, dass es gut kommt. Dass der Weg so richtig ist und ich freue mich auf das, was da kommt. Die Arbeit hat schon lange vorher angefangen. Die Aufmerksamkeit ist jetzt mehr da. Aber ich habe vor zehn Jahren genauso konzentriert meine Sachen gemacht wie jetzt. Es ist einfach so, dass jetzt mehr Leute zuschauen, das hat sich verändert.

Manchen gelten Sie als der deutsche Joaquin Phoenix – einverstanden oder genervt?

Rogowski: Auf der Berlinale habe ich das etliche Male gehört. Genervt? Nee. Das nehm’ ich glatt als Kompliment. (Lacht)

Wie kamen Sie zu „In den Gängen“?

Rogowski: Ich bin damals von Regisseur Thomas Stuber eingeladen worden, seinen „Herbert“ auf der Berlinale anzuschauen. Das hat mich sehr beeindruckt. Man kann ja immer nur so gut spielen, wie gut man mit dem Regisseur arbeiten kann. Man kann nicht isoliert für sich selber gut spielen. Das ist eine sehr intime Zusammenarbeit, die da entsteht. Zudem ist das Drehbuch ist unglaublich gut geschrieben – das muss man erst mal verhauen.

Wie sehen Sie Ihre Figur des schüchternen, schwer verliebten Staplerfahrers?

Rogowski: Christian ist relativ wortkarg. Er hat schon früh im Leben auf den Deckel bekommen und ist ein bisschen auf die schiefe Bahn gekommen. Im Moment befindet er sich in einem Stadium, wo er sein Leben in die Hand nehmen möchte und Verantwortung tragen will. Allerdings ist er nicht der Typ, der sich so einfach neu erfinden kann. Sondern er geht mit Herz und Sehnsucht einen neuen Schritt in seinem Leben.

Brauchen Sie Schnittmengen mit einer Figur, oder können Sie alles spielen?

Rogowski: Ich kann alles spielen! (Lacht) Ich bin kein Schauspieler, der genau weiß, wer diese Figur eigentlich ist. Weil ich auch nicht genau weiß, wer ich selber eigentlich bin. Ich kann ein paar Eckdaten geben, aber ich kann die Frage genauso wenig beantworten wie die Frage, wer ich wirklich bin.

Ist das Staplerfahren ein bisschen wie Kindergeburtstag?

Rogowski: Es gibt wenig, was einem beim Schauspiel so sehr helfen kann wie ein Stapler. Wenn man da so eine Tonne Bier über dem Kopf schweben hat, ist das schon sehr, sehr konkret. Wenn die Ladung herunter fällt, ist es vorbei mit dem Film. Und vorbei mit dem Spielen. Als Schauspieler sucht man oft verzweifelt nach irgend etwas, das wahrhaftig sein könnte. Eine Tonne Bier ist unglaublich wahrhaftig und sehr hilfreich beim Spielen.

Sie haben den offiziellen Flurfördermittelschein gemacht. Was ist so schwierig am Hochstapeln?

Rogowski: Das ist alles nicht so einfach! Beim Staplerfahren bedeuten nach links kurbeln nicht immer automatisch, dass der Stapler auch nach links fährt. Bis heute habe ich nicht ganz genau verstanden, wie das mechanisch funktioniert. Auf jeden Fall bedeutet das Kurbeln in die eine Richtung unter Umständen, dass der Stapler in die andere Richtung fährt.

Sie haben mit Regie-Ikone Terrence Malick gedreht. Sind die Wohnwagen beim Drehen größer als beim deutschen Film?

Rogowski: Malick hat ein ziemlich kleines Set. Er arbeitet sehr improvisiert, in der Arbeitsweise spürt man überhaupt nichts Pompöses. Natürlich gibt es große Statisterie und alles ist theoretisch möglich. Aber die Grundverabredung von Malick ist eigentlich ein kleines, leichtes und bewegliches Set zu haben, mit dem man improvisieren kann.

Was ist die wichtigste Qualität, die ein Schauspieler haben sollte? 

Rogowski: Eine gewissen Grundfärbung besitzt man durch die Erfahrungen, die man im Leben gemacht hat. Je nach dem, welche Erfahrungen das sind, wird das interessant – oder eben auch nicht. Die Denkweise, „Was ist das Wichtigste?“ habe ich für mich persönlich schon lange abgelegt, weil ich nicht daran glaube. Es gibt nicht diese exklusiven Relevanzen, sondern es gibt immer einen Kontext, aus dem sich dann eine Art von Skala erschließen lässt, was in dem jeweiligen Moment wichtig ist. Aber es gibt keine universellen Antworten auf einfache Fragen. Es gibt fast so viele Antworten auf die Frage, wie es Schauspieler gibt.

„In den Gängen“ läuft ab dem 24. Mai in den Kinos.

Foto: © Marco Krüger